Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Tat: Baden-Württemberg ist geprägt von seiner Spitzenforschung. Vier von elf Exzellenzuniversitäten, eine starke Forschungs- und Hochschullandschaft und durchaus Erfolge in Sachen Innovationscampus.

Erst letzte Woche war ich mit Kollegen aus dem Deutschen Bundestag im Cyber Valley in Tübingen. Europas größtes Forschungskonsortium im Bereich der künstlichen Intelligenz bekommt jetzt einen Neubau. Letzten Monat war Grundsteinlegung. Der Titel „Cyber Valley 1“ lässt hoffen, dass ein zweiter Teil folgen wird. Wer sich mit dem Cyber Valley beschäftigt, bekommt eine Ahnung davon, was eine europäische KI sein kann. Über die ethische Reflexion im Advisory Board habe ich an dieser Stelle schon einmal gesprochen. Das Max-Planck-Institut hat letztes Jahr Moritz Hardt zum Direktor berufen. Hardt forscht über die Rolle der Gesellschaft und will als Informatiker soziale Grundlagen in der Informatik erforschen. Ihm geht es um das dynamische Verhalten von Individuen – insbesondere wenn Algorithmen einen Einfluss auf die Lebensrealität von Menschen haben.

Das Beispiel KI-Kompetenzzentrum wirft ein Licht darauf, was Spitzenforschung heute benötigt, welche Rahmenbedingungen nötig sind für Innovationen. In erster Linie Zusammenarbeit. Denn ein Land allein schafft das nicht. Das Tübinger Zentrum bildet ein KI-Ökosystem mit anderen KI-Zentren in Deutschland. Die Förderung in Tübingen ist eng verzahnt mit der KI-Strategie des Bundes und die wiederum mit der EU-Dachstrategie zu Künstlicher Intelligenz. Diese Verzahnung ist auch ein Grund, warum das Cyber Valley zweifellos der erfolgreichste der drei Innovationscampus ist.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ich als Oppositionspolitikerin an dieser Stelle aber Wasser in den schwäbischen Wein gieße.

Zunächst einmal wird deutlich, dass der Bund genauso eine herausgehobene Rolle spielt. 2018 vom BMBF als Kompetenzzentrum zum maschinellen Lernen gestartet, ist jetzt klar: Das KI-Kompetenzzentrum wird mit Bundesmitteln verstetigt.

Zehn Millionen gibt der Bund um die wissenschaftlich heraus-ragende KI-Forschung in Tübingen zu institutionalisieren. Das Land gibt, wie bei diesen Projekten üblich, den gleichen Betrag noch einmal dazu.

Der einzig entscheidende Player war sie nicht. Aber mit Blick auf den KI-Innovationscampus Stuttgart-Tübingen hat die Landesregierung offensichtlich einiges richtig gemacht.

Ganz anders die „Health and Life Science Alliance“ im Rhein-Neckar-Dreieck. Eigentlich sind alle Zutaten vorhanden, die ein Innovations-Ökosystem benötigt: Exzellenzuniversität, international renommierte Forschungsinstitute, starke Partner aus der Wirtschaft, länderübergreifende Kooperation. Und der Kern sollte die Fusion der beiden Universitätskliniken in Mannheim und Heidelberg werden. Das wird nun erst einmal nichts, wie wir mittlerweile wissen. Mit ihrem unvorbereiteten Vorpreschen in Sachen Fusion, bei der sich die anderen grünen Ressorts, Finanzen, Soziales und das Staatsministerium quer stellen, hat Frau Bauer Innovation und Spitzenforschung im Land einen Bärendienst erwiesen. Selbst der Verbund ist aktuell eine Hängepartie, in der nichts vorangeht.

Vor dem Hintergrund der Erfolgsgeschichte, die Innovationsförderung sein kann, ist es gelinde gesagt bedauerlich, dass es die Landesregierung mit der vermurksten Fusion der beiden Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim geschafft hat, sich wieder einmal selbst ein Bein zu stellen.

Der Begriff der Spitzenforschung gehört eher ins Marketing der Hochschulen. Eine genauere Betrachtung muss unter-scheiden, ob wir es mit Grundlagenspitzenforschung oder mit angewandter Spitzenforschung zu tun haben. Beide bringen Innovationen hervor, beide brauchen die Möglichkeit, ihre Innovationen in die Gesellschaft und in die Wirtschaft zu transferieren, beide sind aber nicht unbedingt an den gleichen Hochschulen angesiedelt.

Mit der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation, kurz DATI, macht sich die Bundesregierung nun auf den Weg, auch den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften aus-reichend Mittel zur Verfügung zu stellen, um genau das zu er-reichen, was bei den Universitäten immer schon zur DNA gehört.

Der lange Kampf der HAWen für eine solche Agentur und ins-besondere ihr langer Kampf für ein Promotionsrecht in Baden-Württemberg zeigen, dass Spitzenforschung auch in den letzten zehn Jahren immer eher nur auf Seiten der Universitäten gesehen wurde, ungeachtet einer immer stärker werdenden Forschungstätigkeit auch an den HAWs.

Eine Debatte mit diesem Titel sollte einmal die Frage stellen, was Spitzenforschung eigentlich ist und was sie ausmacht. Publikationszahlen, Rankings, Drittmittel – das sind die aktuell immer noch geltenden Maßstäbe für Spitze.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass zu diesen Kriterien noch weitere hinzukommen, dass insbesondere die Lehre stärker berücksichtigt wird. Wir sehen noch immer starke Defizite bei der Gewinnung von Spitzenpersonal, bei den Rahmenbedingungen, die unsere Hochschulen z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Forschung bieten. Wohnraum ist in unseren Universitätsstädten sowieso Mangelware. Von der Gleichstellung sind wir in unseren Hoch-schulen in weiten Bereichen weit entfernt. Und wir brauchen stärker als bisher verlässliche Karrierewege für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Frau Ministerin Bauer: Wenn Sie heute Ihre vermutlich letzte Rede als Ministerin halten, dann ziehen wir als SPD-Fraktion also ein durchaus gemischtes Bild: Es bleiben eindeutig Wünsche offen, und zur Gesamtbilanz gehört auch ein Untersuchungsausschuss zur Zulagenaffäre in Ludwigsburg. Wir er-kennen als SPD-Fraktion gleichwohl Erfolge an – insbesondere natürlich in unserer gemeinsamen Regierungszeit 2011 bis 2016. Ich sage auch ganz persönlich als eine, die dafür als Studentin auf die Straße gegangen ist: Es war historisch, dass das Land ab 2012 die allgemeinen Studiengebühren ab-geschafft hat. Damals hieß es: „Damit sorgt die Koalition für mehr Bildungsgerechtigkeit und ermöglicht einen fairen Hochschulzugang ohne finanzielle Hürden. Studieren hängt in Ba-den-Württemberg nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern ab. Grün-Rot setzt mit diesem Schritt ein wichtiges Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um.“ Solche Töne haben wir in den letzten Jahren leider nicht mehr von Ihnen gehört.

Deshalb lassen Sie uns einen Wunsch zum Abschied formulieren – an Sie, Frau Bauer, oder vielleicht an den Nachfolger oder die Nachfolgerin: Ersparen Sie uns, jedes Jahr im Haus-halt denselben Antrag zu stellen. Erinnern Sie sich an Ihre Anfänge, denken Sie an den eklatanten Fachkräftemangel, in den das Land sehenden Auges geschlittert ist, und schaffen auch endlich die Studiengebühren fürs Zweitstudium und vor allem für internationale Studiengebühren ab!

Es gilt das gesprochene Wort.