Redemanuskript Nicolas Fink
Aktuelle Debatte Unterstellers Windatlas – müssen Anwohner, Vögel und Insekten weiter unter grün-schwarzer Ideologiepolitik leiden?

am 5. Juni 2019

Die Windkraft ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Die SPD steht zur Energiewende und deshalb stehen wir auch zur Windkraft.

Heute wird der Windatlas zum Anlass einer aktuellen Debatte genommen. Wir brauchen allerdings weniger Atlanten und weniger Debatten; wir brauchen mehr Handeln, und genau das vermissen wir bei unserer Landesregierung, werte Kolleginnen und Kollegen. Wir fragen deshalb: Wie kann die grün-schwarze Regierung hier die Prozesse besser steuern, damit der Verwaltungsaufwand für Windkraftgenehmigungen im Land nicht immer höher und die Anlagen immer teurer werden? Wenn man sich fragt, warum der Ausbau nicht vorankommt, dann wird man aber ehrlicherweise feststellen, dass dies auch daran liegt, dass die konkrete Umsetzung vor Ort nicht immer einfach ist. Als ehemaliger Bürgermeister einer Schurwaldgemeinde ist mir sehr bewusst, dass kein Rathauschef sich freut, wenn direkt an der Gemarkungsgrenze Windkraftanlagen gebaut werden. Auch Anwohner werden selten spontane Jubelfeiern veranstalten.

Denn leider trifft auf die Windkraftanlagen ein Phänomen zu, dass wir von anderen Infrastrukturdebatten kennen: Abstrakt ist jeder dafür, aber sobald einzelne direkt betroffen sind, rückt das Allgemeininteresse sofort zurück und das Einzelinteresse wird mit aller Massivität verfolgt. So möchte jeder ein voll ausgebautes Handynetz, aber die Funkmasten sollen bitte möglichst weit entfernt stehen. Der Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohle wird ausdrücklich begrüßt, aber sobald ein Windrad auch nur im Blickfeld auftaucht, spielt das keine Rolle mehr. Diese Denk- und Handlungsweise lässt sich noch an vielen weiteren Beispielen aufzeigen.

Und hier kommen wir als politisch Verantwortliche ins Spiel. Unsere Aufgabe ist der Dialog mit den Menschen, unsere Aufgabe ist die Diskussion vor Ort und unsere Aufgabe ist die Überzeugungsarbeit zum Wohl der Allgemeinheit. Die heutige aktuelle Debatte hat aber ein anderes Ziel: Heute sollen wieder einmal Ängste geschürt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist unseriös und unredlich in höchstem Maße!

Dass die Antragsteller ihren Antrag selbst nicht ernst nehmen, lässt sich sehr leicht aufzeigen, werte Kolleginnen und Kollegen. Sinngemäß wird die Frage aufgeworfen, ob Anwohner, Vögel und Insekten unter der Windenergie leiden. Und tatsächlich: Durch Windkraftanlagen kommen jährlich ca. 100 Vögel um.

Dem stehen aber 15 Millionen Vögel gegenüber, die allein an Glasscheiben sterben. Wenn ich dann noch berücksichtige, dass Haushaltsunfälle beim Fensterputzen jährlich bis zu 9.000 Menschen das Leben kosten, dann müssten sie eigentlich kein Burkaverbot, sondern ein Fensterverbot fordern.

Dann schauen wir mal noch auf das angebliche Leid der Insekten: Eine Studie vermittelte kürzlich den Eindruck, die Windräder würden das Insektensterben befeuern, weil zahllose Fliegen und Mücken in 80 bis 200 m Höhe gegen die Rotorblätter knallen. Im Übrigen sagen die Autoren der Studie selbst, dass es noch viel zu forschen gilt und dass sie nicht quantifizieren können, welchen Anteil am Insektenrückgang die Windkraft hat. Diese Studie hat es somit ebenfalls versäumt, ihre Zahlen in eine Relation zu setzen: Wie viele Insekten zerschellen z.B. an den Kühlergrillen und Windschutzscheiben unserer 50 Mio. Fahrzeuge. Leider ist das Leid für Menschen, dass sie in ihrem Antrag beschreiben auch hier viel höher, wenn wir an die zahlreichen täglichen Verkehrsunfälle denken. Dieser Logik folgend werden sie vielleicht demnächst folgende aktuelle Debatte beantragen: Hermanns Straßenatlas – müssen Anwohner, Vögel und Insekten weiter unter grün-schwarzer Verkehrspolitik leiden?

Werte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir zum gefühlt 100ten Mal in diesem Haus (und auch bei zahlreichen unsinnigen Ausschussanträgen) die Windkraftnutzung gegen Angstschürerei verteidigen müssen, so dürfen wir uns nicht entnervt abwenden, denn die Energiewende und der Klimaschutz sind zu wichtig.

Wenn wir irgendwann 100 Prozent des Stroms klimaneutral erzeugen wollen und auch noch Mobilität und Wärme durch Erneuerbare Energie sicherstellen wollen, und das wollen wir, dann werden Wind- und Solarenergie nach heutigem Wissensstand den größten Anteil daran erbringen müssen.

Und das heißt auch, dass wir in Deutschland Solar- und Windenergie noch um ein Mehrfaches ausbauen müssen. Gerade hat der neue Windatlas glücklicherweise zu Tage gefördert, dass es auch im Südwesten Deutschlands noch viele geeignete Standorte gibt. Leider wird das nicht reichen, um den Ausbau wieder voran zu bringen, aber es ist immerhin ein wichtiger Mosaikstein, der vielleicht manchen Investor ermuntert.

Der Ausbau der Windkraft ist durch falsche Vorgaben bei den Ausschreibungen, aber auch durch die eingangs genannten Vorbehalte, in vielen Kommunen und Landkreisen ausgebremst. Leider sitzen Teile der Landesregierung hier ebenfalls im Bremserhäuschen, und haben sich die anfangs erwähnten Einzelinteressen zu Eigen gemacht. Nach dem Motto: Wir sind selbstverständlich für Klimaschutz und Windenergie, aber bitte nicht an diesem Fleck, in diesem Wald, in diesem Land. Das ist ja dann auch die Haltung, wenn es um Klimaschutz im Verkehr geht. Klimaschutz ja, aber bitteschön mit möglichst vielen Autos und Flügen und ohne irgendwelche Kosten oder gar Tempolimits. Da gibt es doch noch viel an Erkenntnis aufzuholen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dabei redet doch momentan alle Welt vom Klimaschutz. Davon, wie wir es möglichst schnell hinbekommen, den Kohleausstieg zu meistern. Davon, unsere Gebäudewärme durch Dämmung, Erneuerbare Energie und Neubau von möglichst energieautarken Häusern klimaneutral zu machen. Und davon, endlich auch unsere Mobilität klimafreundlich umzubauen, mit mehr ÖPNV, Schienenverkehr und neuen Antrieben.

Einige wenige sehen das anders: Populismus statt Wissenschaft, dumpfe Gefühle statt Erkenntnis, sind das Programm.

Dem stellt sich die SPD entschieden entgegen. Wir kämpfen für eine gelingende Energiewende. Wir stehen zur Windkraft und bieten – wie bisher – der Landesregierung unsere Unterstützung hier und in Berlin an, den Windkraftausbau wieder flott zu machen.

Ich kann nur betonen, dass wir einen weiteren Ausbau der Windenergie wollen, und zwar Onshore wie auch auf dem Land. Wir brauchen dafür natürlich auch mehr Fläche für Windenergie. Wir brauchen mehr Windenergie in Baden-Württemberg, und wir brauchen weniger Schaufensteranträge. Wir als SPD wollen eine umweltfreundliche, CO2-freie Stromerzeugung. Unsere Stromerzeugung soll keine strahlenden Müllaltlasten hinterlassen. Unsere Stromerzeugung soll nachhaltig sein, sie soll generationengerecht und sozial gerecht sein. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen. Hier im Landtag und auch vor Ort bei den Menschen.

Herzlichen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Nicolas Fink
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz