Frau Präsidentin,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

erst drei Jahre ist es her, dass wir in diesem Haus über den damals neu bestellten Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung sprachen. Und ich erinnere mich daran, dass ich es beschämend fand. Beschämend, dass es in unserem Land in unserer Zeit einen Bedarf für einen Antisemitismusbeauftragten gibt, und furchtbar, dass dieser Bedarf ganz deutlich und unbestreitbar ist. Und dass wir heute, nach dem Anschlag auf die Synagoge in Ulm, einmal mehr Anlass dazu haben, uns mit Antisemitismus in unserem Land befassen zu müssen, ist eine Schande!

Unsere ganze Solidarität gilt unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die nicht nur den feigen Anschlag auf die Ulmer Synagoge miterleben mussten, sondern auch alles, was schon in den Wochen und Monaten zuvor in diesem Land und in der ganzen Republik vorgekommen ist. Schlimmste antisemitische Hasstiraden, nicht nur in den Schattenräumen des Internets, sondern auch auf der Straße.

Und über die Wirkung sollten wir uns klar sein, und es ist eine furchtbare Klarheit: Dass in dem Land, das die Shoah als beispielloses Menschheitsverbrechen zu verantworten hat, Jüdinnen und Juden heute Angst um sich haben müssen, um ihre Familien und ihre Gotteshäuser: Das ist schrecklich, das ist beschämend und das werden wir nicht akzeptieren!

Und es verbietet sich, das jüngste, das aktuelle Aufflackern von Antisemitismus isolieren oder auch politisch begründen zu wollen. Wieder und wieder war und ist der Antisemitismus Motiv von Tätern, die in Worten und Taten ihren Hass auf Jüdinnen und Juden, auf einen Glauben zeigen und auf schreckliche Weise zur Tat schreiten. Ob es das Attentat auf die Olympischen Spiele 1972 in München war. Oder terroristische Taten wie die Mordserie des sogenannten NSU, beim Berliner Breitscheidplatz, in Halle, München, in Hanau. Immer wieder spielt ein krankhafter Hass auf Jüdinnen und Juden eine Rolle. Und deswegen muss die Bekämpfung des Antisemitismus eine Kernaufgabe unserer Politik sein. Dazu können sich alle demokratischen Parteien bekennen, auch in diesem Haus, und dafür bin ich dankbar.

Doch beim Bekenntnis allein kann und darf es nicht bleiben. Wenn wir jüdischem Leben in unserem Land Sicherheit bieten, wenn wir antisemitischen Terror bekämpfen wollen, dann dürfen wir nicht nur „Nie wieder!“ rufen, sondern dann müssen wir handeln. Immer und immer wieder. Gemeinsam und entschlossen! Denn der Antisemitismus bricht immer wieder aus, wie eine böse, hartnäckige Seuche. Wir haben erlebt, wie in der Pandemie Verschwörungsmärchen die Runde machten, bei denen schon wieder judenfeindliche Narrative auftauchten, teils sogar wirrste Lügen aus dem Mittelalter, mit angeblich weltweiten Verschwörungen und Kinderopfern. Das war schon bei der Pest im Mittelalter rasend gefährlich.

Und ich sage auch klar: Keine engagierte Meinung zum Nahostkonflikt, keine Kritik an der Politik der israelischen Regierung rechtfertigt irgendein Vorgehen gegen Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land. Niemals! Und es ist dabei vollkommen ohne Belang, ob die Motive aus angestammten radikalen Milieus kommen oder erst in den vergangenen Jahren in dieses Land eingewandert sind. Es spielt keine Rolle! Und es kann auch keine Rolle spielen, ob jemand Menschen jüdischen Glaubens von Angesicht zu Angesicht bedroht oder über digitale Medien, ob er Hassplakate in der Wirklichkeit aufhängt oder virtuell. Wir wollen das nicht, und wir wollen es nie wieder dulden!

Daher wollen wir mehr tun gegen Antisemitismus. Das bedeutet Sicherheit und Polizei, das bedeutet aber auch Fortbildung und Aufklärung, das bedeutet Prävention und Einmischung, das bedeutet ein engagiertes Einstehen. Und das bedeutet auch, dass wir eine rote Linie ziehen, auch in diesem Haus. Denn auch wer Antisemitismus nur duldet, wer nicht gegen ihn eintritt und aufsteht, macht sich mitschuldig. Auch wer nicht nachhause geht, wenn neben ihm Antisemiten marschieren, gegen was und für was auch immer. Auch, wer es zulässt, dass Judensterne von sogenannten Querdenkern und Impfgegnern missbraucht werden. Auch, wer es zulässt, dass sich verschwurbelter und chiffrierter Antisemitismus in seiner Ecke breit macht. Hier gibt es keine Grauzone, hier darf es keine Grauzone geben! Keinen Millimeter für die Brandstifter, egal ob sie mit Worten oder gleich mit Benzinkanistern zündeln wollen! Keinen Millimeter!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Jüdisches Leben ist Teil dieses Landes und seiner Geschichte, seit weit über eineinhalb Jahrtausenden. Es ist ein Wunder und es ist ein großes Glück, es ist ein Geschenk, dass nach der Shoah wieder jüdisches Leben in unserer Mitte entstanden ist. In Deutschland, in Baden-Württemberg. Dieses Geschenk wollen wir bewahren und fördern, und wir wollen es beschützen.

Und wir wollen, dass Sie das wissen.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.