MdL Marianne Wonnay: „Die frauenpolitische Bilanz der Landesregierung ist mehr als enttäuschend“
MdL Rita Haller-Haid: „Die seit langem angekündigte Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes ist noch keinen Schritt weiter gekommen“
Ein Jahr nach dem ersten Frauenplenartag im Landtag hat die SPD-Landtagsfraktion eine ernüchternde Bilanz zur Frauenpolitik der Landesregierung gezogen. Seit dem November des vergangenen Jahres habe sich frauenpolitisch im Land überhaupt nichts bewegt, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Marianne Wonnay. „Im Gegenteil: Es ist Stillstand und Rückschritt zu verzeichnen.“
Die seit langem angekündigte Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes werde immer weiter auf die lange Bank geschoben. Und die Teufelsche Verwaltungsreform bedeute einen eklatanten frauenpolitischen Rückschritt, weil weite Teile der Landesverwaltung und damit die dort beschäftigten Frauen aus dem Geltungsbereich des Landesgleichberechtigungsgesetzes herausfielen.
Zudem gefährdeten nun Mittelkürzungen im laufenden Haushalt in Höhe von 359.300 Euro die Existenz der Frauenhäuser. Und bereits im Nachtragshaushalt 2003 seien die Mittel für die Frauenforschung in Höhe von 144.000 Euro ersatzlos gestrichen worden.
Vor einem Jahr hatte der Landtag beim ersten Frauenplenartag über die Frage diskutierte, wie der Auftrag des Grundgesetzes und der Landesverfassung, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung von bestehenden Nachteilen hinzuwirken (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 2 Abs. 1 Landesverfassung), landespolitisch umgesetzt werden kann.
Angesichts der nun vorliegenden Negativbilanz müsse man sich die Frage stellen, so Wonnay, wie ernst es die Landesregierung mit dem Verfassungsauftrag nimmt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung von bestehenden Nachteilen hinzuwirken.
Wonnay: „Dieser Verfassungsauftrag gilt für alle Bereiche der Landespolitik. Frauenpolitik ist deshalb eine Querschnittsaufgabe. Bei der Landesregierung jedoch ist Frauenpolitik nach dem Frauenplenartag rasch wieder von der Agenda verschwunden.“ Von der für Frauenpolitik zuständigen Staatssekretärin sei außer folgenlosen Ankündigungen so gut wie nichts zu hören.
Eklatante Defizite gibt es nach Wonnays Worten auch bei der praktischen Umsetzung des Grundsatzes, bei allen Gesetzen, Programmen und Projekten, die die Landesregierung in die Wege leitet, bereits in der Planungs- und Entscheidungsphase die geschlechterspezifischen Auswirkungen zu überprüfen. „Dieses Gender-Mainstreaming genannte Prinzip hat sich die Landesregierung zwar auf die Fahnen geschrieben, in der praktischen Umsetzung im Alltag hapert es aber gewaltig.“
Aktuelles Beispiel dafür seien die Teufelschen Verwaltungsreformpläne. „Die Landesregierung nimmt bei der von ihr beabsichtigten Auflösung der unteren Sonderbehörden überhaupt keine Rücksicht darauf, dass die Bediensteten der unteren Verwaltungsbehörden nach der Eingliederung in die Stadt- und Landkreise künftig nicht mehr in den uneingeschränkten Geltungsbereich des Landesgleichberechtigungsgesetzes fallen. Dies bedeutet für viele der insgesamt rund 124.000 in der Landesverwaltung beschäftigten Frauen eine eindeutige Verschlechterung, da die ohnehin bescheidenen gleichstellungspolitischen Instrumente des Landesgleichberechtigungsgesetzes in den Stadt- und Landkreisen nur sehr eingeschränkt Gültigkeit haben.“
So entfalle beispielsweise in den eingegliederten Behörden die Pflicht zur Bestellung einer Frauenvertreterin. Zudem seien gerade viele teilzeitbeschäftigte Frauen aus vielen Sonderbehörden von den Verwaltungsreformplänen negativ betroffen, da für sie die wohnortferne Versetzung in die Landkreisverwaltungen oft ein schier unlösbares Problem darstelle.
Wonnay: „Auf dem Frauenplenartag hat die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Inge Gräßle ausgeführt: ‚Ich glaube, dass wir die Frauenpolitik neu entdecken müssen.’ (PlPr 13/33, S. 2034). Leider sind Landesregierung und die Regierungsfraktionen auf dieser Entdeckungsreise seit dem November 2002 keinen Schritt weitergekommen!“
MdL Rita Haller-Haid: „Der öffentliche Dienst muss bei der Frauenförderung eine Vorbildfunktion haben. Deshalb muss das Landesgleichberechtigungsgesetz umgehend novelliert werden“
Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Rita Haller-Haid, kritisierte die Untätigkeit der Landesregierung bei der Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes: „Der öffentliche Dienst muss bei der Frauenförderung eine Vorbildfunktion haben. Deshalb muss das Landesgleichberechtigungsgesetz, das die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes in den Landesbehörden zum Ziel hat, umgehend novelliert werden.“ Nicht zuletzt müsse bei dieser Novellierung sichergestellt werden, dass die im Landesdienst beschäftigten Frauen nicht zu den Verliererinnen der Verwaltungsreform werden.
Die Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes, so Haller-Haid weiter, werde von der Landesregierung seit Beginn der Legislaturperiode stets angekündigt, dann aber immer wieder auf die lange Bank geschoben. Haller-Haid erinnerte daran, dass die Landesregierung schon vor einem Jahr auf dem Frauenplenartag auf Antrag der Regierungsfraktionen aufgefordert wurde, „die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Landesverwaltung unter Berücksichtigung des Gender-Mainstreaming–Ansatzes voranzutreiben und den Novellierungsentwurf des Landesgleichberechtigungsgesetzes dem Landtag zügig zuzuleiten“ (Drs. 13/1240).
Daraufhin hatte die Landesregierung am 28. April 2003, also vor mehr als einem halben Jahr, angekündigt: „Das Sozialministerium hat den internen Abstimmungsprozess zum Gesetzentwurf zur Neufassung des Landesgleichberechtigungsgesetzes abgeschlossen. Nach Abschluss der Beratung des Gesetzentwurfs in den Regierungsfraktionen wird er zügig dem Ministerrat zur Beschlussfassung über die Freigabe zur Durchführung des Anhörungsverfahrens zugeleitet“ (Drs. 13/2060, S. 3).
Bis heute sei allerdings nichts geschehen. In seiner unlängst vorgelegten Halbzeitbilanz habe Teufel die Novellierung nun auf das kommende Jahr verschoben, da erst noch die Auswirkungen der von der Landesregierung beschlossenen Verwaltungsreform zu berücksichtigen seien. Für Haller-Haid zeigt dieses Vorgehen, wie sehr die Landesregierung das Gender-Mainstreaming-Prinzip missachtet: „Zuerst werden die Pläne zur Verwaltungsreform beschlossen und danach die frauenpolitischen Auswirkungen untersucht. Eine konsequente Frauenpolitik geht genau den umgekehrten Weg.“
SPD für eine rasche Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes
Die SPD spricht sich dafür aus, das baden-württembergische Landesgleichberechtigungsgesetz (LGLG) umgehend zu novellieren. Eine zentrale Forderung der SPD bei dieser Novellierung sind bessere Regelungen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung, vor allem bei der Besetzung von Führungspositionen.
„Damit soll sichergestellt werden, dass in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, die Zielvorgaben des Frauenförderplanes so gefasst werden, dass bei Einstellungen und Beförderungen jeweils mindestens die Hälfte der neu zu besetzenden Stellen zur Besetzung mit Frauen bei gleichwertiger Qualifikation vorzusehen sind, soweit nicht im Einzelfall überwiegende Gesichtspunkte für den Mann sprechen.“ Dieser Grundsatz sei im Bundesgleichstellungsgesetz, das für alle Beschäftigten in der Bundesverwaltung gilt, bereits verwirklicht.
Zudem müssten die Freistellungsregelungen für die Frauenvertreterinnen deutlich verbessert werden: „In weiten Bereichen der Landesverwaltung sind die Frauenvertreterinnen nicht im notwendigen Umfang zur Erfüllung ihrer Aufgaben von ihren dienstlichen Aufgaben freigestellt. Lediglich vier der rund 1.000 Frauenvertreterinnen sind zu 100 Prozent freigestellt, fünf zu drei Vierteln und 21 zur Hälfte. Insgesamt 67 Frauenvertreterinnen haben eine Freistellung, die zwischen 16 und 2 Stunden liegt. Die Mehrzahl (insgesamt 560) der Frauenvertreterinnen ist entweder überhaupt nicht freigestellt oder ihr Freistellungsumfang liegt unter 2 Stunden.“
In den Städten und Gemeinden ist die Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes nach den Worten von Haller-Haid nach wie vor völlig unbefriedigend. Obwohl das Gesetz allen Stadt- und Landkreisen und allen Gemeinden mit mehr als 8.000 Einwohnern in Form einer Soll-Vorschrift die Erstellung von Frauenförderplänen vorschreibt, werde diese Vorschrift von den Kommunen auch mehr als sieben Jahre seit dem Inkrafttreten in weiten Bereichen beharrlich ignoriert.
Lediglich in den neun Stadtkreisen seien Frauenförderpläne erstellt worden. Anders bei den Landkreisen: Nach der letzten Bestandsaufnahme des Landkreistags liegt nur in 18 Landkreisen ein Frauenförderplan vor. Vier Landkreise haben gemeldet, dass ein Frauenförderplan nicht besteht, 13 Landkreise haben erst gar nicht geantwortet.
Noch düsterer sei das Bild auf Gemeindeebene. In Baden-Württemberg gibt es rund 300 Gemeinden mit mehr als 8.000 Einwohnern. Nach Angaben des Gemeindetags Baden-Württemberg haben davon bisher lediglich 92 Gemeinden einen Frauenförderplan erstellt. „Damit erfüllt nicht einmal ein Drittel der Gemeinden den Gesetzesauftrag.“
Haller-Haid: „Die SPD spricht sich deshalb dafür aus, dass die Stadt- und Landkreise und die Gemeinden mit mehr als 8.000 Einwohnern uneingeschränkt in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen und dazu verpflichtet werden, Frauenförderpläne zu erstellen.“