Konsequenzen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise im Mittelpunkt des Gesprächs der Bischöfe mit der SPD-Landtagsfraktion

„In der Finanzkrise, die sich zu einer Wirtschaftskrise auszuweiten beginnt, besinnen sich mehr und mehr Verantwortliche auf die Wertedebatte, die sich nicht mehr nur im Feuilleton der Medien abspielt.“ Dies hat der Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch am Donnerstag, 15. Januar, in einem turnusmäßig stattfindenden Gespräch der Bischöfe der Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg betont. Ein Staat, der in Zeiten von Krisen und elementaren Herausforderungen von seinen Bürgern getragen werden wolle, bedürfe einer „gerechten und gedeihlichen Zukunft auf dem Grund gemeinsamer Grundlagen“. „Er braucht Fundamente, die auch dann halten, wenn stürmisch an ihnen gerüttelt wird“, sagte Erzbischof Zollitsch. Die derzeitige Krise, so der Erzbischof, wäre kleiner ausgefallen, wenn die Eckpunkte und Wertvorstellungen der katholischen Soziallehre mehr Beachtung gefunden hätten, denen die soziale Marktwirtschaft sehr nahe komme.

Es sei richtig und wichtig, betonte der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, gegenüber den sozialdemokratischen Parlamentariern, dass sich der Staat in der aktuellen Krise seiner steuernden und ordnungspolitischen Aufgaben im Bereich von Wirtschaft und Finanzen wieder mehr bewusst werde. „Aber kein Regelwerk und keine Ordnungspolitik können die moralische Verantwortung und das Gewissen der Personen ersetzen, die in Leitungsaufgaben tätig sind – gleich ob in der Wirtschaft, in der Finanzwelt oder in der Politik“, sagte Bischof Fürst. Die Zehn Gebote der Bibel seien heute so aktuell wie zu allen Zeiten. „Wenn diese Krise bei allem Unglück, das sie bei vielen Menschen verursacht, eine positive Seite hat, dann besteht diese darin, dass das Stichwort ‚persönliche Moral’ wieder ernst genommen wird.“ Er setze darauf, so Bischof Fürst, dass die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren die Politiker aller Parteien dazu motiviere, sich jetzt nicht von einseitigen Motiven der Wahlkampfprofilierung, sondern von einer alle Demokraten verbindenden Gemeinwohlverantwortung leiten zu lassen und gemeinsam nach den besten Wegen der Problembewältigung zu suchen.

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Claus Schmiedel, sprach sich in dem Meinungsaustausch mit den beiden Bischöfen dafür aus, die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise für eine „Wiederkehr der Politik und des Vertrauens in die Politik“ zu nutzen. „Der Staat kommt wieder in sein Recht. Seine Gestaltungskraft und Handlungsfähigkeit sind mehr denn je gefragt“, betonte Schmiedel. Der neoliberale Spuk, der alles und jedes dem Markt und der Privatisierung habe überlassen wollen, sei mit dem Platzen der Finanzblase in der Versenkung verschwunden. In Gesellschaft, Wirtschaft, Kirchen und Politik reife die Einsicht, dass die soziale Marktwirtschaft eine wertebezogene Erneuerung benötige, und zwar auf europäischer Ebene und im globalen Maßstab. In diesem Punkt stimme er mit Erzbischof Dr. Zollitsch und Bischof Dr. Fürst völlig überein.

Nicht nur die Parteien, sondern auch die Kirchen könnten hierzu wertvolle Beiträge leisten, so Schmiedel. Als Beispiel verwies er auf das wegweisende Gemeinsame Wort des Rates der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1997 zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland mit dem Titel „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“.

„Das Soziale in der Marktwirtschaft ist keine Eigenschaft, die sich von selbst durch freien Wettbewerb von Unternehmen ergibt, sondern soziale Demokratie kommt nur durch eine ständige politische Anstrengung für Gerechtigkeit, Fairness und Solidarität zustande“, sagte Schmiedel weiter. „Eigentum verpflichtet, und zwar nicht zu Gier ohne Grenzen und zu Profiten als Selbstzweck, sondern zur Verantwortung für das Gemeinwohl und für die Lebensqualität der arbeitenden Menschen.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende bekräftigte in diesem Zusammenhang die Forderung der SPD nach Einführung von Mindestlöhnen und von Obergrenzen für Managergehälter.

Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher