MdL Wolfgang Bebber: „Wegen Golls Schlamperei kommen Gewalttäter frei“



Rechtspolitischer Salto rückwärts von FDP-Kiesswetter



Die vor dem OLG Karlsruhe geplatzte nachträgliche Sicherungsverwahrung für einen gefährlichen Gewalttäter ist nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion ein Fiasko für Justizminister Goll. Für das Scheitern dieses Antrages vor Gericht machte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Bebber, Justizminister Goll persönlich verantwortlich. Denn erst vor kurzem habe Goll mitgeteilt, dass die Gefängnisleitungen alle Anträge auf nachträgliche Sicherungsverwahrung wegen der schwierigen Rechtsfragen dem Justizministerium zur Vorprüfung vorlegen müssen. Vor diesem Hintergrund sei es völlig unverständlich, dass das Justizministerium noch nicht einmal bemerkt hat, dass der jetzt vor Gericht gescheiterte Antrag nicht einmal fristgerecht eingereicht wurde. Goll, so Bebber weiter, setze damit die Serie der Schlampereien aus der Gesetzesberatung im Parlament jetzt bei der Umsetzung dieses Gesetzes in der Praxis nahtlos fort. Für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sei dies ein Alarmsignal, so Bebber.



Der jetzt freigelassene Gewalttäter war 1997 wegen schweren Raubes, Nötigung und gefährliche Körperverletzung verurteilt worden und schon zuvor wegen versuchter Vergewaltigung.



Für Wolfgang Bebber war die Entscheidung des Karlsruher Oberlandesgerichtes in diesem nun entschiedenen Fall absehbar. Vor gut einem Jahr bei der zweiten Lesung dieses Gesetzes im Parlament hatte Bebber als Sprecher der SPD-Fraktion kritisiert, das Gesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung besonders gefährlicher Gewalttäter sei voller handwerklicher Fehler und es bestehe deshalb die Gefahr, dass Anträge zur nachträglichen Sicherungsverwahrung auf der Grundlage dieses Gesetzes vor Gericht nicht standhalten könnten. Bebber damals wörtlich: „Diese Schwachstellen bergen die große Gefahr, dass entweder die gesetzliche Regelung im Ernstfall als verfassungswidrig aufgehoben wird oder aber die für die Unterbringung angeführten Gründe vom Gericht nicht akzeptiert werden können. Dann hätte das zur Folge, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat erheblichen Schaden erlitte.“ (Landtagsprotokoll vom 20. Februar 2001)



Bebber unterstrich erneut, dass die SPD nach wie vor die Zielsetzung dieses Gesetzes uneingeschränkt teilt, nämlich besonders rückfallgefährdete Gewaltverbrecher nachträglich in Sicherungsverwahrung zu nehmen. Ein solches Gesetz müsse aber aus verfassungsrechtlichen Gründen so eindeutig und handwerklich sauber formuliert werden, dass es vor Gericht auch Stand hält. Genau dies habe Justizminister Goll seinerzeit mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl versäumt und damit aus purem Wahlkalkül bewusst sogar ein Scheitern vor Gericht in Kauf genommen.



Für Bebber ist es deshalb kein Zufall, dass seit Inkrafttreten dieses Gesetzes vor über einem Jahr in noch keinem einzigen Fall in Baden-Württemberg nachträglich eine Sicherungsverwahrung gefährlicher Gewaltverbrecher angeordnet wurde. „Goll hat offenbar panische Angst davor, dass er jetzt von seinen Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit eingeholt wird.“



Der rechtspolitische Salto rückwärts von FDP-Kiesswetter



Besonders bemerkenswert ist für Wolfgang Bebber der „rechtspolitische Salto rückwärts“ des früheren FDP-Landtagsabgeordneten Kiesswetter, der nun den inzwischen freigelassenen Gewalttäter als Anwalt vor dem Gericht in Karlsruhe vertrat. Noch vor einem Jahr, bei der Beratung im Parlament, hatte Kiesswetter als damaliger rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion alle Bedenken vom Tisch gewischt, die seinerzeit z. B. von Strafvollzugsbediensteten, von Anstaltsleitern, Rechtsanwaltskammern, Anwaltsverbänden, vom Weißen Ring und von der neuen Richtervereinigung gegen das Gesetz vorgetragen wurden.



Wörtlich hatte Kiesswetter damals im Landtag bei der zweiten Lesung gesagt: „Dieser Gesetzentwurf ist richtig. Ich halte diese Regelung für sinnvoll und praktikabel. Ich sehe gegen den Gesetzentwurf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.“ Heute nun, ein Jahr später, geht der derselbe FDP-Mann als Anwalt des Gewalttäters vor die Presse und sagt: „So wie das Gesetz jetzt ist, macht es keinen Sinn. Es verstößt massiv gegen die Europäische Menschenrechtskonvention“. Es sei nicht zulässig, so Kiesswetter laut Stuttgarter Nachrichten weiter, „jemanden prophylaktisch ins Gefängnis zu stecken“, Justizminister Goll (FDP) müsse das Gesetz daher überarbeiten.



Bebber: „Diese Kehrtwende um 180 Grad ist beschämend und bezeichnend zugleich. Sie zeigt, wie schnell heutzutage FDP-Politiker ihre Grundsätze und rechtspolitischen Überzeugungen über Bord werfen, wenns dem eigenen Fortkommen dient. Herr Kiesswetter ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Sein Verhalten ist leider typisch für eine FDP, die rechtspolitische Grundüberzeugungen bedenkenlos über Bord wirft, wenn sie meint, daraus Vorteile in Wahlauseinandersetzungen ziehen zu können. Dass ausgerechnet nun der frühere FDP-Politiker und jetzige Anwalt Kiesswetter dafür seinem nicht minder opportunistischen Parteifreund Goll vor Gericht die Rechnung präsentiert hat, ist ein bemerkenswerter Vorgang.“

gez. Helmut Zorell

Fraktionssprecher