MdL Nils Schmid: „Seit Jahren verschwinden Millionen unkontrolliert im Dickicht eines Forstinstituts – mit Wissen und Billigung durch die Regierung“

Massive Kritik der Rechnungsprüfer an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes

Die SPD-Landtagsfraktion wirft der Landesregierung Verschwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe vor. Es geht um ein dem Landwirtschaftsministerium unterstehendes Institut, die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg (FVA). Nach Informationen des SPD-Finanzexperten Nils Schmid hat sich in dem Institut mit Wissen und Billigung durch die Landesregierung seit Jahren eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt, in deren Folge die Personal- und Sachausgaben völlig unkontrolliert immer weiter aufgebläht wurden. In den vergangenen zehn Jahren sind demnach die Personalausgaben für die FVA um 84 Prozent und die Sachausgaben gar um 132 Prozent gestiegen. Auch der Spiegel berichtet heute über diese Steuerverschwendung. Derzeit bekommt die FVA rund 11,5 Mio. Euro jährlich aus dem Landeshaushalt.

Die Mitarbeiter des Instituts träten fast ausschließlich als ihre eigenen Auftraggeber auf, obwohl die Projektaufträge für ein solches Betriebsforschungsinstitut eigentlich vom zuständigen Ressort, dem Agrarministerium vergeben werden müssten.

Besonders dubios und möglicherweise auch in strafrechtlicher Hinsicht aufklärungsbedürftig ist aus Sicht des SPD-Finanzexperten die Zahlung von jährlich bis zu 2 Mio. Euro aus der Kasse des staatlichen Instituts an einen privaten Verein, der personell und technisch eng mit dem Institut verflochten ist.

„Den Kunden die Unverzichtbarkeit der Einrichtung deutlich machen“ – massive Kritik der Rechnungsprüfer
Schmid beruft sich bei seiner Kritik auf den ihm vorliegenden vertraulichen Bericht der staatlichen Rechnungsprüfer. Untersucht wurde das Forstinstitut vom Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Freiburg im Auftrag des baden-württembergischen Rechnungshofes. Der Prüfbericht wurde im Dezember 2005 fertig gestellt. Darin kritisieren die Rechnungsprüfer mit deutlichen Worten die massive Steigerung der Personal- und Sachausgaben in den vergangenen Jahren, die ohne erkennbare Gegenkontrolle der Geschäftstätigkeit des Instituts durch das zuständige Landwirtschaftsministerium vorgenommen worden sei.

Die Mitarbeiter des Instituts initiieren nach den Feststellungen der Prüfer seit langem ihre Forschungsvorhaben selber, obwohl eigentlich das Ministerium über jeden einzelnen Forschungsauftrag entscheiden müsste. Erklärtes Ziel der FVA sei es, so die Prüfer, Wissen zu transferieren und, so wörtlich, ihren „Kunden die Unverzichtbarkeit der Einrichtung deutlich zu machen“.

Dabei konnten die Rechnungsprüfer bei den durchgeführten Projekten noch nicht einmal ein „weit überwiegendes Ressortinteresse“ feststellen, heißt es in dem Prüfbericht unmissverständlich.

Bayern und Baden-Württemberg: ein wenig schmeichelhafter Vergleich
Die Aufblähung der FVA machen die Rechnungsprüfer an einem Vergleich fest: „Obwohl der landeseigene Staatswald in Bayern mehr als doppelt so groß ist wie in Baden-Württemberg, sind in Bayern weniger Beschäftigte vorhanden und der Gesamtaufwand ist wesentlich niedriger“. In den vergangenen zehn Jahren seien die Personalausgaben für die FVA um 84 Prozent und die Sachausgaben gar um 132 Prozent gestiegen.

Schmid: „Das zuständige Landwirtschaftsministerium, dem die Dienst- und Fachaufsicht über das Institut obliegt, deckt diese Misswirtschaft seit Jahren. Es wird nichts kontrolliert, Aufsicht findet nicht statt, und bezahlen muss dies der Steuerzahler.“

Schmid wies darauf hin, dass es nicht um die wissenschaftliche Qualität der Arbeit der FVA gehe. Es gehe ausschließlich um die von den Rechnungsprüfern dargestellte unkontrollierte Verwendung von Haushaltsmitteln. „Hier geht es um die Verschwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe durch die Landesregierung – und um sonst nichts.“

Ein Betriebsforschungsinstitut, das sich offenkundig fast ausschließlich der Grundlagenforschung zuwendet, verliere seine Daseinsberechtigung. Diese Art von Forschung habe ihren Platz an der Universität.

Dubiose Millionenzahlungen an privaten Verein
Möglicherweise auch unter strafrechtlichen Aspekten müssten die Ausführungen der Rechnungsprüfer über dubiose Zuwendungen des Instituts an einen privaten Verein noch genauer untersucht werden, so der SPD-Finanzexperte.

Nach den Erkenntnissen der Prüfer leistet die FVA „jährlich hohe Zahlungen an einen als gemeinnützig anerkannten Verein“ für Dienstleistungen wie Standort- und Biotopkartierung. Im Haushaltsjahr 2004 hat die FVA dem Verein insgesamt 1,96 Mio. Euro überwiesen. Schon ein erster vergleichender Blick auf die Homepages der FVA und des Vereins („Verein für Forstliche Standortkunde und Forstpflanzenzüchtung e.V.“, VFS) weise auf sehr enge personelle und technische Verflechtungen zwischen staatlichem Institut und privatem Verein, so Schmid. Der Vorsitzende des Vereins sei zugleich Abteilungsleiter im Institut und offenkundig werde auch die Telefonanlage gemeinsam genutzt.

Die Rechnungsprüfer monieren nach Ansicht von Schmid zu Recht, dass die regelmäßigen Zahlungen der FVA an den Verein einer unzulässigen institutionellen Förderung gleichkommen. Sie kritisieren darüber hinaus, dass bei der undurchsichtigen Vergabe von Werkverträgen durch das Institut an den Verein die vergaberechtlichen Regelungen nicht beachtet werden und rechtlich zwingende Ausschreibungen unterbleiben.

Angebliche Drittmittel entpuppen sich als Gelder aus dem Landeshaushalt
Als „unzutreffend und irreführend“ bewerten die Rechnungsprüfer die vom Institut behauptete Einwerbung von Drittmitteln. Als Gradmesser ihres Erfolges sowie ihrer wissenschaftlichen Exzellenz und um die Notwendigkeit der Personalaufstockung zu unterstreichen, verweise die FVA nach außen stolz auf den hohen Anteil von Drittmitteln am Gesamtbudget der FVA. Zuletzt sollen das laut FVA-Geschäftsbericht 41 Prozent gewesen sein. Tatsächlich aber, so die Prüfer, liege der Anteil allenfalls bei knapp 9 Prozent. Der Trick: Die FVA rechnet auch die Zahlungen aus dem Landeshaushalt zu den Drittmitteln, was aus der Sicht der Rechnungsprüfer nicht länger geduldet werden dürfe.

Die Aufgaben der FVA nach dem Waldgesetz – und in der Wirklichkeit
Die FVA wurde 1958 durch die Zusammenführung badischer und württembergischer Forschungseinrichtungen in ihrer heutigen Form als nicht rechtsfähige öffentliche Anstalt gegründet. Die Dienst- und Fachaufsicht obliegt dem MLR. Nach § 76 des Landeswaldgesetzes hat die FVA als Betriebsforschungsinstitut die Aufgabe, insbesondere der Forst- und Holzwirtschaft rationelle Möglichkeiten zur Erfüllung der vielfältigen Funktionen des Waldes aufzuzeigen und die ökologischen Beziehungen zwischen Wald und Umwelt zu untersuchen.

Als Betriebsforschungseinrichtung dürfe das Institut aber nicht als sein eigener Auftraggeber auftreten, wie dies derzeit ganz überwiegend geschehe, stellen die Rechnungsprüfer fest. Auftraggeber müsse im Wesentlichen das Ministerium sein, das unter Beachtung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit über die Durchführung „jedes einzelnen Forschungsprojektes“ zu entscheiden habe.

Schmid: „Diese Kontrolle findet seit Jahren nicht statt. Für die Verschwendung von Steuergeldern tragen der Landwirtschaftsminister und der Ministerpräsident die Verantwortung.“

Am Beispiel der FVA werde deutlich, welcher Wildwuchs sich gerade im Zuständigkeitsbereich des Agrarministeriums in Jahrzehnten entwickelt hat. Wenn die SPD in Regierungsverantwortung komme, werde dieses Dickicht kräftig durchforstet, kündigte Schmid an. Dieser Schritt sei im Interesse einer seriösen Haushaltspolitik mit klaren Prioritäten und dem Ziel der Nullverschuldung überfällig, so der SPD-Finanzexperte.

Helmut Zorell
Pressesprecher