Redemanuskript Andreas Stoch
Aktuelle Debatte „Kampf um den Diesel: Grün-Schwarz demonstriert gegen sich selbst“

am 21. Februar 2019

„Dicke Luft in der Koalition“, „Der Lack ist ab“ oder „Grün-Schwarz leidet unter Klimawandel“. Dies sind nur einige wenige Überschriften in der Landespresse zum Zustand dieser grün-schwarzen Konfliktkoalition.

Wenn es nicht um ein wirklich wichtiges Thema ginge, hätte die hektische Betriebsamkeit der vergangenen Tage und das Theater der vergangenen Wochen ja seine heiteren Seiten.

Aber eben weil es um die Mobilität Zigtausender Menschen auf der einen Seite und die Gesundheit ebenso vieler Menschen auf der anderen Seite geht, kann einem das Lachen im Halse stecken bleiben wie ein Stuttgarter im Stau. Und was von dem heiteren Theater dann bleibt ist nicht weniger als ein verheerendes Armutszeugnis der Grün-schwarzen Koalition.

Die Luft in Stuttgart besser zu machen ist keine leichte Aufgabe, aber es ist beileibe keine unlösbare Aufgabe. Sie verlangt einfach nur nach beherztem Handeln und nach Augenmaß, wenn es um die Umsetzung von Recht und Gesetz geht.

Aktuell könnte dieses Haus, könnte dieser Landtag zum Beispiel beschließen, Fahrverbote für Euro-5-Diesel für den Zeitraum von zwei Jahren auszuschließen, also ein Moratorium zu beschließen. Das ist möglich, und zwar auf Grundlage des geltenden Rechts, denn ein solches Fahrverbot wäre unverhältnismäßig. Und es ist eben durchaus wahrscheinlich, dass für diese Fahrzeuge eine Möglichkeit zur Nachrüstung geschaffen wird, für die die Autobesitzer aber die Zeit und vor allem die Rechtssicherheit benötigen.

Wir fordern von Ihnen ein solches Moratorium! Lassen sie ihren vollmundigen Versprechungen endlich Taten folgen!

Mit diesem Moratorium würde die Politik gleich mehrfach richtig reagieren. Auf die entsprechenden Urteile, die ausdrücklich zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit eine Übergangsfrist, also ein Moratorium, vorsehen.

Auf die Tatsache, dass die Nachrüstung für Euro-5-Diesel erst viel zu spät von der Autoindustrie angegangen wurde und es noch einige Zeit dauern wird, bis ausreichend Nachrüstungen zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt sind.

Vor allem aber würden wir auf die extreme Verunsicherung all jener Menschen reagieren, die sich nicht alle zwei Jahre ein neues Auto leisten können und deren teils kaum sechs Jahre alte Wagen nun plötzlich von Fahrverboten betroffen sein könnten.

All das wäre machbar, aber für die Grün-schwarze Regierung bleibt es ein Ding der Unmöglichkeit. Weil sie sich nämlich im Kern, in den Zielen ihrer Politik nicht einig sind. Von wegen Komplementärkoalition, Herr Ministerpräsident! Das ist ein Handlungsunfähiger Haufen, der den Titel Regierung doch überhaupt nicht verdient hat.

(Denn ganz offensichtlich bedingen sich Grün und Schwarz in ebenso unseliger Weise wie Diesel, Staub und Stickoxide: Gibt man Gas, wird alles nur noch schlimmer. Beim Diesel fehlt es an AdBlue, bei Grün-Schwarz an AdHirn. Oder anders gesagt, manchem Diesel fehlt es an Harnstoff, der Regierung fehlt es an Hirnstoff.)

Ich weiß gar nicht mehr, was ich schlimmer finden soll: Das ist der grüne Urwunsch, Autos per Verbot stillzulegen, der zwar kaum noch ausgesprochen, aber immer wieder spürbar wird. Bis zuletzt hat man sich hinter der pauschalen Aussage verschanzt, die Politik könne nicht handeln und allein die Gerichte seien verantwortlich. Wenn sich das jetzt plötzlich ändert und man sogar über eine Lockerung der Fahrverbote für Euro-4-Diesel redet, zeigt das, dass wir es nur mit Ausreden zu tun hatten. Man ließ es drauf ankommen. In Hamburg wurden zehnmal so viele Luftreinhaltepläne geprüft wie in Stuttgart, und die Grenzziehung im Stadtgebiet war entweder extrem einfallslos oder eben im Sinne maximaler Fahreinschränkungen. Viele Menschen werden den Eindruck nicht los, dass die Grünen es gar nicht so schlecht fanden, dass bei Dieselfahren Panik aufkam und Tausende von Betroffenen aus Angst vor radikalen Fahrverboten ihre Fahrzeuge tauschten, was fast immer mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden war. Offenbar heiligt der Zweck die Mittel, auch wenn man Zigtausenden von Bürgerinnen und Bürgern die Pistole auf die Brust setzt.

Doch die Haltung der Grünen mag zwar vor allem ideologisch motiviert sein, sie ist aber zumindest halbwegs gradlinig. Und wenn der Unmut der Dieselfahrer dazu geführt hat, dass man die Verbotskeule nun weniger emsig schwingt, ist das ja kein Wandel, den man beklagen sollte.

Wirklich bizarr ist aber das Verhalten der CDU. Auf der Straße demonstrieren sie gegen das, was sie in der Regierung und hier im Haus mittragen. Und dass es aus einer Regierungspartei Stimmen gibt, die einen Minister der eigenen Koalition ins Kittchen wünschen, hat es in der Geschichte dieses Bundeslandes wohl auch noch nicht gegeben. Glauben Sie wirklich, dass die Bürger so dumm sind, dass sie das nicht bemerken?

Und dass sie sich nicht daran erinnern, dass alle Rahmenbedingungen, die zu den heutigen Problemen geführt haben, unter CDU-Regierungen eingeführt wurden? Die Messstellen, die Auflagen, die Fortschreibungen? Nun tun sie so, als hätten die Grünen all das erfunden und müssten deswegen ins Kittchen. Das ist nicht schön konservativ, das ist nicht schön christdemokratisch, das ist aber ganz schön schizophren. Oder aber ein Gipfel an Verlogenheit. Aber natürlich! In Schöntal tritt man vor die Medien und fordert markig, nicht mehr mit Fahrverboten für Euro-5-Diesel zu drohen, und drei Tage später zerfällt die ganze Entschlossenheit zu Staub, um nicht zu sagen, zu Feinstaub.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da draußen gibt es Zigtausende Autofahrer, die verzweifelt sind, und der Löwenanteil von Ihnen geht auf keine Demonstration.

Was aber alle von diesem Haus erwarten, sind Lösungen. Und da hilft es nicht, sich an gesetzlichen Grenzwerten abzuarbeiten oder an Urteilen. Wir als Parlament müssen auf dem Boden von Recht und Gesetz stehen. Und wir können nur vorankommen, wenn wir bei der Mobilität nicht immer nur VERbieten, sondern etwas ANbieten. Und hier habe ich trotz der jüngst verkündeten Kurswechsel ehrliche Sorgen: da haben wir einen Vizeministerpräsidenten, der sich am Dienstag in aller Ruhe vor die Journalisten der Landespressekonferenz setzt und erklärt, er habe die Mechanismen bei der Luftmessung in Stuttgart nicht verstanden. Und da haben wir einen Verkehrsminister, der nach eigenen Angaben mit einer weiteren Busspur am Neckartor beim grünen OB von Stuttgart auf Granit beißt, weil diese Spur reine Symbolpolitik ist und zu Staus führt, die nicht nur dem Autoverkehr, sondern auch den Linien der SSB massiv schaden würde. Müssen wir jetzt auch noch auf Demonstrationen der Busfahrer warten, bis Vernunft einkehrt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürgern in einer mobilen Welt die Mobilität zu verbieten ist eine ernste Sache, und der Schutz der Umwelt und der Gesundheit ist genauso ernst. Wir haben es hier mit einem extrem wichtigen Handlungsfeld zu tun und nicht mit einer Spielwiese für Populisten hier oder Fundamentalisten da. Was die Menschen von uns erwarten ist, dicke Luft zu beseitigen. Und zwar nicht die dicke Luft in dieser Regierungskoalition zu beseitigen, sondern die dicke Luft da draußen, in Stuttgart und in anderen Städten. Und wenn Ihnen da nichts einfällt, dann sind sie fehl am Platze, dann sind sie gescheitert. Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz