Hier geht es zur PDF-Version: Gute Arbeitsbedingungen für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte

1. Ausgangssituation

Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte leisten wichtige Beiträge in Wissenschaft, Lehre und Verwaltung an den Hochschulen in Deutschland und Baden-Württemberg. Der wissenschaftliche Betrieb ist auf ihre Arbeit angewiesen, sei es als Tutor*innen, beim Durchführen von Experimenten und Lehrveranstaltungen, der Pflege von Datenbanken oder der Recherche von Literatur, in den Bibliotheken. Studentische Beschäftigte sind eine tragende Säule des Hochschulwesens.
Für viele Studierende stellt der sogenannte Hiwi-Job zugleich die erste Erfahrung in der Arbeitswelt dar. Deswegen ist es wichtig genau hier auch mit den ersten Erfahrungen für Arbeitnehmer*innenrechte an-zusetzen. Doch daran fehlt es aktuell an vielen Stellen. Die tarifvertragliche Unreguliertheit dieser Tätigkeiten führen oft zu ungenauen Jobbeschreibungen, Abhängigkeit von Arbeitgeber*innen, die oft auch Prüfer*innen sind und fehlender Rücksicht auf das parallel laufende Studium. Zudem kommt es immer wieder zu eklatanten Verstößen gegen das Arbeitsrecht: Der gesetzliche Urlaubsanspruch sowie Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden nicht eingehalten, Stunden müssen nachgearbeitet wer-den. Zudem übernehmen studentische Hilfskräfte auch Aufgaben aus Technik und Verwaltung, die eigentlich nicht zu deren Tätigkeitsprofil gehören, wodurch Tarifverträge unterlaufen werden. Studentische Hilfskräfte werden oft nicht über ihre Rechte aufgeklärt und haben nur eingeschränkte Beteiligungsrechte durch das Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG). In Baden-Württemberg bekommen studentische Hilfskräfte ohne Bachelorabschluss nur den Mindestlohn, wissenschaftliche Hilfskräfte – also solche mit einem Bachelor- oder Fachabschluss – nur unwesentlich mehr. Und das obwohl in Deutschland 30 % der Studierenden1 in Armut leben. Und studentische Hilfskräfte hangeln sich durch Kettenbefristungen: Die durchschnittliche Vertragsdauer in Baden-Württemberg beträgt gerade einmal 5,4 Monate2
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die ca. 7.000 bis 8.000 studentischen Hilfskräfte in Baden-Württemberg sind nicht tariflich abgesichert. Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der die Arbeitsverhältnisse für die übrigen Mitarbeiter*innen der Hochschulen regelt, sind sie explizit ausgenommen.
Seit 2021 haben studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte begonnen sich deutschlandweit zu organisieren und für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter und deren tarifliche Absicherung zu kämpfen. Aufgrund der Bedeutung von Hilfskräften für den Wissenschaftsbetrieb und den zunehmend prekären Zuständen für diese Beschäftigtengruppen, zeigen wir uns mit dieser Bewegung und ihren Zielen solidarisch.

2. Unsere Forderungen

2.1. Ein Tarifvertrag für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte
Wir fordern, dass die Arbeit von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften in das tarifpolitische Regelwerk des öffentlichen Dienstes eingebunden wird. Baden-Württemberg muss sich in der Tarifge-meinschaft deutscher Länder (TdL) für einen bundesweiten Tarifvertrag einsetzen, der alle studentischen Beschäftigten tariflich absichert. Sollte dies aufgrund des Widerstands anderer Länder nicht realisierbar sein, wollen wir dem Beispiel von Niedersachsen, Berlin, Hamburg und Bremen folgen und einen Landestarifvertrag für Baden-Württemberg anstreben.
Dieser Tarifvertrag soll eine angemessene Entlohnung über dem gesetzlichen Mindestlohn und eine den tariflichen Standards entsprechende Ausgestaltung der übrigen arbeitsvertraglichen Rahmenbedinguggen, wie Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Zeitzuschläge sicherstellen. Zudem wollen wir Mindestvertragslaufzeiten von mindestens zwölf Monaten für studentische Hilfskräfte einführen. Aufgrund der Vielfalt der unterschiedlichen Tätigkeiten studentischer Hilfskräfte, bspw. bei Tutor*innen, sollte die Möglichkeit abweichender Mindestvertragslaufzeiten geprüft werden. Bei Drittmittelprojekten kann es hingegen sinnvoll sein, dass sich die Vertragslaufzeit an der Dauer des Projektes orientiert.

2.2. Eine systematische Erfassung von studentischen Hilfskräften
Das statistische Bundesamt geht für Baden-Württemberg im Jahr 2020 von 7.915 Hilfskräften aus,3 das Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) von 7.756.4 Die amtli-che Hochschulpersonalstatistik des Landes umfasst jedoch nur Hochschulen und keine außeruniversitä-ren Forschungseinrichtungen und weist zudem lediglich die Anzahl der Arbeitsverträge mit mindestens einem Semester Dauer aus. Das Land hat also nur rudimentäre Informationen darüber, wie viele studen-tische Hilfskräfte es in den Hochschulen gibt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Be-schäftigtenzahl von den Hochschulen und den Ländern unterschätzt wird.5 Wir wollen künftig eine stan-dardisierte, zentrale Erhebung zu studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften an den Hochschulen des Landes, um eine verlässliche Datengrundlage zu besitzen

2.3. Eine auskömmliche Finanzierung studentischer und wissenschaftlicher Hilfskrafttätigkeiten
Eine Ursache für kurze Vertragslaufzeiten und Kettenverträge für Tätigkeiten, die an den Hochschulen dauerhaft von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften erledigt werden, resultiert aus einer de-zentralen und kurzfristigen Finanzierung dieser Stellen. Deswegen fordern wir parallel zu einem Tarifver-trag, aber spätestens mit der nächsten Hochschulfinanzierungsvereinbarung einen eigenen Haushalts-posten für Mittel für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte aufzulegen. Dieser Position muss eine umfassende Bedarfserhebung für die Laufzeit des Tarifvertrages und die Dauer der Hochschulfinanzie-rungsvereinbarung vorausgehen.

2.4. Mitbestimmungsrechte von Studentischen Hilfskräften stärken
Obwohl studentische Hilfskräfte nach § 4 LPVG in den Geltungsbereich der Personalvertretungen an Hoch-schulen fallen und sogar aktives und passives Wahlrecht bei Personalratswahlen genießen, tritt bei wis-senschaftlichen, künstlerischen wie studentischen Hilfskräften an die Stelle der Mitbestimmung bislang die Mitwirkung, die bei einigen Fällen sogar nur auf Antrag der Betroffenen greift. Wir wollen die im LPVG vorgesehenen Einschränkungen für Hilfskräfte aufheben und die Zweiklassengesellschaft in der Personal-vertretung an den Hochschulen abschaffen. Eine eigene Personalvertretung für studentische Hilfskräfte lehnen wir ab und wollen stattdessen, die vollständige Integration von Hilfskräften in die bestehenden Personalvertretungen erreichen. Dabei ist darauf zu achten, dass Regeln beim aktiven und passiven Wahl-recht nicht zu einer strukturellen Benachteiligung für studentische Hilfskräfte führen.

2.5. Aufklärung über gesetzliche Rechte
Studentische Hilfskräfte haben als Arbeitnehmer*innen bereits jetzt schon gesetzlichen Schutz bspw. den gesetzlichen Urlaubsanspruch sowie Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. So arbeiten in Ba-den-Württemberg 23,7 Prozent der studentischen Hilfskräfte Krankheitstage immer nach, weitere 30,4 Prozent tun dies häufig oder manchmal.6 Gerade einmal 31,2 Prozent der Hilfskräfte nehmen ihren ge-setzlichen Urlaubsanspruch wahr.7 Wir wollen verpflichtende Aufklärungsgespräche für Arbeitnehmer*in-nen und Arbeitgeber*innen zu Tätigkeitsbeginn einführen, damit jede Hilfskraft über ihre gesetzlichen An-sprüche informiert ist. Das Ministerium soll den Hochschulen hierfür Handreichungen zur Verfügung stel-len.

Ansprechpartner

markus
Markus Sommer
Berater für Wissenschaft, Forschung und Kunst