MdL Gunter Kaufmann: „Der hohe Unterrichtsausfall geht zu Lasten der Berufsperspektiven junger Menschen und ist ein Alarmsignal für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg“

Die SPD-Landtagsfraktion kritisiert scharf den dramatischen Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen im Land. Aus der Antwort des Kultusministers auf eine entsprechende parlamentarische Initiative der SPD ergibt sich, dass etwa zehn Prozent des Unterrichts ausfällt. Allein wegen Lehrermangels können laut vorläufigem Ergebnis im laufenden Schuljahr 2007/08 an den beruflichen Schulen über 18.000 Unterrichtsstunden nicht gehalten werden. Das sind landesweit 4,4 Prozent des Unterrichts, wobei manche Landkreise deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen, Calw z. B. mit 8,3 Prozent. Zu diesem strukturellen Ausfall des Pflichtunterrichts komme noch Unterrichtsausfall in ähnlicher Größenordnung wegen Krankheit oder Lehrerfortbildung hinzu, so der SPD-Abgeordnete Gunter Kaufmann, Sprecher für berufliche Bildung.

Kaufmann: „Der hohe Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen ist schlichtweg skandalös. Er geht zu Lasten der Berufsperspektiven junger Menschen und ist ein Alarmsignal für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.“

Laut Angaben des Ministers fehlen rechnerisch 721 Lehrkräfte, um allein den strukturellen Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen zu beheben. Darüber hinaus leisteten die Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen im letzten Schuljahr Mehrarbeit im Umfang von 757 Deputaten. Zähle man diese „Bugwelle an Überstunden“ zum strukturellen Lehrerdefizit hinzu, so fehlten an den beruflichen Schulen knapp 1.500 Deputate. Dies sein ein „unhaltbarer Zustand“, so Kaufmann.

Kaufmann verweist darauf, dass es inzwischen zahlreiche Mangelfächer, vor allem im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich, gibt. In dieses Bild passe, dass nahezu keine Bewerbungen von Lehrkräften mit ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung vorliegen. Die SPD-Forderung nach einem umfassenden Konzept zur Gewinnung von Lehrkräften an beruflichen Schulen habe die Landesregierung in den Wind geschlagen und auch die immer lauter werdende Kritik von Kammern und Betrieben ignoriert.

So habe unlängst die IHK Baden-Württemberg vor den Folgen des Unterrichtsausfalls gewarnt und es als „nicht hinnehmbar“ bezeichnet, wenn in Berufsschulen zehn Prozent des Unterrichts ausfallen. Für Kaufmann setzt die Landesregierung damit die Zukunft des dualen Ausbildungssystems fahrlässig aufs Spiel. Das duale System könne nur funktionieren, wenn Betriebe und Berufsschulen ihre Ausbildungsaufgaben erfüllten. Das Land komme aber seiner Verpflichtung, für ausreichend Lehrkräfte an den beruflichen Schulen zu Sorgen, immer weniger nach.

Viel zu wenig Studienanfänger für Lehramt an beruflichen Schulen
Die Landesregierung habe über Jahre hinweg die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte an den beruflichen Schulen verschlechtert. Dies räche sich nun. So müsse der Kultusminister kleinlaut einräumen, dass die Zahl der Studienanfänger/-innen in den Studiengängen zum höheren Lehramt an beruflichen Schulen „bereits seit Jahren unter dem Bedarf“ liegt. Zudem, so Kaufmann, gelinge es der Landesregierung offenkundig nicht, über das Programm zum Seiten- und Quereinstieg genügend Interessenten aus der Wirtschaft für die Lehrtätigkeit an beruflichen Schulen zu gewinnen.

Einen Grund hierfür sieht Kaufmann auch in der niedrigen Besoldung, insbesondere für Berufsanfänger sowie für die Seiten- und Quereinsteiger. „Ein Wechsel von der Wirtschaft an eine berufliche Schule ist für Interessenten in finanzieller Hinsicht völlig unattraktiv“, unterstrich Kaufmann. Die Landesregierung müsse deshalb Maßnahmen ergreifen, damit der Schuldienst wettbewerbsfähiger werde.

„Die Wirtschaft legt mit ihrer Kritik den Finger in die Wunde: Wir brauchen dringend mehr Lehrerinnen und Lehrer an den beruflichen Schulen, um die Unterrichtsversorgung schnell zu verbessern. Und die Landesregierung muss endlich attraktive Arbeitsbedingungen an den beruflichen Schulen bieten“, fordert Kaufmann.


Helmut Zorell
Pressesprecher