Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann: "Hohe Hürden in der Verfassung senken, damit direkte Demokratie praktisch möglich wird"
SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel: „Die Absenkung von einem Drittel auf ein Fünftel der Stimmberechtigten wahrt die Balance zwischen parlamentarischen und plebiszitären Entscheidungen“
Obwohl die Landesverfassung von Baden-Württemberg eine direkte Mitwirkung des Volkes an der Gesetzgebung durch Volksbegehren und Volksabstimmung vorsieht, hat es seit der Einführung im Jahr 1974 bis heute keine einzige Volksabstimmung im Lande gegeben. Dies liegt nicht am fehlenden Willen der Bürgerinnen und Bürger, sondern, so die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag Edith Sitzmann, an den hohen Hürden, die die direkte Demokratie auf Landesebene praktisch ausschließen: “Die Regelung in der Verfassung ist ein Paragraf, der Bürgerbeteiligung verhindert.“
Eine Senkung der Hürden hatten Grüne und SPD in der Koalitionsvereinbarung beschlossen. Jetzt (Donnerstag, 07.07.2011) haben sie den entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung im Landtag eingebracht. Dabei geht es um das Zustimmungsquorum: ein Drittel aller stimmberechtigen Bürgerinnen und Bürger muss derzeit bei einer Volksabstimmung zustimmen, um einem Gesetzentwurf zum Erfolg zu verhelfen. „Damit rangiert Baden-Württemberg im Ländervergleich auf dem vorletzten Platz“, gibt die Fraktionsvorsitzende der Grünen Edith Sitzmann zu bedenken.
„Die Absenkung von einem Drittel auf ein Fünftel der Stimmberechtigten wahrt die Balance zwischen parlamentarischen und plebiszitären Entscheidungen“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Die Hürde dürfe aber nicht so hoch gelegt werden, dass die Menschen den Eindruck gewännen, sie bei einer Volksabstimmung nie überspringen zu können.
Die Landesverfassung kann nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament geändert werden. Dazu wäre die Zustimmung der CDU als stärkster Fraktion erforderlich.
Die FDP hat ihre Zustimmung signalisiert. „Wir appellieren an die CDU, ihre bisherige ablehnende Haltung aufzugeben. Das unüberwindbare Quorum unserer Landesverfassung verhindert die direkte Beteiligung der Wählerschaft an der Gestaltung des Gemeinwesens durch Volksabstimmungen“, sagten Sitzmann und Schmiedel an die Adresse der Opposition.
Nicht nur durch die Ereignisse um das Bahnprojekt Stuttgart 21, sondern durch viele politischen Ereignisse und Debatten der letzten Jahre ist der Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach Beteiligung an Entscheidungsprozessen gewachsen. Dieser Beteiligungswille beschränkt sich dabei keineswegs auf die Anhängerschaft der beiden Regierungsfraktionen. Sitzmann und Schmiedel: „Die CDU täte sich keinen Gefallen, gleich beim ersten Praxistest zur Realisierung von mehr Demokratie in diesem Lande zu versagen. Wir halten es deshalb auch für falsch, die Zustimmung oder Ablehnung eines solche überfälligen Schrittes von dem aktuellen Thema Stuttgart 21 abhängig zu machen.“
Stuttgart, 7. Juli 2011
Martin Mendler
Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Wolfgang Schmitt
Pressesprecher Fraktion Grüne im Landtag