Redemanuskript Peter Hofelich
Antrag AfD: Sicherung des Landeshaushalts in der Corona-Krise

am 6. Mai 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die AfD-Fraktion hat mit ihrem als „Vorgezogenen Initiative“ vorgelegten Antrag ein ernstes Thema angesprochen: Wie weit kann unser Landeshaushalt selber die vielfältigen Corona-Abwehr-Lasten tragen? Und müssen wir, um uns Raum für unsere Hilfen an andere zu schaffen oder zu erhalten, nicht eine Haushaltssperre bei uns erlassen?

Einzelne Gemeinden im Lande nutzen diesen Notanker ‚Haushaltssperre‘ ja bereits. Die Liquidität unseres Landeshaushalts legt das jedoch nicht nahe.

Zudem hat der Gesetzgeber Landtag im vor wenigen Wochen beschlossenen ersten und wohl auch im zu erwartenden zweiten Nachtragshaushalt entsprechende Steuerungsmöglichkeiten.

Wird mit dem ernsten Thema aber von der AfD ernsthaft umgegangen?

Da haben wir erhebliche Zweifel. Der Justizvollzug braucht mehr Personal. Die Finanzverwaltung braucht bessere Kontrolle. Das Handwerk braucht mehr Meister. Haushaltssperren dürfen dem Handlungsfähigen nicht die Handlung abschneiden!

(Und) Wären Sie in ihrem eigenen Gedankengebäude wenigstens schlüssig gewesen, dann hätten Sie in ihrem Antrag nicht nur die Besetzung von Stellen des Polizeivollzugsdienstes ausgenommen, sondern Sie hätten sich beispielsweise vielleicht auch dazu durchgerungen, im Sinne der massiv unter Druck stehenden Familien unseres Landes zu beantragen, dass das Land wieder zu einer ordentlichen Drittelfinanzierung der Schulsozialarbeit zurückkehrt.

Aber das ist nicht ihre Welt. Sie wollen halt wie ihre schwindenden Unterstützer ihre eigene kleine Welt pflegen.

Die Auseinandersetzung mit dieser ‚Groll und Schmoll-Welt‘ und der ja nicht erkennbaren finanzpolitischen Vorgehensweise der AfD über eine Haushaltssperre hinaus verlasse ich deshalb jetzt aus Mangel an Substanz und wende mich finanzpolitisch der Regierung zu.

Niemand hat bei der Verabschiedung des Doppel-Haushalts 20/21 an eine 5 Mrd. Euro-Kreditlinie gedacht. Möglich wurde sie übrigens durch die Regelung der Schuldenbremse für Naturkatastrophen und Notsituationen. 1 Mrd. Euro haben wir bislang aufgenommen. Niemand hat dran gedacht, dass aus den gut gefüllten Quellen des Bundeshaushaltes zwischenzeitlich sicher runde 1,4 Mrd. Euro auf Landeskonten überwiesen wurden. Übrigens ohne Subsidiaritätsbedenken des Landes.  Aber mit Olaf Scholz.

Kaum jemand hat daran gedacht, dass die Haushaltsrücklage für Unvorhergesehenes mit den Zuzahlungen dieses Jahres sich auf ca. 1.5 Mrd. Euro aufsummiert und nicht zur ‚grün-schwarzen Kür‘ vor der Landtagswahl, sondern zur parteiübergreifenden Pflicht in der Corona-Krise wird. Und noch nicht viele denken daran, dass die rund 1.8 Mrd. Jahresüberschuss, die von dem für 2019 derzeit festgestellten (kassenmäßigem) Überschuss von 3,7 Mrd. Euro nach Verrechnung der Reste wohl sehr ansehnlich übrigbleiben werden, auch dringend für die Corona-Gegenmaßnahmen gebraucht werden.

Wieviel wir an Rücklagen und Krediten hatten, wieviel wir vom Bund bekamen und wieviel wir bislang ausgegeben haben, und was der Saldo aus alledem ist, bleibt wie immer bei der Regierung Kretschmann etwas im Ungefähren. Tatsache ist, wir haben im März und April deutlich mehr ausgegeben als eingenommen. Wir sind aber liquide. In Milliardenhöhe. Nicht Hannah Arendt, sondern die Steuerzahler, Selbständigen und Arbeitnehmer in den Jahren 2016-2019 haben die Regierung Kretschmann bislang über die Hürden gelupft.

Das Fazit: Die Parlamente und Regierungen in Berlin und in Stuttgart haben bislang vieles richtiggemacht. Austerität war nicht nötig. Mitgefühl und Solidarität schon. Im Kern war es ökonomisch keynesianisches Gegenhalten. ‚Die Pferde zum Saufen bringen‘, würde Karl Schiller sagen.

Was kommt aber jetzt?

Zunächst: wer zurecht für Corona-Gegenmaßen priorisiert, der sollte in seinem Haushalt auch priorisieren. Auch ohne Haushaltssperre. Wir haben als SPD die Aufblähungen im Personalbereich der Leitungsebenen der Ministerien harsch kritisiert. Sie haben einfach weitergemacht.

Herr Ministerpräsident: stoppen Sie endlich die grünen und schwarzen Messdiener-Vermehrungen. Wir können und wollen uns das nicht mehr leisten! Schon gar nicht in diesen Zeiten!

Dann: in den Ministerien und deren nachgeordneten Behörden brauchen wir eine Ausnahmeregelung, wer wem jetzt in der Mehrbelastung hilft, weil er selber freie Kapazität freischaufeln kann. Menschlich nicht leicht. Sachlich leistbar. Die Differenz heißt Verwaltungsführung. Wir sind gespannt auf die diesbezüglichen Fähigkeiten der Regierung Kretschmann.

Dann aber zum Geld: Erläutern sie zur Mai-Steuerschätzung zeitnah ihre Reserven und ihre Liquidität. Setzen Sie Ihren anzunehmenden Jahresüberschuss 2019 in diese Rechnung ein. Und sagen Sie dann, was sie von der 5 Mrd. Euro-Kreditlinie des Landtages über die bereits aufgenommene 1 Mrd. noch mutmaßlich benötigen. (Nur) Dann besteht für das Parlament und das Volk von Baden-Württemberg Klarheit. Dafür brauchen wir keine Haushaltssperre, sondern Transparenz und strukturiertes Vorgehen. Zur Strategie gehört aber noch – neben Transparenz und Struktur – eine zweite Komponente: Das wertegeleitete Vorgehen. Der Mensch ist nicht reduzierte Gattung, sondern ein in seiner Umwelt verankertes soziales Wesen.

Deshalb sehen wir schon genau hin, was Bundeskanzlerin und Ministerpräsident als Leitschnur ihres Handelns ansehen. Der Mensch ist ein soziales Wesen … Die sozialen Orte unserer Heimat sind die Städte und Gemeinden. Ihre Funktionsfähigkeit muss unter allen Umständen Gesichert werden.

Die kommunale Ebene ist in der Verfassung in Bezug zur Landesebene gesetzt. Wir fordern Herrn MP Kretschmann und Frau Finanzministerin Sitzmann nachdrücklich auf, neben der zweiten 100 Mio. Soforthilfe-Tranche jetzt ohne Taktik in die Gespräche über einen kommunalen Rettungsschirm einzusteigen. Den Kommunen brennt der Kittel! Die sozialen Orte unserer Heimat sind die Vereine.

Wer an Sonntagen Baden-Württemberg als deutschen Meister im Ehrenamt ausruft, sollte sich an den Werktagen mehr zur Stützung der Vereine und der vielen Angebote überlegen, die wir zivilgesellschaftlich nennen. Wo ist der Öffnungs-Plan? Wo die Unterstützung?

Die sozialen Orte unserer Heimat sind die Wirtshäuser. Hier begegnen sich unterschiedliche soziale Schichten und Altersgruppen. Bei einem Drittel ist das Risiko hoch, nicht mehr die Türen öffnen zu können. Kommt das 328 Mio. Euro Programm von Minister Wolf oder scheitert es an grüner Lustlosigkeit? Wissen wir eigentlich, was nicht nur an monetärem Umsatz, sondern auch an sozialem Gut hier zur Entscheidung steht?

Ein letzter Gedanke zur Strategie: öffentliche Investitionen werden noch wichtiger werden. Gut, wenn wir in diesen Zeiten helfen. Konsumtiv vor allem. Aber zum Aufschwung gehört Investition. Natürlich privat. Mit Anreizen. Aber eben auch öffentlich. Zwei Drittel davon übrigens kommunal. Die Zukunft unseres Landes liegt in technischen, organisatorischen, sozialen und ökologischen Investitionen und Innovationen. Das wird nach angemessener Zeit wieder Geld in die öffentliche Kasse spülen. Dazwischen wird es nicht einfach werden, Aber es muss nicht Not in den öffentlichen Kassen herrschen, freilich aber Disziplin.

Deshalb: In Abstimmung mit den Bundesprogrammen braucht das Land eine Strategie, was es aus eigener Kraft jetzt bewerkstelligen will. Und was der Plan dieser Regierung ist. Keine Haushaltssperre, sondern eine Haushaltsstrategie!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Max Yilmazel
Berater für Finanzpolitik, Europa und Internationales