Übereinstimmung auch bei Energiewende und Straßenbau

Bei der Einführung der neuen Gemeinschaftsschule ziehen der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) und die SPD-Landtagsfraktion an einem Strang. Bei einem Meinungsaustausch in Stuttgart machte BWHT-Präsident Joachim Möhrle deutlich, dass das Handwerk mit dem Konzept der Gemeinschaftsschule grundsätzlich einverstanden sei. „Die Gemeinschaftsschule muss sich von unten entwickeln, benötigt dafür aber auch richtig ausgebildete Lehrer und ausreichende Ressourcen“, sagte Möhrle. Die Ausbildungsreife der Jugendlichen werde durch längeres gemeinsames Lernen gestärkt. Der Handwerkspräsident zeigte sich davon überzeugt, „dass die bestehenden Werkrealschulen in dieser Form nicht mehr interessant sind und letztlich den Weg zur Gemeinschaftsschule beschreiten werden“.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel erläuterte, dass den Starterschulen vom Kultusministerium bescheinigt wurde, bereits erfolgreich neue Unterrichtsformen anzuwenden und notwendige Kriterien für die Genehmigung eines Antrags zu erfüllen. Die gesetzlichen Grundlagen müssten im Landtag allerdings erst noch beschlossen werden. „Schulentwicklung ist ein laufender Prozess, nicht das einmalige Umlegen eines Schalters“, unterstrich Schmiedel. Auch bei der Gemeinschaftsschule könne man auf der Strecke noch nachjustieren.

Handwerk und SPD wollen die berufliche Orientierung an den Schulen und die duale Ausbildung gestärkt sehen. Angesichts des härter werdenden Wettbewerbs um gut qualifizierte junge Leute warb Schmiedel für eine „Imagekampagne zugunsten der dualen Ausbildung“. Man müsse den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass die duale Ausbildung nach einem mittleren Abschluss gleich gute Berufsperspektiven eröffnen könne wie die gymnasiale Oberstufe und die Aufnahme eines Studiums. Angesichts zurückgehender Schülerzahlen und eines steigenden Fachkräftebedarfs prophezeite BWHT-Präsident Möhrle für das Handwerk eine „dramatische Herausforderung“. Er appellierte an die Politik, die berufliche Orientierung in den Bildungsgängen zu stärken und mit der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung ernst zu machen.

Handwerk profitiert vom Ausbau der erneuerbaren Energien
SPD und Handwerk sehen die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz als Schub gerade für die kleinen Betriebe. „Das Handwerk ist Nutznießer der ausgelösten Wertschöpfung und zieht Vorteile aus einer dezentralen Versorgungsstruktur“, erklärte Möhrle. Großen Wert legte er außerdem auf bezahlbare Energiepreise und eine sichere Energieversorgung.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel stellte sich hinter die langfristigen energie- und klimaschutzpolitischen Ziele der grün-roten Landesregierung. „Baden-Württemberg hat das Potenzial, die Atomkraft durch regenerative Energien zu ersetzen und den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2050 um 90 Prozent zu senken“, bekräftigte Schmiedel. Sorge bereitet dem Handwerk das Vordringen der Energiekonzerns EnBW in traditionelle handwerkliche Märkte. Schmiedel griff diese Kritik auf und plädierte für eine faire Partnerschaft von EnBW, Stadtwerken und Handwerk.

Großer Nachholbedarf im Straßenbau – Mehr Mittel aus Berlin gefordert
Im Straßenbau sahen BWHT und SPD-Fraktion völlig übereinstimmend einen großen Nachholbedarf. Mit einer Aufstockung der Gelder für die Sanierung von Landesstraßen allein könnten die Schwachstellen in der Verkehrsinfrastruktur des Landes nicht beseitigt werden. BWHT-Präsident Möhrle begrüßte die überfraktionelle Initiative des Landtags, in Berlin für eine bedarfsgerechtere Mittelzuweisung für Bundesfernstraßen zu werben.

Schmiedel zeigte sich optimistisch, dass vom Bund tatsächlich mehr Gelder in den Südwesten fließen werden. Obschon an der Festlegung einer Prioritätenliste für den Neubau von Straßen kein Weg vorbei führe, wolle sich die SPD in der grün-roten Landesregierung dafür stark machen, dass bei den kommenden Etatberatungen Spielräume für zusätzliche Straßenbaumittel ausgelotet werden. Außerdem wolle man die Qualität im Schienennahverkehr sichern und Zugabbestellungen verhindern.

Differenzen bei Tariftreuegesetz und gesetzlichem Mindestlohn
Bei der Einführung eines Tariftreuegesetzes und eines gesetzlichen Mindestlohns konnten Handwerk und SPD-Fraktion ihre Differenzen nicht vollständig ausräumen. BWHT-Präsident Möhrle sprach sich zwar grundsätzlich für ein Tariftreuegesetz aus, befürchtete jedoch zugleich ein massives Unterlaufen eines solchen Regelwerks durch fehlende Kontrollen und in deren Folge erhebliche Verwerfungen auf den Märkten zu Lasten der Handwerksbetriebe. „Verpflichtende Mindestlöhne in allen Branchen können letztlich den Wegfall von Arbeitsplätzen bedeuten und so Menschen treffen, die man eigentlich schützen will“, so Möhrle.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel wertete das Tariftreuegesetz wie den gesetzlichen Mindestlohn hingegen als „notwendige, passgenaue Instrumente, um gerade dem ehrlichen Handwerksbetrieb im Wettbewerb zu helfen“. Es sei außerdem ein sozialdemokratischer Anspruch, dass ein Arbeitnehmer von seinem Lohn auch leben können muss. „Unter 8,50 Euro Minimum ist das beim besten Willen nicht hinzukriegen und deshalb ist es politisch gerechtfertigt, dass auch vorhandene tarifliche Vereinbarungen an diese Lohnuntergrenze angepasst werden“, sagte Schmiedel.

Stuttgart, 29. März 2012

Martin Mendler
Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion

Eva Hauser
Pressesprecherin des BWHT