Redemanuskript Andreas Stoch

Aktuelle Debatte SPD „8 Jahre grünes Umweltministerium – wenn das Volk aufbegehren muss“

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

was im vergangenen Frühjahr in Bayern vor sich ging, hat uns als Nachbarn staunen lassen. Wir haben gestaunt über die unglaubliche Dynamik des Volksbegehrens zur Rettung der Bienen, über die Schlangen vor den Rathäusern. Und wir haben darüber gestaunt, wie die bayerische Staatsregierung dieses Begehren angenommen hat und es umsetzen will.

Und wir kommen aus dem Staunen nicht heraus, denn nun läuft ein ähnliches Volksbegehren auch in Baden-Württemberg an, wieder mit großer Dynamik. Am erstaunlichsten ist aber, wem dieses Volksbegehren ins Stammbuch schreiben will, mehr für den Artenschutz zu unternehmen. Der einzigen grün geführten Landesregierung in Deutschland.

Seit acht Jahren führen die Grünen die Regierung dieses Landes an, seit acht Jahren haben sie das Umweltministerium inne, seit acht Jahren hat dieses Land einen grünen Ministerpräsidenten. Und trotzdem müssen die Menschen ein Volksbegehren für mehr Artenschutz starten. Nach acht Jahren mit grüner Regierungsspitze ist Baden-Württemberg nicht entscheidend weiter als Bayern, wo eine Partei regiert, die viele grüne Anliegen noch vor wenigen Jahren als Spinnerei abgetan hat. Sie merken, ich staune weiter.

Und ich staune noch mehr, wenn ich mir die Haltung zu ProBiene ansehe. Grüne Kreisverbände in Karlsruhe oder Stuttgart unterstützen das Volksbegehren, wir als SPD auch und selbst die CDU-Landtagsfraktion kann sich ja jüngsten Meldungen zufolge vorstellen, das Begehren zu unterstützen. Bleibt also nur noch die Landesregierung, die sich damit schwertut.

Warum er das Begehren nicht unterschreiben will, hat der Ministerpräsident ja kürzlich schön erklärt. Ich zitiere: „Es wäre komisch, wenn ich mich durch meine Unterschrift selbst zum Handeln antreiben würde“. Da hat Herr Kretschmann übrigens nicht unrecht, denn die Grünen führen ein Volksbegehren gegen sich selbst, die Basis gegen die eigene Landesregierung. Das kann man komisch finden. Ich finde es zum Staunen.

Dass der Ministerpräsident mit Volksbegehren inzwischen gar nichts mehr am Hut hat, ist uns von anderen Anlässen her wohlbekannt, und laut der jüngst per Gutachten bemühten These der Regierung fehlt dem Volk ja angeblich die langfristige Professionalität für die direkte Demokratie. Das kommt mir bekannt vor, den Klimaschutz soll man ja angeblich auch den Profis überlassen, weil das all die Jahrzehnte so gut geklappt hat. Sie ahnen es: Ich staune.

Nun schauen wir uns aber doch mal an, was die langfristig professionelle Landesregierung in Sachen Artenschutz auf den Weg gebracht hat. Zu Beginn der Grünen Regierung gab es da ein Wassergesetz mit Gewässerrandstreifen, mehr Mittel für die Landschaftspflege, ein Grünlandumbruchverbot, sowie die Einrichtung des Nationalparks Schwarzwald, alles noch aus Grün-roten Tagen.

Dann aber wurde es schwarz im Landwirtschaftsministerium, und seither ist eben selbst bei einem Grünen Kernanliegen jener Zustand eingetreten, den wir auch sonst wieder und wieder erleben: Da wird viel gewollt und wenig umgesetzt. Die CDU steckt in der Agrarpolitik aus den 90ern fest, die Grünen verhalten sich wie eine Bürgerinitiative, aber nicht wie ein Gesetzgeber.

30 Millionen Euro hat man für das Programm Artenvielfalt beschlossen, aber außer Hochglanzbroschüren ist bisher wenig herausgekommen. Und dann ist man stolz drauf, dass man um landeseigene Schlösser mehr Blühwiesen anlegt. Das ist nicht falsch, aber das ist doch aus der Liga Schrebergarten und nicht aus der Liga Landesregierung!

Nach acht Jahren grün geführter Regierungen, nach acht Jahren grünem Umweltminister Untersteller ist Baden-Württemberg bei weitem nicht das grünste Land in der Republik. Der Biolandbau kommt nicht schneller voran als anderswo, bei der Photovoltaik liegen wir nicht mal im Mittelfeld, bei der Windkraft wird gebremst, bei der Wasserkraft verhindert. Der Pestizideinsatz hält an, und der Agrarminister will ihn im Land auch nicht erfassen. Weil das den Bürger nichts angeht.

Die Aussage hat er zurückgenommen. Aber ich fürchte, bei seiner Haltung bleibt er, auch wenn er halbherzig Veränderungen ankündigt.

Immer noch dürfen Kunstdünger und Pestizide auch auf landwirtschaftlichen Flächen mitten in Naturschutzgebieten eingesetzt werden. Und die Düngeverordnungen klingen zwar strenger, werden aber praktisch nicht kontrolliert. Die Europäische Union schlägt uns unsere eigene Düngeverordnung um die Ohren, und wir unternehmen nichts. Auch nicht hier, in einem grün geführten Land. Nein, die Europäische Union ist nur dann Recht, wenn es darum geht, etwas nicht zu tun. Pro Biene will, dass bis in sechs Jahren jeder vierte Hof im Land ökologisch betrieben wird und bis in sechzehn Jahren jeder zweite. Ministerpräsident Kretschmann kontert das mit dem Verweis auf die europäische Ebene.

Was die Initiatoren des Begehrens davon halten, konnten wir nachlesen: „Es ist schade, wenn gerade ein grüner Ministerpräsident die Verantwortung nach oben schiebt“.

Der Ministerpräsident hat gesagt, er sehe keine Grundlage für das Volksbegehren, weil in Baden-Württemberg andere Verhältnisse herrschten als in Bayern. Leider ist das falsch, denn hier herrschen andere Parteien, aber an den Verhältnissen ändert das nichts. Was im Koalitionsvertrag steht, muss ja nicht umgesetzt werden, man kann das machen wie beim Wahlrecht oder bei der direkten Demokratie. Und Hauptsache, man setzt immer wieder ein schönes neues Programm aufs Gleis. Dass es dann nie losfährt, weil die CDU die Bremse gezogen hat, merkt hoffentlich niemand, oder?

Bei aller Kritik muss ich dem grünen Umweltminister sicher nicht erklären, was einem für besseren Artenschutz einfallen kann. Wie man für insektenfreundlicheres Kunstlicht vorgeht. Wie man den Biolandbau noch stärker forciert. Wie man eine klare Strategie auf den Weg bringt, die Einsatz von Pestiziden in den nächsten Jahren halbiert. Und wie wichtig ein Totalverbot von allen Neonicotinoiden ist, die sich besonders schädlich auf die Tierwelt auswirken.

Ich bin mir sicher, dass der Minister weiß, dass synthetische Pestizide aus Naturschutzgebieten und direkt an sie angrenzend Gebieten verbannt werden müssen.

Er weiß, dass Glyphosat und andere Totalherbizide dort nichts verloren haben, dass wir sie auf Privatflächen sofort und in der Landwirtschaft so bald wie möglich verbieten sollten. Er weiß, dass wir Düngeverordnungen kontrollieren müssen, er weiß, wie man Grünland insektenfreundlich bearbeiten kann.

Nein, das alles muss ich dem Umweltminister nicht erzählen. Ich muss ihn aber fragen, warum aus dem „Wir sollten“ so selten ein „Wir machen“ wird. Ich muss ihn fragen, was man den Grünen noch geben muss, damit sie grüne Ideen, die an diesem Punkt oft gute und richtige Ideen sind, auch umsetzen? Sie sind an der Regierung, seit acht Jahren, sie führen eines der beiden entscheidenden Ministerien! Wie kann es da sein, dass Bürgerinnen und Bürger diese Grüne Regierung mit einem Volksbegehren dazu antreiben muss, für ein grünes Herzensanliegen grüne Politik zu machen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Höhenflug der Grünen quer durch Deutschland ist mit Hoffnungen der Bürger verbunden, gerade auf Umwelt- und Klimaschutz. Und in der Tat haben andere Parteien diesen Themen lange nicht die gebotene Priorität eingeräumt. Das muss sich auch die SPD sagen lassen.

Die Grünen aber müssen sich sagen lassen, dass sie diese Themen im eigenen Namen führen und für ihre ureigene Kernkompetenz halten. Und wenn so eine Partei dann nach acht Jahren an der Regierung nicht erheblich mehr geleistet hat als in anderen Ländern mit anderen Regierungen, was soll ich dann noch sagen? Dass die Grünen dieses Land nicht gerechter und nicht sozialer machen, war leider absehbar. Aber wenn sie es nicht einmal grüner machen, dann höre ich auf zu staunen, dann bin ich fassungslos.

In Bayern wie in Baden-Württemberg ist die Biene zum Symboltier des Artenschutzes geworden. Und ich sage ihnen, dass es einer Biene leider ziemlich egal ist, wer nicht verhindert, dass man ihr die Lebensgrundlage entzieht. Grünes Nichtstun ist nicht artenfreundlicher als schwarzes Nichtstun.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz