MdL Christine Rudolf: „Das Land hat sich der Verantwortung für die obdachlosen Frauen schlicht entzogen“

SPD fordert spezielle Angebote für den wachsenden Kreis obdachloser Frauen

Landesweit hat sich die Zahl der obdachlosen Frauen in den letzten zehn Jahren nach Angaben der SPD-Abgeordneten Christine Rudolf verdreifacht. Mehr als 1.800 Fälle seien zuletzt in der Statistik erfasst worden, wobei die Dunkelziffer gerade in diesem Bereich erfahrungsgemäß sehr hoch sei. Und die Zahl obdachloser Frauen in Baden-Württemberg steige weiter. Dies werde auch die nächste landesweite Erhebung zeigen, die in der kommenden Woche von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege vorgelegt wird.

Immer mehr Frauen gerieten durch familiäre Gewalterfahrungen, Arbeitslosigkeit, Armut und Überschuldung in einen Teufelskreis, der immer häufiger in der Obdachlosigkeit ende. Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgelegte Studie zum so genannten Prekariat komme zu dem Ergebnis, dass in Westdeutschland rund 4 Prozent der Bevölkerung einen gesellschaftlichen Abstieg erleben. Auch wenn überwiegend Männer zu diesem „Prekariat“ zu zählen seien, belege diese Studie einen ernst zu nehmenden gesellschaftlichen Trend, von dem immer mehr Frauen betroffen seien, so Rudolf.

Einer der Gründe, weshalb im Vergleich zur Vergangenheit mehr Frauen obdachlos werden, liegt nach Rudolfs Angaben darin, dass Frauen in ihrer Lebenssituation der Gewalt früher ausweichen, als dies noch vor Jahren der Fall war und so in die Obdachlosigkeit geraten. Mehr denn je seien deshalb spezielle Angebote für Frauen in schwierigen Lebenslagen notwendig, und zwar in den Großstädten und in der Fläche, in den kleineren Städten und im ländlichen Raum.

Die Verwaltungsreform im Jahr 2005 brachte nach den Worten von Christine Rudolf für die Wohnungslosenhilfe insgesamt einen herben Einschnitt. Gegen den Rat aller Fachleute seien die beiden Landeswohlfahrtsverbände aufgelöst worden, die bis dahin für die Hilfen für wohnungslose Menschen zuständig waren. Gerade solche Hilfen müssten jedoch bei einem überörtlichen Träger angesiedelt werden, so die einhellige Expertenmeinung, weil ein einzelner Kreis allein kaum bereit und in der Lage sei, angemessene Angebote für diesen schwierig zu versorgenden Personenkreis anzubieten. Mit der Zuständigkeit eines überörtlichen Trägers könne zudem verhindert werden, dass die Verantwortung für Obdachlose zwischen einzelnen Kreisen hin- und hergeschoben werde.

Trotzdem habe die Landesregierung mit der Verwaltungsreform wider alle Vernunft diese Aufgabe auf die Stadt- und Landkreise übertragen und nicht auf den neuen Kommunalverband für Jugend und Soziales, der an die Stelle der beiden Landeswohlfahrtsverbände trat. Die Verbände der Wohnungslosenhilfe beklagten seitdem, dass sich das Hilfsangebot für wohnungslose Menschen verschlechtert hat, insbesondere in den Landkreisen. Mit dem Wechsel der Zuständigkeit für die Obdachlosenhilfe von den überörtlichen zu den örtlichen Trägern würden auch notwendige konzeptionelle Weiterentwicklungen behindert, kritisiert Rudolf. Obdachlose Frauen gingen nicht in Häuser und andere Einrichtungen für Obdachlose, die von Männern dominiert sind, weil sie – häufig zu Recht – befürchten, dort Gewalt ausgesetzt zu sein.

Christine Rudolf: „Wir brauchen deshalb spezielle Angebote für den wachsenden Kreis obdachloser Frauen.“ Ein einzelner Kreis habe kein Interesse, solche Angebote allein zu entwickeln, weil er eine Sogwirkung aus anderen Kreisen befürchte.

Scharfe Kritik übte die SPD-Abgeordnete auch daran, dass die Landesregierung die finanziellen Hilfen für Obdachlose komplett gestrichen hat. Die jährlichen Zuschüsse, die bis 2004 an Einrichtungen der Gefährdetenhilfe in Höhe von 400 000 Euro flossen, seien ersatzlos weggefallen, so Rudolf. Zudem habe die Landesregierung die Mittel zur Förderung von Investitionen für Einrichtungen der Gefährdetenhilfe zwar nicht ganz gestrichen, aber doch stark gekürzt.

Christine Rudolf: „Obdachlose werden vertrieben, abgeschoben, das Problem einfach weitergereicht.“ Die SPD-Politikerin fordert deshalb die Landesregierung auf, für Einrichtungen der Gefährdetenhilfe wieder Finanzmittel des Landes einzusetzen, um die Not obdachloser Frauen zu lindern. „Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung für diesen Personenkreis bewusst werden und auch danach handeln.“

Helmut Zorell
Pressesprecher