MdL Rainer Stickelberger: „Das verfassungswidrige Vorgehen der Landesregierung bei der Finanzierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe ist nun höchstrichterlich festgestellt“

Missbrauch des Notbewilligungsrechts nun Riegel vorgeschoben


Die SPD hat ihre Klage gegen die Finanzierung der privaten Bewährungshilfe durch den Finanzminister und die Landesregierung von Baden-Württemberg vor dem Staatsgerichtshof klar gewonnen. Der Justitiar der Fraktion, Rainer Stickelberger, der auch die prozessuale Vertretung in dem Prozess übernommen hatte, begrüßte die Entscheidung der Richter: „Das rechtswidrige Vorgehen der Regierung bei der Finanzierung der Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe ist nun höchstrichterlich festgestellt“.

Stickelberger misst dem Urteil eine deutlich über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung bei: „Dem Missbrauch des Notbewilligungsrechts ist durch den Richterspruch nun ein für allemal ein Riegel vorgeschoben.“ Das Parlament werde in der Ausübung seines Königsrechts, der Entscheidung über den Haushalt des Landes, deutlich gestärkt.

Das Gericht habe in seiner heutigen Entscheidung klargestellt, dass der Finanzminister nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses berechtigt sei, eine finanzielle Ausgabe ohne Beteiligung des Parlaments zu genehmigen. Die Richter hätten deutlich gemacht, dass die Unabweisbarkeit bei der Finanzierung der Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe Ende letzten Jahres nicht gegeben war. Insbesondere habe es an der Dringlichkeit gefehlt, da nach dem Abschluss der Verhandlungen mit der Neustart gGmbH hinreichend Zeit für die Einbringung eines Nachtragshaushalts zur Verfügung gestanden hätte.

Das Argument der Regierung, dass der zuständige Finanzausschuss zu einer Sondersitzung nicht bereit gewesen sei, hätten die Richter so nicht gelten lassen: Denn zum einen sei die Regierung ihrer Pflicht zur Vorlage eines Nachtragshaushalts nicht nachgekommen und zum anderen sei eine entsprechende Anfrage an den Landtag nicht erfolgt.

In dem vor dem Staatsgerichtshof anhängigen Fall hatte der Finanzminister Ende letzten Jahres seine Genehmigung für die Finanzierung der Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe erteilt. Der über mehrere Jahre zu bezahlende Betrag lag bei knapp 60 Millionen Euro. Die Regierung hatte ihr Handeln mit der Zeitnot bis zum geplanten Start der Privatisierung begründet, die durch sich hinziehende Verhandlungen entstanden sei.

Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Antrag vor dem Staatsgerichtshof demgegenüber dargelegt, dass die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für ein „Notbewilligungsrecht“ nicht vorlagen. Insbesondere sei der Abschluss des Vertrags mit der Neustart gGmbH über einen längeren Zeitraum in seiner Größenordnung vorhersehbar gewesen. Ferner habe es an der Unabweisbarkeit gefehlt, da für das Einbringen eines Nachtragshaushalts hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden hätte.

Die Rechtsauffassung der SPD-Fraktion wurde damals auch durch den Rechnungshof Baden-Württemberg gestützt, der in seiner Denkschrift 2007 das Vorgehen der Regierung ebenfalls gerügt hatte.

Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher