Claus Schmiedel: „Der Ausbau der Kinderbetreuung und Verbesserungen an den Schulen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Wir wollen 2009 für die Bildung klotzen statt kleckern“

Nils Schmid: „Investitionen in die Köpfe unserer Kinder, die Beseitigung finanzieller Sonderlasten der Familien und das Wohnbauprogramm sind über Rücklagen und nicht auf Pump finanziert“


Die SPD-Landtagsfraktion will im Haushalt 2009 für den Bildungsaufbruch in Baden-Württemberg richtig Geld in die Hand nehmen. Das auf ihrer Klausurtagung in Reutlingen beschlossene Konzept zum Landesetat 2009 sieht dafür einen Schwerpunkt in Höhe von 216 Mio. Euro vor. Das ist mehr als das Vierfache der Summe, welche die Landesregierung flüssig machen will, nämlich lediglich knapp 50 Mio. Euro. Angesichts der aus dem Konjunkturpaket II nach Baden-Württemberg fließenden Bundesmittel in Höhe von 1,25 Mrd. Euro verlangte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel von der Landesregierung, bereits im Jahr 2009 beim Ausbau des Bildungswesens eine kräftige Schippe draufzulegen.

„Der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote und Verbesserungen an den Schulen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Wir wollen 2009 klotzen statt kleckern“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel bei der Vorstellung des Haushaltskonzepts am Freitag in Stuttgart vor der Landespresse.

Ergänzt wird das Konzept von Maßnahmen zur Entlastung der Familien von Sonderlasten wie Studiengebühren und Kindergartenbeiträgen und von einem Wohnbauförderprogramm zur Stabilisierung der Konjunktur. Fraktionsvize Nils Schmid, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, machte deutlich, dass das SPD-Haushaltskonzept für 2009 keine neuen Schulden vorsehe. „Die Investitionen in die Köpfe unserer Kinder, die Beseitigung finanzieller Sonderlasten der Familien in Baden-Württemberg und das Wohnbauprogramm zur Stützung der Konjunktur sind über Rücklagen und nicht auf Pump finanziert“, betonte Schmid.

Schmiedel forderte die Landesregierung auf, das vom Bund beschlossene Konjunkturpaket II nicht für einen Rückzieher beim eigenen Infrastruktur- und Investitionspaket zu missbrauchen. Die Mittel für landeseigene Investitionen müssten wie vorgesehen in den Etat eingestellt werden. „Es kann nicht angehen, dass der Bund sich für einen historisch einzigartigen finanziellen Kraftakt zur Stabilisierung von Beschäftigung und Konjunktur eine satte Neuverschuldung aufbürdet und die baden-württembergische Landesregierung im Lichte des warmen Geldregens aus Berlin bei den eigenen Anstrengungen den Fuß vom Gas nimmt und sich auf dicken Rücklagen ausruht“, warnte Schmiedel.

Beim Vorziehen von Investitionen im Hoch- und Tiefbau ziehe man mit der Landesregierung weithin an einem Strang. Schmiedel warnte die Landesregierung indessen davor, bei der erforderlichen Kofinanzierung der dem Land bereitgestellten Bundesmittel vor allem die Kommunen zur Kasse zu bitten. „Das Geld in dringend nötige Sanierungen von kommunalen Gebäuden muss direkt und komplett dorthin fließen, wo die Missstände am größten und die Stadtsäckel leer sind“, verlangte Schmiedel.

Schwerpunkt Bildung: Qualitätsoffensive für die Kindergärten, Unterrichtsgarantie und mehr Tempo beim Ausbau der Ganztagsschulen
Mit zusätzlichen kräftigen Investitionen in die Bildung will die SPD vor allem eine Qualitätsoffensive in den Kindergärten starten, für eine Unterrichtsgarantie an den Schulen sorgen und mehr Tempo beim Ausbau der Ganztagsschulen machen.

Der Grundstein für den späteren beruflichen Erfolg der Kinder wird nach den Worten Schmiedels in den ersten Jahren gelegt. Deshalb müsse insbesondere im Bereich der Kindergärten und der Krippen investiert werden. Für die Kindertageseinrichtungen habe die Landesregierung mit den Kommunen einen Orientierungsplan Bildung und Erziehung zur Qualitätsverbesserung vereinbart, ohne dass das Land aber bislang einen Finanzierungsbeitrag hierfür erbringe. Nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände im Land koste die volle Umsetzung des Orientierungsplans einschließlich der notwendigen Qualitätsverbesserungen jährlich rund 600 Mio. Euro. Die Kommunen seien bereit, die Hälfte dieser zusätzlichen Kosten selber zu tragen. Die andere Hälfte müsste aber schrittweise vom Land finanziert werden.

Deshalb schlägt die SPD-Fraktion vor, als ersten Schritt im Landesetat 100 Mio. Euro zusätzlich für den Ausbau der Krippen und für die Qualitätsverbesserung in Kindertageseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Bei der Qualitätssteigerung an Kindertagesstätten gehe es um die Verbesserung des Gruppenpersonalschlüssels und um Maßnahmen zur Weiterqualifikation des Personals. Mit dem schnelleren Ausbau der Krippen könne das Land die vom Städtetag vorgeschlagene schnellere Umsetzung des Krippenkonzeptes entsprechend mitfinanzieren.

Im Bereich der Schulen fordert die SPD eine Verstärkung des pädagogischen Personals an Ganztagesschulen um 25 Mio. Euro, um nach dem Bauprogramm für Ganztagesschulen auch das für den Betrieb notwendige Personal bereit zu stellen. Mit diesem Geld können die Schulen und Schulträger je nach Bedarf vor Ort eigenverantwortlich zusätzliches pädagogisches Personal einstellen. Mit 1 Euro soll das Land außerdem das Mittagessen für Kinder an Ganztageseinrichtungen im Verbund mit Zuschüssen der Träger subventionieren, sodass die Eltern für eine warme Mahlzeit am Ende nicht mehr als 1 Euro bezahlen müssen. Die Kosten für diese Maßnahme belaufen sich auf 32 Mio. Euro.

Darüber hinaus müsse der nach wie vor grassierende Unterrichtsausfall durch zusätzliche Krankheitsstellvertreter minimiert werden. Laut der letzten Stichprobenerhebung des Kultusministeriums fallen derzeit pro Schuljahr durchschnittlich 3,1 Prozent bzw. rund 2,3 Mio. Unterrichtsstunden aus. Mit 400 zusätzlichen Stellen für Krankheitsstellvertreter an allgemeinbildenden Schulen – das entspricht einem Plus von 33 Prozent – will die SPD die Unterrichtsversorgung garantieren.

Schmiedel machte darauf aufmerksam, dass an den beruflichen Schulen in erheblichem Umfang Lehrkräfte fehlen. Noch nicht einmal die vorgegebene Pflicht-Stundentafel könne unterrichtet werden. Hinzu komme, dass die beruflichen Gymnasien im kommenden Schuljahr wegen des doppelten Mittlere Reife-Jahrgangs an den allgemeinbildenden Gymnasien mit der etwa doppelten Anzahl an Bewerbungen zu rechnen hätten. Für den Bereich der beruflichen Schulen will die SPD daher 600 zusätzliche Stellen schaffen. Deshalb seien für 2009 insgesamt 1 000 weitere Lehrerstellen notwendig.

Weiteres Geld will die SPD dafür verwenden, Lehrkräfte mit befristeten Verträgen, die zum neuen Schuljahr erneut eingestellt werden, sowie Lehramtsanwärter mit einer Einstellungszusage für das neue Schuljahr auch über die Zeit der Sommerferien weiter zu beschäftigen. „Wir wollen verhindern, dass Lehrkräfte in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit rutschen und möglicherweise Hartz IV beantragen müssen oder unter Abwerbedruck benachbarter Bundesländer geraten“, unterstrich Schmiedel.

Insgesamt wolle die SPD-Fraktion im Bereich der Schulen und der Kindertagesstätten 207 Mio. Euro zusätzlich investieren. Rechnet man kleinere, aber bildungspolitisch nicht minder wirksame Maßnahmen wie beispielsweise die Aufstockung von Mitteln für die Musikschulen und die Volkshochschulen hinzu, beziffern sich die Gelder für den von der SPD angestrebten Bildungsaufbruch in Baden-Württemberg auf rund 216 Mio. Euro.

Ergänzung zum landespolitischen Konjunkturpaket: Personalabbau im Straßen- und Hochbau stoppen, Fahrzeuge für ÖPNV und Feuerwehren beschaffen
Auch bei der Umsetzung des Infrastruktur- und Konjunkturprogramms der Landesregierung drückt die SPD aufs Tempo. Damit vorgesehene Investitionen auch schnell umgesetzt und konjunkturelle Wirkung zeigen können, fordert die SPD eine sofortige Aussetzung des Personalabbaus in der Straßen- und Hochbauverwaltung des Landes.

Claus Schmiedel: „All die unzähligen Projekte im Baubereich, die im Zuge der Konjunkturpakte nun angegangen oder vorgezogen werden, können nur zeitnah gestemmt werden, wenn sich qualifiziertes Verwaltungspersonal mit ausreichend Luft für diesen Job auch darum kümmern kann.“

Außerdem schlägt die SPD-Fraktion für das Konjunkturpaket des Landes ergänzend vor, die Beschaffung von Fahrzeugen für den ÖPNV und für die Feuerwehren in Höhe von insgesamt 31 Mio. Euro zusätzlich zu fördern, um in diesen Bereichen zumindest das frühere Investitionsniveau halten zu können.

Stärkung der Kaufkraft von Familien um rund 290 Mio. Euro durch Abschaffung von Studiengebühren und Einstieg in den beitragsfreien Kindergarten
Familien mit Kindern haben nach den Worten Schmiedels in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern beträchtliche Standortnachteile zu verkraften, die sich direkt im Geldbeutel bemerkbar machen. Als hervorstechende Beispiele nannte der SPD-Politiker Studiengebühren und Kindergartenbeiträge.

So bezahlten Familien für jedes studierende Kind in Baden-Württemberg pro Jahr 1.000 Euro zusätzlich im Vergleich beispielsweise zu Studierenden in Rheinland-Pfalz und in Hessen, wo es keine Uni-Maut gibt. Auch die Kindergartenbeiträge – im Durchschnitt pro Jahr ebenfalls rund 1.000 Euro – stellen in Baden-Württemberg für Eltern eine Sonderbelastung dar gegenüber Familien wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz, wo der Besuch des Kindergartens ab dem Alter von zwei Jahren komplett beitragsfrei ist.

Mit der Abschaffung der Studiengebühren und der Einführung des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres als Einstieg in die völlige Beitragsfreiheit will die SPD zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Beseitigung dieser Sonderbelastung von Familien in Baden-Württemberg werde zum einen die Gleichheit der Bildungschancen stärken und insbesondere die Teilhabe von sozial benachteiligten Schichten an Bildung verbessern und zum anderen bares Geld in die Portemonnaies der Familien spülen und auf diese Weise der Binnennachfrage im Land einen Schub verleihen.

Schmiedel legte dar, dass die Abschaffung der Studiengebühren und deren Ersatz durch Landesmittel rund 180 Mio. Euro jährlich kosten werden. Die Übernahme der Elternbeiträge für das letzte Kindergartenjahr führe im Haushaltsjahr 2009 zu Mehrkosten für das Land von rund 107 Mio. Euro.

Verdoppelung des Wohnungsbauprogramms von 100 Mio. auf 200 Mio. Euro
Das Wohnungsbauprogramm des Landes ist nach Ansicht der SPD auch im Vergleich mit anderen Bundesländern viel zu gering dimensioniert. Fraktionschef Schmiedel verwies außerdem auf den unbestrittenen, auch vom Wirtschaftsministerium selbst anerkannten Hebelfaktor der Wohnbauförderung, der das Achtfache an Investitionen auslöst.

Baden-Württemberg habe als wirtschaftlich dynamisches Bundesland weiterhin jedes Jahr Zuwanderungsgewinne. Insbesondere in den städtischen Ballungsräumen seien Wohnungen nach wie vor knapp. Die Wohnbedarfsprognose des Statistischen Landesamts geht davon aus, dass in Baden-Württemberg bis 2025 landesweit insgesamt etwa 454 000 Wohnungen benötigt werden. Dies entspricht einer Zunahme des Bedarfs von 2006 bis 2025 um 9,3 Prozent.

Vor diesem Hintergrund schlägt die SPD-Fraktion für das Jahr 2009 eine Verdoppelung der Wohnbauförderung des Landes auf 200 Mio. Euro vor. Mit dieser Maßnahme könnten in Baden-Württemberg zusätzliche Bauinvestitionen in Höhe von 800 Mio. Euro ausgelöst werden. Das bisherige Förderprogramm der Landesregierung weist nach den Worten Schmiedels eine wohnungspolitisch fragwürdige Schlagseite zugunsten der Eigentumswohnungen auf. Die von der SPD angeregte Aufstockung der Gelder soll deshalb auch dazu genutzt werden, den sträflich vernachlässigten Mietwohnungsbau zu verstärken. Insbesondere in den größeren Städten sowie in den Universitätsstädten bestehe ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen Mietwohnungen. Finanzieren will Schmiedel das Sonderprogramm über den Verkauf von Forderungen aus früheren Wohnbaudarlehen.

Finanzierung des SPD-Konzepts: Rücklage anpacken – Keine neuen Schulden
Fraktionsvize und Finanzexperte Nils Schmid verwies darauf, dass das Land derzeit über zwei allgemeine Rücklagen von jeweils rd. 750 Mio. Euro verfüge, insgesamt also von rund 1,5 Mrd. Euro. Eine der beiden Rücklagen solle die voraussichtlichen Steuermindereinnahmen im Jahr 2009 ausgleichen. Diese Rücklage wolle auch die SPD-Fraktion nicht angreifen, so Schmid.

Die zweite allgemeine Rücklage werde aber nach den Planungen der Landesregierung für 2009 gar nicht benötigt. Sie solle deshalb zur Mitfinanzierung des Konjunkturprogramms mit einem Betrag von 318 Mio. Euro für 2009 mit herangezogen werden. Damit sollen Familien von Sonderlasten bei Studien- und Kindergartengebühren entlastet und Fahrzeuge für ÖPNV, Feuerwehr und Katastrophenschutz beschafft werden.

Der SPD-Bildungsaufbruch für Baden-Württemberg mit Schwerpunkten für eine Qualitätsoffensive in den Kindertagesstätten, für eine Unterrichtsgarantie an den Schulen und für den rascheren Ausbau der Ganztagesschulen mit Gesamtkosten von 175 Mio. Euro soll aus Mitteln der Bildungsrücklage des Landes finanziert werden, die für den Zeitraum 2009-2012 einen Gesamtumfang von 528 Mio. Euro habe.

Das zusätzliche Wohnungsbauprogramm in Höhe von 100 Mio. Euro werde aus dem Verkauf von Forderungen aus früheren Wohnbaudarlehen des Landes an die L-Bank finanziert. Es seien noch insgesamt über 1,5 Mrd. Euro an Darlehensforderungen aus der Wohnraumförderung vorhanden und ein entsprechender Forderungsverkauf sei auch in früheren Jahren schon getätigt worden. Schmid hält diese Finanzierungsart für rechtlich unbedenklich, weil die Erlöse aus dem Forderungsverkauf wieder in den Wohnungsbau investiert werden.

Nils Schmid: „Die SPD will mit einem solide finanzierten Haushaltskonzept dem Bildungsaufbruch Schwung geben, Konjunktur und Beschäftigung stützen und die Familien spürbar entlasten. Die Maßnahmen sind so gestrickt, dass sie zielgerichtet und rasch wirken. Das Gesamtvolumen von 653 Mio. Euro zeigt auch in der Krise Mut und Entschlossenheit zur Gestaltung, ohne den Haushalt erneut in die Schuldenfalle zu steuern.“

Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher