Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die heutige Debatte zum Haushalt des Staatsministeriums findet in einer Situation statt, in der wir als Land, als Gesellschaft, als Politik in einem Ausmaß gefordert sind, wie es wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war. Und ja, wir haben aktuell Krisen zu überstehen, die uns alle herausfordern. Sei es die Corona-Pandemie oder die Energiepreiskrise, ausgelöst durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine. Und dennoch reicht es nicht, sich in Krisen-Rhetorik zu verlieren und nur, bildlich gesprochen, mit angezogener Handbremse zu fahren.

Denn bei allen Krisen, die uns schnell zu entschiedenem politischen Handeln zwingen, bleiben Themen wie die Bewältigung der Klimakrise und damit einhergehend die Dekarbonisierung unserer gesamten Wirtschaft auf der Tagesordnung. Begleitet von einem zunehmenden Fachkräftemangel, ausgelöst durch den demographischen Wandel.

Und angesichts der Dimension dieser Herausforderungen müssen wir feststellen, dass ihre Politik, die Politik der grün-schwarzen Landesregierung, dieser Notwendigkeit zu handeln bei weitem nicht gerecht wird. Aber gönnen wir uns doch einen Blick zurück. Denn bekanntlich, so hat dies bereits Kurt Schumacher erläutert, beginnt die Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit.

Wo steht Baden-Württemberg in zentralen Politikfeldern, die für die Transformation und damit ein auch in der Zukunft starkes Baden-Württemberg so wichtig sind? Wie steht es zum Beispiel um die Energiewende und um die Frage, wie wir unser Land und unsere Wirtschaft mit nachhaltiger Energie versorgen?

Herr Ministerpräsident, Sie sind im zwölften Jahr im Amt, als erster und nach wie vor einziger grüner Regierungschef in ganz Deutschland. In nun bald 12 Jahren unter ihrer Führung haben Sie Baden-Württemberg bei zentralen grünen Zielen auf folgende Positionen gebracht:

Weniger Windkraftanlagen als In Baden-Württemberg gibt es nur im Saarland und in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, bei der erneuerbaren Energie insgesamt liegt unser Land auf Platz neun von 16 Ländern.

Nur 0,2 Prozent der Landesfläche sind für Windkraft vorgesehen, das ist der letzte Platz unter ALLEN Ländern.

Der Aufwuchs bei der Windkraft war zuletzt nahezu Null, bei der Photovoltaik schaffen wir es auch nicht in die Top Ten. Und das alles gilt im Vergleich zu anderen Bundesländern, die die gleichen Rahmenvorgaben haben. Die es aber offensichtlich deutlich besser machen.

Herr Ministerpräsident, niemand unterstellt Ihnen, dass Sie keine erneuerbaren Energien wollen.

Aber vom Wollen allein ändert sich nichts. Zum Wollen muss das Machen kommen! Wir brauchen eine Politik, die wirkt!
Wie sieht es in einem weiteren zentralen Feld der Landespolitik, der Bildungspolitik aus?

Auch hierzu einige Fakten: Beim Schüler-Lehrer-Verhältnis lagen unsere Grundschulen im Jahr 2020 auf dem letzten Platz unter allen Ländern. Bei den Ganztagsgrundschulen liegt Baden-Württemberg auf dem drittletzten Platz. Und dann erschrecken Sie beim letzten IQB-Test über den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler? Ernsthaft??

Das ist die Bilanz von zwölf Jahren Winfried Kretschmann. Und warum ist das so? Wir alle haben doch Ihren bildungspolitischen Leitsatz im Ohr „Mehr vom gleichen hilft nicht“. Und sie meinen damit nichts Anderes als Lehrkräfte. Wann waren Sie das letzte Mal an unseren Schulen? Der Unterrichtsausfall ist so hoch wie noch nie, die Schulen können in Teilen nur noch Notbetreuung organisieren.

Sieht so eine qualitätsvolle und gerechte Bildungspolitik aus? Das ist mit Verlaub, Herr Ministerpräsident, eine Bankrotterklärung!

Oder kommen wir zu einem weiteren Lieblingsthema Ihrer Partei. Ich meine Die Grünen, Herr Kretschmann. Von der Verkehrswende reden Sie seit über elf Jahren, aber wir haben mehr Staus denn je, die Züge sind keinen Deut besser als anderswo und an den Zuschüssen für neue Busse und Bahnen haben Sie zuletzt eifrig gekürzt.

Und ich könnte in jedem beliebigen Politikfeld so weitermachen. Anspruch und Wirklichkeit, Versprochenes und tatsächlich Umgesetztes sind Lichtjahre voneinander entfernt.

Denn inzwischen gilt bei Ihnen die zauberhafte Kretschmann-Formel. Grüne und CDU schaffen eine Koalition, in der sich die Grünen alles wünschen dürfen. Und die CDU bleibt völlig entspannt, weil sie genau weiß, dass es beim Wollen und Wünschen bleibt.

Das Ergebnis ist eine geschwätzige Kultur der Absichtserklärungen, denen nichts folgt.

Eine Kultur, die den Stillstand nicht einmal mehr kaschiert, sondern ihn offen zugibt.

Kaum ein Jahr nach Ihrem Koalitionsvertrag sammeln Sie alle wesentlichen Ziele wieder ein. 1000 Windräder werden es sicher nicht, die Klimaziele im Verkehrssektor lassen Sie auch bleiben…

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine Politik die nur WILL, aber nicht WIRKT, ist schlecht für unser Land.

In der jetzigen Lage aber ist das fatal.

Denn es ist so notwendig wie nie, dass Politik wirkt.

In dieser Regierung meinen Sie immer noch, Sie seien aus dem Schneider, wenn Sie ein Problem beschrieben haben.

Aber Sie müssen Probleme nicht nur beschreiben, sondern LÖSEN!

Und damit man sie lösen kann, muss man ihre Dimensionen begreifen. Ich weiß, der Ministerpräsidenten redet nicht gerne über Quantität. Deswegen glaubt er, dass eine einzige Lehrerin an fünf Schulen gleichzeitig unterrichten kann und mehr Lehrkräfte nicht helfen.

Und auch bei der aktuellen Krise verstehen Sie die Dimensionen nicht. Der Kollege Schwarz hat hier kürzlich tief blicken lassen. Er hat gesagt, die Landesregierung liefere in dieser Krise ein „Drei-Wetter-Taft“.

Lieber Kollege Schwarz, da sind wir genau am Problem: Diese Krise ist ein HEFTIGES UNWETTER. Unser Land braucht ein sicheres DACH über dem Kopf. Aber Sie reden über HAARSPRAY!

Und tatsächlich liefern Sie allzu oft nur Kosmetik: Sie stellen fest, dass Ihre Kredite für die Wirtschaft kaum angenommen werden. Was für ein Wunder, Kredite bekommt man als Betrieb bei jeder Bank, und das für einen Bruchteil der Bürokratie.

Das Land ist am Rande seiner Belastbarkeit, sagen Sie. Und sie hoffen, dass sich niemand fragt, warum andere Bundesländer viel mehr tun. Warum Niedersachsen Milliardenhilfen auflegt. Warum Bayern das kann.

Warum das Saarland einen Transformationsfonds für die Wirtschaft einrichtet mit drei Milliarden Euro.

Hier im Land wird es die Automobilindustrie durchschütteln wie noch nie. Haben wir Transformationsfonds? Nein, bei uns muss ein Strategiedialog reichen, ein Gesprächskreis beim Ministerpräsidenten.

Sie beklagen, der Länderanteil an den Entlastungspaketen des Bundes bringe Baden-Württemberg an seine Grenzen. Dabei nehmen Sie den zusätzlichen Aufwand doch schon über die zusätzlichen Steuern ein! Und davon, dass Sie auf Milliarden an Rücklagen sitzen, reden Sie lieber gar nicht.

Seit dem Frühjahr fällt Ihnen alle drei Stunden eine zusätzliche, unerwartete Million vor die Füße. Tag und Nacht, immerzu. Aber Sie erzählen weiter von der armen Landesregierung, die so viel Gutes will und leider gar nichts machen kann. Das ist das Credo, das Grün und Schwarz zusammenhält wie die luftleer gepumpten Magdeburger Halbkugeln.

Aber am Ende der Krise gewinnt nicht das Land, das noch am meisten Geld in der Kiste hat. Sondern es gewinnt das Land, dessen Wirtschaft nicht in der Kiste liegt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zwei Dinge sollten alle in diesem Land verstehen.

Erstens: ES IST GENUG GELD DA. Und man muss nicht bei jeder nötigen Hilfe immer sofort von Verschuldung faseln. Das ist kein Kassenstand, sondern ein Alibi, um nicht Regieren zu müssen.

Zweitens: In einer Krise braucht es mehr als Überschriften. Hilfe, die wirkt, hat IMMER mit den richtigen Dimensionen zu tun. Feuer ist Feuer, aber eine brennende Kerze können Sie auspusten und ein brennendes Haus eben nicht! Und Sie Pusten eben nur, anstatt zu löschen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir von der SPD fordern ein Entlastungspaket des Landes in Höhe von zusätzlichen rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Dieses Geld HAT das Land, es ist NÖTIG es auszugeben.

Wir reden in diesem Entlastungspaket von dringenden Soforthilfen für Unternehmen in Höhe von 175 Millionen Euro, wir reden von 150 Millionen Euro für einen Härtefallfonds, wir reden von kostenlosem Mensaessen und von einer Aussetzung der Kitagebühren. Wir reden von Schutzschirmen für soziale Einrichtungen und für Hilfen für Sporthallen. Und wir reden von massiven Hilfen, um die Kommunen bei der Aufnahme Geflüchteter zu unterstützen.

Dieses Paket umfasst aber auch Investitionen. Und ja, auch das haben Sie in der Regierung noch nicht begriffen: Dass wir in einer Krise stecken heißt nicht, dass Sie nicht investieren können.

Es heißt, dass Sie investieren MÜSSEN!

Dazu raten Ihnen Experten, dazu raten Wirtschaftsverbände und die Kommunen. Das fordert auch die Parteispitze der Grünen im Land, das fordert auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Und ganz nebenbei: WIR fordern das auch.

Und deswegen gibt es viele Investitionen in diesem Paket: In Krankenhäuser und Pflege, in Schulen und berufliche Ausbildung, aber auch die Förderung erneuerbarer Energie und den Ausbau cleverer Netze.

Wir fordern Geld für eine Mobilitätsgarantie und ein Solidarticket und noch viele andere notwendige und richtige Hilfen.

Für den Schutz des Klimas, die wirtschaftliche Transformation, die Aus- und Weiterbildung. Für die Verkehrswende. Gegen die Wohnungsnot.

Und noch einmal: Diese Themen haben Grüne und Schwarze eben NICHT abgehakt. Denn wenn Sie über all diese Themen reden, aber nicht über Milliarden reden, dann wird ihre Politik nicht wirken. So wenig, wie Ihre Politik bei der Energiewende gewirkt hat.

Kommen Sie uns nicht wieder mit ein paar Millionen!

Kommen Sie nicht wieder mit Haarspray!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir stehen vor Herausforderungen, wie sie unser Land seit seiner Gründung noch nicht erlebt hat. Und wer auch immer in diesen Zeiten Politik macht, muss das verstehen.

Die Zeiten, in denen in Baden-Württemberg alles von alleine lief und man nur würdig aus der S-Klasse winken musste: diese Zeiten sind vorbei!

Ich kann Ihnen in der Landesregierung wirklich nur dringend raten, Ihre Strategie zu wechseln. Es wird nicht genügen, weiterhin nur zu Jammern und auf den Bund zu schimpfen.

Und wer in dieser Krise noch agiert wie ein Eichhörnchen, wer tickt wie ein Sparschwein, wer immer noch glaubt, dies renke sich alles auch ohne Staat ein – der hat die Lage nicht begriffen.

Herr Ministerpräsident, vor zehn Jahren haben Sie noch der „taz“ Interviews gegeben.

Damals haben Sie gesagt, dass Sie nicht in die Politik gegangen sind, um Ämter anzustreben, sondern um die Welt zu verändern.

Sollte noch irgendetwas von diesem Winfried Kretschmann übrig sein, dann biete ich Ihnen heute ein weiteres Mal an, dass wir in dieser Krise zusammenstehen.

Und dass wir aber auch zusammen ANPACKEN. Dass wir den Menschen in diesem Land HELFEN, wo es nötig ist.

Dass wir unsere Wirtschaft durch diese Krise bringen. Dass wir Pleiten verhindern und Arbeitsplätze sichern.

Und dass wir INVESTIEREN. In den Klimaschutz. In die Verkehrswende. In die Bildung. In bezahlbaren Wohnraum.

Dass wir in unsere ZUKUNFT investieren!

Herr Ministerpräsident, wir sollen in dieser Debatte über den Haushalt Ihres Staatsministeriums reden. Ich kann Ihnen nur sagen:

Kratzen Sie ein paar Euro zusammen für Kaffee und Butterbrezeln und laden Sie die demokratischen Fraktionen ein, damit wir gemeinsam handeln für unser Land.

Damit wir endlich vom WOLLEN zum WIRKEN kommen.

Jetzt ist es nötiger denn je!

Vielen Dank