Redemanuskript Andreas Stoch
Antrag der Fraktion der SPD – Ausübung des Ermessens hinsichtlich einer Duldung für gut integrierte Asylsuchende

am 29. Januar 2020

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Abschiebung von gut integrierten Geflüchteten sorgt für Schlagzeilen im Land. Für Unverständnis von Bürgern, Zorn von Wirtschaft und Arbeitgebern, Petitionen von Freunden und Kollegen der Abgeschobenen, geharnischte Briefe von Oberbürgermeistern und Bürgermeistern.

Extremer Frust bei all den Menschen, die sich im Land für eine gelungene Integration von Geflüchteten einsetzen. Ob im Hauptamt oder im Ehrenamt.

Es muss etwas geschehen, denn was bisher passiert, kann man nur absurd nennen.

Absurd, weil gegen jeden gesunden Menschenverstand agiert wird: Straffällig gewordene Geflüchtete und Asylbewerber werden wir oft nicht los, nun werden reihenweise ausgerechnet jene Geflüchteten abgeschoben, die sich vorbildlich integriert haben.

Hart gesagt: Der eine sitzt auf Staatskosten in Haft, darf aber bleiben, der andere arbeitet, zahlt Steuern und muss gehen.

Welches Signal sendet dieses Land damit aus?

Absurd ist auch, dass der Innenminister bewusst und ausdrücklich gegen die Interessen der Wirtschaft handelt, wenn er Geflüchtete in Arbeit abschieben lässt. Denn dass diese Geflüchteten Arbeit gefunden haben, ist doch nicht die reine Wohlfahrt. Sie haben Arbeit, weil sie dringend gebraucht werden. Sie machen Arbeit, für die sich keine anderen Kräfte mehr finden und in denen der Meister oder Inhaber gottfroh ist, jemanden an der Hand zu haben.

Wir haben die Wirtschaft vor Jahren aufgefordert, das ihre zur Integration beizutragen. Dabei gab es nicht nur Erfolgsgeschichten. Aber jetzt schiebt dieses Land ausgerechnet jene Frauen und Männer ab, bei denen es tatsächlich eine Erfolgsgeschichte wurde.

Damit werden kleine Handwerksbetriebe nicht nur vor den Kopf gestoßen, sondern sogar in existenzielle Not gebracht. Weil man das noch nicht auf jedem Sofa verstanden hat sage ich es noch mal: Es geht dort nicht um die Frage ausländischer oder einheimischer Mitarbeiter: Es geht um Mitarbeiter oder KEIN Mitarbeiter. Und wenn sie nur zu dritt in der Backstube stehen, dann fehlt ein Lehrling oder Geselle eben ganz enorm!

Absurd ist auch die Begründung des Innenministeriums: Angeblich ist man mit den Grünen ja einer Meinung, dass man sich im Bundesrat für bessere Bleibeperspektiven einsetzen will. Aber so lange man im Bundesrat noch nicht zum Zuge kommt, wird genau das gemacht, was man in Zukunft angeblich verhindern will.

Am absurdesten ist aber das Bild, das die Regierungskoalition abgibt. Die koaliert an diesem Punkt nicht, sie sabotiert sich. Es nützt offenbar nichts, wenn sich der Koalitionsausschuss einigt, denn der Innenminister der CDU ignoriert das einfach. Er will den schwarzen Sheriff spielen und im rechten Revier nach Beifall angeln.

In einem Revier, in dem es nicht um Vernunft geht und nicht um unsere Betriebe, nicht um Integration und nicht um die, die sich dafür einsetzen.

Dort geht es nur darum, dass man jeden außer Landes schafft, bei dem das irgend möglich ist. Irgendein Stammtisch wird schon applaudieren.

Und der grüne Ministerpräsident und die scheinbar stärkste Fraktion in diesem Landtag? Sie lassen diesen Minister gewähren. Es wird geflucht und geschimpft, man beteiligt sich an Protesten gegen Abschiebungen und droht nun sogar, die Änderung des Polizeigesetzes zu blockieren.

Das alles sind Mittel der Opposition, aber doch nicht die der aktuell führenden Regierungspartei dieses Landes!

Ich kann die Grünen hier nicht aus der Verantwortung entlassen. Eine Landesregierung kann kein anarchisches Nebeneinander von Parteien sein, in denen jeder sein Ministerium wie einen kleinen Freistaat regiert.

In der Landesverfassung steht klipp und klar, dass der Ministerpräsident die Richtlinien der Politik bestimmt. Von einer Ausnahme für den Innenminister steht dort nichts.

Es gibt Menschen in diesem Land, die halten diesen Wahnsinn für Methode. Sage A und lasse gleichzeitig B zu. Halte Sonntagsreden über Abschiebestopps, protestiere hier und sei betroffen dort, wasche Deine Hände in Unschuld, aber unternimm nichts.

So sagen sie auch, sie akzeptierten keine Abschiebungen aus Kitas und Schulen. Ein schönes Lippenbekenntnis, aber genau diese Abschiebungen finden statt im Land!

So ist man gleichzeitig links und konservativ, macht auf liberal und Law and Order, weil die Grünen gleichzeitig für alles stehen wollen, ohne für irgendetwas auch EINSTEHEN zu müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

so kann es nicht weitergehen, und erst Recht nicht in dieser Sache. Und so muss es auch nicht weitergehen. Der Innenminister wird nachher wieder erklären, es gäbe für ihn keinen Ermessenspielraum, er könne leider rein gar nichts tun und schuld wird wieder mal die Bundesregierung sein, in der seine Partei genau das verhindert, was das Land angeblich im Bundesrat erreichen will.

Nun ist Baden-Württemberg zwar das allerschönste, aber eben nicht das einzige Bundesland. In anderen Ländern, und längst nicht nur in Nordrhein-Westfalen, hat man sich auf klare Linien geeinigt und nützt für einen Abschiebstopp für Geflüchtete in Arbeit genau jene Ermessensspielräume, die es laut Innenminister Strobl gar nicht gibt.

Mir ist nicht bekannt, dass in diesen Ländern die Bundespolizei einmarschiert wäre.

Und es geht ja noch weiter: Das Innenministerium ignoriert nicht nur die Vereinbarungen in der Koalition, sondern setzt sich auch immer häufiger über den Rat der Härtefallkommission hinweg. Deren Votum wurde früher fast immer respektiert, nun hat man den Eindruck, es darf nichts mehr dem Ziel im Weg stehen, um jeden Preis höhere Abschiebungszahlen zu erreichen. Er schiebe mit „Herz und Härte“ ab, sagt der Innenminister. Ja richtig, vom Hirn war leider keine Rede.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Menschen, die in unser Land gekommen sind, sich hier vorbildlich integriert haben und hier Arbeiten, dürfen wir nicht abschieben. Denn unabhängig von ihrem Bleiberecht als Flüchtlinge haben sie ein Bleiberecht durch ihre Arbeit erworben. Sie haben bewiesen, dass unsere Firmen und Handwerksbetriebe sie brauchen und teils sogar ganz dringend benötigen.

Sie sind in der Summe nur ein kleiner Beitrag gegen den Fachkräftemangel, aber dort, wo sie gebraucht werden, sind sie eben ein ganz entscheidender Beitrag.

Wir Sozialdemokraten wollen einen handelnden Staat, und so wollen wir jetzt auch nicht nur unsere Hände in Unschuld waschen und es bei dieser Ansage belassen.

Wir wollen, dass die Landesregierung im Bundesrat auf eine Regelung dringt, die Geflüchteten in Arbeit gerecht wird und unnötige Härten vermeidet.

Und wir fordern die Landesregierung auf, bis zu dieser Regelung nicht frontal gegen den Geist ihrer eigenen Initiative zu arbeiten, sondern alle Ermessensspielräume nutzen, die es gibt und die man nutzen kann, damit Menschen in Arbeit, in der Schule oder in Kitas nicht abgeschoben werden müssen.

Und wenn all diejenigen, die behaupten, das auch zu wollen, das wirklich so meinen, dann können wir darüber auch abstimmen. Dann hätten wir eine klare Leitlinie, dann hätten wir ein klares Signal, dann würden wir dafür sorgen, dass in diesem Land nicht A gesagt und B gemacht wird.

Für manchen wird das eine Zumutung sein. Aber für alle, die es ernst meinen, sollte es selbstverständlich sein.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Melbeck Fraktion
Malin Melbeck
Parlamentarische Beraterin für politische Planung und Strategie, Parlamentsrecht, Stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin