Redemanuskript von Andreas Stoch zum Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans 2023/2024

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

man muss ja wahrscheinlich schon froh darüber sein, wenn bei der Debatte um eine gute Politik für unser Land wenigstens die Ausgangslage unumstritten ist. Und so kann ich vieles, was meine beiden Vorredner zur Lage im Land, im Bund und in der Welt gesagt haben, nur unterstreichen.

Ja, wir erleben eine Krise, eine sehr schwere Krise. Es trifft uns alle, es trifft uns von ganz verschiedenen Seiten. Es treffen uns Preisexplosionen und Inflation, die über Nacht durch einen Angebotsschock entstanden ist. Es treffen uns echter Mangel und unsoziale Marktmechanismen, wir erleben Abhängigkeiten und ein Gefühl der Hilflosigkeit. Und wir erleben, wie vielen in unserem Land das Geld ausgeht. Auch Menschen, die nicht die ärmsten sind. Auch Firmen, Handwerkerinnen und Handwerkern, auch Sportvereinen, auch sozialen Einrichtungen.

Und all das trifft ein Land, das nun gewiss schon mehr als genügen Probleme zu lösen hatte. Die Folgen der Pandemie sind noch nicht überwunden, die Zahl der Menschen, die in unserem Land Flucht vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine suchen, ist sehr groß und stellt uns vor gewaltige Aufgaben. Darum muss ein handlungsfähiges Gemeinwesen in gewaltigem Ausmaß handeln, und die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP tut das auch. Ich weiß nicht, ob irgendjemand vergessen hat, wie unsere Energieversorgung im vergangenen Winter aussah.

Wir werden in diesem Winter ganz ohne fossile Brennstoffe aus Russland heizen können. Dass wir darüber reden müssen, wie wir die Menschen und die Betreibe entlasten, wie wir der gewaltigen Kosten Herr werden, ist schlimm. Aber dass wir über die Höhe des Gaspreises reden und nicht darüber, dass es gar kein Gas gibt, ist allein schon eine gewaltige Leistung dieser Bundesregierung, des Bundeskanzlers Olaf Scholz und auch des Bundeswirtschaftsministers.

Und mit gewaltigen Entlastungspaketen trägt diese Bundesregierung dazu bei, dass möglichst alle Menschen in unserem Land möglichst gut durch die Krise kommen können. Sie tut ihren Teil zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung, einer Anstrengung aller. Wenn Sie dabei kritisiert wird, gehört das zur Politik. Wenn aber jemand meint, er müsse diese gemeinschaftliche Anstrengung nur vom Spielfeldrand kommentieren, aber selbst nicht anpacken, dann ist das in dieser Zeit definitiv zu wenig. Denn neben all den aktuellen Krisen gibt es auch noch die großen, bekannten Aufgaben, denen wir uns stellen müssen.

Eine Energiewende, zum Schutz unseres Klimas ebenso wie für eine autarke Energieversorgung, eine Verkehrswende, damit unser Land nicht gleichzeitig in Asphalt und Stau erstickt. Und eine Wende in eine neue industrielle Zeit, in der unser Land und unsere Wirtschaft nur dann bestehen werden, wenn wir uns massiv verändern können. Und ich sage ihnen: Diese Aufgaben anzugehen, sie zu lösen, das ist seit dem 24. Februar nicht unwichtiger, sondern noch viel dringlicher geworden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich kann verstehen, wenn jemand in diesen Zeiten den Mut verliert. Wenn jemand klagt, dass man vor lauter Aufgaben und Problemen gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Wenn jemand stöhnt und jammert und sich beschwert. Das kann sein. Aber es kann nicht alles sein! Denn es ist doch ganz klar: Jammern bringt unser Land jetzt nicht weiter. Und zum Jammern gibt es heute auch keinen Anlass. Denn die Grundlage für einen Haushaltsplan ist die Kassenlage. Und diese Kassenlage ist in Baden-Württemberg weiterhin sehr gut.

Einer ohnehin nicht von Armut bedrohten Landesregierung stehen von 2022 bis 2024 nach den jüngsten Steuerschätzungen allein geschätzte 2,5 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen ins Haus. Weitere 2,5 Milliarden. Und das bei einer Haushaltslage, bei der Sie für 2023 sowieso schon mit rund 3,5 Milliarden Euro mehr gerechnet haben, 2024 sogar fast fünf Milliarden Euro mehr. Da sind wir also bei einem Plus von rund achteinhalb Milliarden Euro, mit den aktuellen

Steuermehreinnahmen sind wir bei elf Milliarden mehr. Und von all den Ausgaberesten in teils gewaltiger Höhe habe ich noch gar nicht gesprochen. Auch nicht von den Überschüssen früherer Jahre. Was machen Sie mit all dem Geld? Es ist also schlicht falsch, beim Blick auf den Haushalt immer nur von den schlechten Zeiten zu reden. Die Zeiten sind schlecht, aber die Kassenlage ist es nicht. Und das ist eigentlich die Ausgangslage, von der man in anderen Ländern in Deutschland und Europa träumen würde.

Wir haben dort einen Berg dringender Aufgaben, aber wir haben hier die Mittel, um etwas zu unternehmen. Jetzt fehlt nur noch eine Regierung dazwischen, die das Geld in die Hand nimmt… Vielleicht lässt sie das Geld aber auch liegen. Und jammert lieber.

Es ist noch keinen Monat her, da stand ich an dieser Stelle und habe angeregt, dass diese Landesregierung über eigene Hilfen nachdenken könnte in dieser Krise, anstatt immer nur über den Bund zu jammern und zu klagen. Und die grünen und schwarzen Kolleginnen und Kollegen widersprachen mir energisch. Erst müsse der Bund liefern! Und vielleicht ergebe die Steuerschätzung ja, dass man gar kein Geld habe!

Inzwischen haben wir die Steuerschätzung, und siehe da: Baden-Württemberg hat viel Geld und bekommt noch mehr Geld und die einzigen, die das fundamental überrascht, sind die Regierungsfraktionen und der Finanzminister. Und die CDU muss plötzlich nicht mehr auf den Bund warten und will nun jene Landeshilfen, die ja ganz unmöglich waren, als die SPD sie wollte.

Also redet man jetzt doch über Landesprogramme, man redet aber auch gleich darüber, dass man noch einmal eine Milliarde Euro an Kreditermächtigung braucht. Warum? Geben Sie doch erst einmal das viele Geld aus, das Sie haben! Was soll eine Kreditermächtigung, wenn sie am Ende gar keine Kredite aufnehmen? Sie stehen jetzt schon mit Kreditermächtigungen über 20 Milliarden Euro da. Aber davon haben Sie doch kaum etwas gebraucht bisher!

Wenn Sie es nur ermöglichen, Hilfe zu bezahlen, aber dann gar nicht helfen, dann sind all diese Milliarden nur Zahlen ohne Wert, nur Hilfen fürs Schaufenster. Das reicht nicht. Tatsächlich könnten Sie Geld ausgeben, viel Geld, und Sie müssten lediglich die bereits überreich vorhandene Liquidität nutzen, um auch in dieser Krise helfen zu können. Wir sehen da keine Probleme, und wir würden mit Ihnen zusammenarbeiten, wenn die Landesregierung den Landtag beteiligen würde. Wenn Sie Hürden sehen, dann kann der Landtag Ihnen helfen. Sie müssten nur auf uns zukommen.

Und noch einmal: Ich rede hier NICHT von neuen Schulden. Ich rede davon, das Geld auszugeben, das Sie schon haben!

Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, ich verstehe das langsam nicht mehr. Sie legen trotz absehbarer Ergebnisse der Steuerschätzung einen Haushalt vor, nur um dann selbst nach schon zwei Wochen mit einer Unzahl von Änderungen aufzuwarten. Der Haushalt, der hier kürzlich vorgestellt wurde, ist jetzt schon Altpapier. Und er ist der Beweis, dass diese Regierung entweder nicht weiß, wie es in ihrer Kasse aussieht. Oder Sie will nicht, dass andere es wissen, und vermeidet die nötige Transparenz. Sie reden über knappe Kassen, obwohl Sie so viel Geld haben. Sie reden über neue Schulden, die Sie gar nicht machen müssen. Was für Kontoauszüge schauen Sie an?

Nehmen Sie doch mal die vom Land!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir müssen auf diese Krise reagieren. Mit aller Entschlossenheit und allen Mitteln, alle gemeinsam. Wer immer meint, ausgerechnet das Land könne außen vor bleiben, der irrt gewaltig. Und wer vielleicht davon träumt, dass andere die Krise bewältigen, während Baden-Württemberg sein Geld hortet, der irrt auch hier. Und er spielt mit der Zukunft unseres Landes. Enkelgerecht ist das nicht.

Denn es sind sich nicht nur alle nennenswerten Wirtschaftsexpertinnen und Experten einig, dass der Staat jetzt nicht an Sparrunden denken kann. Nein, das sagen auch viele Politikerinnen und Politiker. Und weil Sie denen von der SPD ja aus Prinzip nicht zustimmen können, habe ich ein paar andere Zitate dabei:

„Ich bin dafür, volles Rohr zu investieren. Das ist auch eine Frage von Generationengerechtigkeit“, sagt die Grünen-Landeschefin Lena Schwelling. Und sie sagt auch etwas zu der angeblichen Enkelgerechtigkeit des Kollegen Hagel.

Zitat Lena Schwelling: „Finanzielle Spielräume auf einem zerstörten Planeten sind aber auch nur begrenzt sinnvoll. Wie man Enkelgerechtigkeit nur in finanzieller Hinsicht definieren kann, ist mir ein völliges Rätsel.“

Ich habe noch ein Zitat, das ist kürzer: „Investieren wir uns raus aus dieser Krise.“ Robert Habeck hat das gesagt, der ist Bundeswirtschaftsminister und ein Grüner, weil die Grünen in Berlin mitregieren. Ich glaube, man muss das dieser Landesregierung immer wieder erklären.

Anderswo ist also auch vielen Grünen klar, dass es jetzt schlicht notwendig ist, mit einer gezielten Haushaltspolitik gegen die Krise anzusteuern. Wer jetzt Finanzpolitik macht, muss mehr im Kopf haben als das Sparschwein. Und wer in Baden-Württemberg den Haushalt macht, muss mehr tun, als beim 1. FC Grün-Schwarz ein volles Kässle zu bewachen.

Noch ein Zitat: „Dieser Perspektivwechsel — weg von der reinen Sparsamkeit, hin zu einem Fokus auf das Ziel — ist der Weg, um Krisen zu begegnen und neuen Krisen vorzubeugen.“ Herr Bayaz, das ist aus einem Papier der bayerischen Grünen… kennen Sie vielleicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Monaten hat sich in diesem Haus ein merkwürdiger Programmablauf festgetreten: Sie reden in der Krise immer sehr viel über den Bund, und wieder wird geklagt und gejammert und kritisiert. Dann rücken wir manches Zerrbild gerade und weisen darauf hin, dass der Bund eine Entschlossenheit zeigt, die wir bei dieser Landesregierung bislang noch vermissen. Am Ende haben wir dann viel darüber geredet, was der Bund tut und was er tun sollte. Und manchen von Ihnen scheint das auch ganz recht zu sein.

Aber wir sollten hier im Landtag darüber reden, was das Land tun kann und was die Landesregierung tun muss. In dieser Krise müssen alle helfen, und das bedeutet, dass auch das Land helfen muss. Und davon sollte wir auch nicht mehr ablenken. Diese Landesregierung kann helfen, wenn sie es will. Sie kann sogar sehr viel helfen. Wo soll sie helfen, wo muss sie helfen?

Wir schlagen vor, bei den zusätzlichen Hilfen drei Gebiete zu priorisieren: Zunächst die in dieser Krise nötigen Entlastungen, dann eine Förderung für Kinder und Jugendliche und schließlich ein Investitionsprogramm, bei dem der Titel „starkes Baden-Württemberg“ die Richtung vorgibt.

Ich sage es noch einmal: Ja, die Bundesregierung hat bereits Entlastungen in gewaltiger Höhe beschlossen. Aber für viele Menschen und viele Betriebe in diesem Land ist die Belastung einfach ungeheuer gewachsen, und es braucht Hilfe von allen Seiten. Staatliche Hilfe kommt vom Staat, und der Staat ist eben nicht nur der Bund, sondern auch das Land!

Und das gilt besonders in unserem Land. In Baden-Württemberg bezahlen Mieterinnen und Mieter ohnehin schon mehr für das Wohnen als in jedem anderen Bundesland, und die Teuerungen treffen hier noch mehr als anderswo. Und deswegen braucht es hier mehr Hilfe als anderswo, und wo soll diese Hilfe für das Land denn herkommen als vom Land?

Wir fordern von Ihnen Härtefallfonds, um Pleiten und Privatinsolvenzen zu verhindern, um denen zu helfen, die es am dringendsten nötig haben. Und um allen Menschen in diesem Land die Angst vor einem Winter zu nehmen, in dem nicht das Gas oder der Strom ausgeht, sondern das Geld. Wir sollten alle nicht unterschätzen, welche Auswirkungen diese Sorge hat und wie gut es täte, wenn es hier zusätzliche Härtefallfonds gäbe. Auch denen, die diesen Härtefallfonds am Ende gar nicht brauchen werden.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es außer solchen Härtefallfonds noch andere Schritte braucht. Mitte Oktober habe ich hier im Landtag an das landeseigene Hilfspaket in Niedersachsen erinnert, ein Paket in Milliardenhöhe. Allein 250 Millionen Euro gibt es dort für Kitas und Schulen, einen Schutzschirm für Stadtwerke, für tafeln und soziale Einrichtungen. Es gibt Hilfen für existenzbedrohte kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, es gibt Geld, um Krankenhäusern zu helfen, Studierenden, der Wohlfahrtspflege. 100 Millionen Euro gibt es alleine für Sportvereine und für den Kulturbetrieb.

Mitte Oktober haben wir solche Landeshilfen hier in Baden-Württemberg angemahnt, und lange und breit wurde uns erklärt, wie völlig unmöglich das ist. Jetzt reden Sie selbst von einem Hilfsprogramm. Aber wie lange werden sie reden und wann werden Sie helfen? Wir werden Sie weiter mit anderen Landesregierungen vergleichen, die hier deutlich entschlossener agieren.

Bayern hat eigene Härtefallfonds für Wirtschaft und Privatleute beschlossen, in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, und ein Investitionspaket von einer halben Milliarde für die Erreichung ehrgeizigerer Ziele bei der Energiewende.

Da wird es Ihnen vorgemacht. Machen Sie es nach, aber übernehmen Sie nicht nur die Überschriften, übernehmen Sie auch die Inhalte und die Summen. Eine Entlastung wäre also auch in Baden-Württemberg das kostenlose Mensaessen an den Schulen im Land, und eine gewaltige Entlastung für Familien wären auch eine deutliche Senkung der Kita-Gebühren oder auch eine Aussetzung für die Dauer dieser Krise.

Und es bleibt dabei: Was dieses reiche Land an seinen Kindern und Jugendlichen an Bildung anbietet, ist aktuell oft mangelhaft und nicht selten armselig. Das betrifft einen eklatanten Mangel an Kita-Plätzen, das betrifft Mangel an Lehrkräften, das betrifft Unterrichtsausfall und es betrifft die Ausstattung vieler Kitas und Schulen. Die Quittung bekommen wir mit jeder neuen Bildungsstudie, die Prognosen sind schlimm und alle Expertinnen und Experten sind sich einig: In Baden-Württemberg läuft in der Bildung genau das Gegenteil von dem, was dringend laufen sollte: Statt immer besserer Bildung immer mehr Ausfälle, statt mehr Betreuung immer mehr Mangel.

Das ist erschreckend, erschreckend ist aber auch, dass es immer noch Leute in diesem Landtag gibt, die mit diesem so elementar wichtigen Thema strategische Spielchen spielen wollen. Die mir dann erzählen, dass ich selbst einmal Kultusminister war und es damals einen Abbaupfad gab, gegen den ich vorgehen musste. Ja und? Bringt das einen Deut mehr als Applaus aus der CDU-Fraktion? Bringt das eine einzige Lehrkraft mehr an eine Schule, einen einzigen Kita-Platz zusätzlich? Fällt deswegen nur eine Schulstunde weniger aus?

Auch hier hat diese Landesregierung Geld, um zu handeln. Und sie hat allen Grund, zu handeln. Und dass man handeln kann, sehen wir an dem Vorhaben, nach all den Jahren und Jahrzehnten endlich die Sommerentlassungen bei befristeten Lehrkräften zu beenden. Das ist richtig so, das unterstützen wir ausdrücklich. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch hier haben Sie diesen Schritt noch vor Kurzem vehement abgelehnt, und in all den Vorjahren mit satten Überschüssen auch. Obwohl man kommen sah, wie sich der Lehrkräftemangel zuspitzt.

Obwohl man bemerkte, wie immer mehr Absolventinnen und Absolventen dem Schuldienst den Rücken kehren. Warum kommen Sie immer nur durch massivsten Druck der Öffentlichkeit voran und nie aus eigener Einsicht?

Es gibt viele gute Konzepte gegen den Mangel. Multiprofessionelle Teams und pädagogische Assistenzen helfen beim Fachkräftemangel, mehr Kooperationen mit Vereinen helfen auch, ein Fonds für mehr Kitaplätze wäre mit einem Volumen von 100 Millionen Euro nicht überfinanziert und gerade heute so wichtig wie noch nie in unserem Land.

Ein Haushalt in der Krise muss priorisieren, aber er muss doch auch die Zusammenhänge sehen! Was denken Sie sich, wenn Sie ab dem kommenden Januar keinen einzigen Euro mehr für das Integrationsmanagement zur Verfügung stellen wollen? Ist das Ihre Antwort auf den Fachkräftemangel? Auf die Zuwanderung? Auf die Geflüchteten? Wo leben Sie?All das müssen wir in den kommenden Wochen Schritt für Schritt korrigieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Für unsere Wirtschaft ist die aktuelle Krise weit bedrohlicher, als es die Pandemie war. Und über die Sorge um ausreichende Energieversorgung und explodierende Preise hinaus, zusätzlich zu all den dringenden und drängenden Problemen kommt die Angst vor einem gewaltigen konjunkturellen Abschwung. Was man aus dem Bauhauptgewerbe hört, kann einem Angst und Bange machen: Die Auftragsbücher sind jetzt noch gefüllt, aber im kommenden Frühjahr tun sich große Löcher auf.

Das kann man beklagen, bedauern, bemitleiden. Man kann aber auch helfen, und erst Recht kann das der Staat: Er kann und soll antizyklisch investieren, genauso sieht das übrigens auch die Schuldenbremse vor, die mir allzu oft auf ein dümmliches „Mirgäbatnix“ verkürzt wird.

Nein, es wäre genau richtig, wenn das Land Baden-Württemberg in die Bresche springt, die der Markt uns lässt. Wenn Fachleute, auf die man bisher ein Jahr lang warten musste, plötzlich Zeit haben. Und wenn man mit einem angemessenen Investitionsprogramm nicht nur alte Hausaufgaben erledigt, sondern auch für einen dringend nötigen Konjunkturschub sorgt.

Was wäre denn schlimm, wenn Landesgebäude in großem Stil energetisch saniert würden? Wärmepumpen und Solaranlagen erhielten? Wir würden unsere Umwelt schonen und unser Klima, das Land ginge mit gutem Beispiel voran, und all die beteiligten Firmen zahlten weiterhin Steuern und beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ebenfalls weiterhin Steuern zahlten.

Was spräche dagegen, wenn gerade Baden-Württemberg endlich für deutlich mehr Wohnbau sorgen würde? Die Wohnungsnot wird für immer mehr Menschen zu einem immer größeren Problem, und sie schadet auch dem Wirtschaftsstandort. Hier zu viel zu investieren, ist im Südwesten zurzeit kaum möglich.

Auch dieses Geld wäre gut angelegt, und es würde sich gleich in mehrfacher Weise auszahlen. Und ich sage auch das, weil mir in vielen finanzpolitischen Positionen dieser Tage das Verständnis für Volkswirtschaft fehlt, und zwar selbst für die banalsten Grundlagen. Da höre ich, man könne nicht so viel leisten, weil die Löhne und Gehälter steigen. Aber erstens bedeutet das auch wieder Steuern und treibt die Konjunktur an, zweitens bleiben anständige Löhne nunmal die beste Entlastung von allen. Und drittens: In der Krise kann man doch nicht das Handeln einstellen. Eine Krise ist die Notwendigkeit zu handeln, man muss nun erst Recht handeln!

Ich habe ein Problem mit selbsternannten Wirtschaftsparteien, die hier das Sparen predigen, während der BDI da draußen fordert, der Staat solle jetzt massiv investieren. Schauen wir doch mal unsere Klimabilanz an: Wer da eine grüne Null will, der darf ihr nicht eine schwarze Null in den Weg stellen! Investitionen in den Klimaschutz sind Investitionen in unsere Wirtschaft, wer das gegeneinander ausspielt hat nichts verstanden!

Die SPD fordert, kleine und mittlere Unternehmen so schnell wie möglich zu unterstützen und Soforthilfen und Bürgschaften zur Verfügung zu stellen, insbesondere auch zur Absicherung von Energielieferungen. Wir fordern ein Investitionsprogramm für Infrastruktur und den Ausbau der erneuerbaren Energien, das reicht von der Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Fahrzeuge bis zur Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden und mehr Standorten für Windkraft und Solarenergie. Das betrifft auch massiven Anschub bei der Errichtung leistungsfähiger Netze wie Suedlink und einer dezentralen Energieerzeugung vor Ort.

Das bedeutet auch, dass der sogenannte Fuel-Switch bei Unternehmen jetzt nicht an behördlichen Problemen scheitern darf. Hier in den Krisenmodus zu wechseln heißt Tempo, und es heißt, Dinge möglich zu machen und nicht im Weg zu stehen!

Und über den Tag hinaus fordern wir einen Transformationsfonds für Baden-Württemberg, dessen Fördermittel es Unternehmen finanziell ermöglichen, sich unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen, sei es über Maßnahmen der energetischen Sanierung oder gar auf dem Weg in eine industrielle Energieautarkie. Und ich sage Ihnen: Transformation ist ein Megathema, und das bedeutet Dimensionen weit jenseits der Summen, mit denen Sie bisher operieren.

Die Landesregierung erkennt offenbar, dass zur Transformation auch ein ungeheurer Wandel in der beruflichen Weiterbildung gehört. Aber was wollen Sie dafür ausgeben? ZWEI Millionen Euro zusätzlich. Das ist nicht nur in der Dimension völlig daneben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe es vorhin gesagt: Diese Krise, diesen ganzen Berg an Aufgaben und Problemen, man kann ihn nicht wegjammern. Aber wir sind davon überzeugt, dass wir ihn bewältigen können. Dass wir die Probleme lösen und diese Krise überwinden können. Und zwar desto schneller und besser, je schneller und besser wir zusammenarbeiten.

Dazu gehört, dass wir überall für die Politik sorgen, die es jetzt braucht und die die Leute in diesem Land auch erwarten: Eine große, gemeinsame Anstrengung und keine Grabenkämpfe im Kleinklein. Das betrifft das Miteinander der demokratischen Parteien, aber das betrifft auch das Miteinander von Bund, Ländern und Gemeinden.

Wenn es jetzt nötig ist, endlich überall in den Krisenmodus zu schalten, dann heißt das auch, dass bestimmte Gewohnheiten gerade Pause haben. Den alten Schlager vom armen Land und der bösen Bundesregierung könne Sie dann wieder singen, wenn Sie glauben, nichts Besseres zu tun haben.

Wir sind bereit, unseren Teil beizutragen. So wie wir das in Krisen immer waren. Im März 2020 haben wir innerhalb kürzester Zeit wichtige Hilfen in gewaltiger Höhe auf den Weg gebracht. Hilfen, die sich für unser ganzes Land ausgezahlt haben. Hilfen des Landes, die gemeinsam mit Hilfen des Bundes gewirkt haben.

Damals wurden alle demokratischen Fraktionen in diese Schritte eingebunden. Nicht weniger erwarten wir heute. Wir erwarten einen seriösen Kassensturz, bei dem niemand versucht, dieses Land ärmer zu rechnen, als es ist. Wir erwarten eine offene Debatte darüber, welche Hilfen das Land anbieten kann und muss. Eine Debatte, bei der Ideen nicht allein deswegen abgewiesen werden, weil sie von der SPD kommen. Nur um unser Ideen Monate später dann als eigene Ideen vorzustellen Wir haben dafür keine Zeit!

Ich glaube ich hatte an dieser Stelle noch nie Robert Habeck zitiert, heute tue ich es gleich doppelt: „Investieren wir uns aus dieser Krise!“

Ja, das ist richtig, und es ist richtig gut für Baden-Württemberg, denn dieses Land und seine Landesregierung haben genügend Geld, um uns aus dieser Krise zu investieren. Genug Geld, dass wir an manchen Punkten gerade in dieser Krise Aufgaben erledigen, die wir schon lange hätten erledigen sollen. Genug Geld, um an diesen Punkten wirklich stärker aus dieser Krise zu kommen, als wir hineingeraten sind.

Das ist möglich, wenn uns allen klar ist, dass alle Beteiligten in den Krisenmodus schalten müssen. Dass es nicht reicht, dass sich der Bund über das Land beschwert. Dass es aber auch nicht reicht, wenn das Land nur auf den Bund zeigt. Dass es nicht reicht, die üblichen Befindlichkeiten zu inszenieren.

Herr Minister Bayaz, Ihr voriger Haushalt sollt ein „Haushalt des Übergangs“ sein, aber in was wir jetzt übergehen sollen, weiß ich nicht. Wir brauchen eine Klima- und Verkehrswende, wir müssen eine Krise überwinden und wir müssen die Transformation meistern. Nein, das zahlt man nicht aus der Portokasse! Was haben Sie denn geglaubt?

Wir können in dieser Krise keinen Sparhaushalt brauchen und keinen Haushalt des Zögerns und Zauderns. Das ist der wichtigste Haushalt dieser Legislatur, wahrscheinlich der wichtigste Haushalt in vielen Jahren. Wir haben jetzt die Chancen, wichtige und allerwichtigste Weichen zu stellen für unser Land, und einige dieser Chancen haben wir wohl zum letzten Mal.

Die Bundesregierung hat das begriffen und agiert mit aller Macht, die Kommunen tun alles, was sie können, die Wirtschaft und alle Expertinnen und Experten sind sich einig. Jeder weiß, was jetzt nötig ist. Nur die Landesregierung von Baden-Württemberg tut sich schwer. Und das ist jetzt zu wenig!

Wir erwarten von dieser Landesregierung Handlungsfähigkeit und Handlungswillen. Wir erwarten, dass sie handelt! Und wir erwarten eine Finanzpolitik, die in einer der größten Krisen dieses Landes nicht in Schockstarre verfällt und aus Angst Rücklagen über Rücklagen anhäuft, sondern handelt.

Sie haben gewaltige Möglichkeiten, um Nothilfe zu leisten. Und wieviel Not soll es noch sein, damit Sie helfen? Wir brauchen jetzt Hilfen und Unterstützung, wir brauchen Investitionen und wir brauchen Geld, um aus der Krise, aus dem Konjunkturtief, durch die Transformation zu kommen. Um gut durchzukommen für eine gute Zukunft dieses Landes.

Dafür treten wir ein. Und bei allem, was in dieser Krise richtig und notwendig ist, dürfen Sie unsere Zusammenarbeit erwarten.

Es gilt das gesprochene Wort.