Ute Vogt: „Die Augen-zu-und-durch-Mentalität verstärkt den Eindruck, dass die CDU zu einer echten Klärung ihres Geschichtsbildes nicht bereit ist“

Die CDU im Landtag ist offenkundig nicht bereit, im Plenum ernsthaft über Ursachen und Folgen von Oettingers Filbinger-Rede zu debattieren. Ein Antrag der SPD, die vorgesehene Redezeit von zehn Minuten je Fraktion mindestens zu verdoppeln, wurde von der Regierungsmehrheit im Landtagspräsidium am gestrigen Abend „schlicht abgebügelt“, so die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt. Dieses Verhalten stehe im Widerspruch zur bisherigen Praxis im Präsidium, wonach entsprechenden Anträgen stets im Konsens aller Fraktionen zugestimmt worden sei.

Vogt zieht daraus den Schluss, dass die CDU eine ehrliche und unvoreingenommene Diskussion über die geschichtsverfälschende Trauerrede Oettingers und die daraus zu ziehenden Konsequenzen offenkundig nicht wünscht.

In der CDU mache sich nach der erst auf äußeren Druck erfolgten Distanzierung Oettingers nun eine „Augen-zu-und-durch-Mentalität“ breit, zu einer echten Aufarbeitung der skandalösen Rede fehle offenkundig die moralische Kraft und die politische Substanz. So habe sich bisher auch noch kein einziges der CDU-Regierungsmitglieder, die zuvor Oettingers Trauerrede öffentlich gerechtfertigt hatten, davon öffentlich wieder distanziert. Lediglich Staatssekretär Fleischer habe sich zu Wort gemeldet – und die unhaltbare Geschichtsklitterung des Ministerpräsidenten selbst jetzt noch verteidigt, so Vogt.

Die öffentlich geäußerten Durchhalteparolen von CDU-Politikern zeigten, dass sie an einer Klärung ihres Geschichtsbildes gar nicht interessiert sind. Statt sich der notwendigen Debatte im Landtag in einem angemessenen zeitlichen Rahmen zu stellen, werde die Auseinandersetzung im Plenum abgewürgt. Zu mehr als geschäftsordnungsmäßiger Behandlung des Themas sei die CDU nicht bereit.

Vogt: „Das Eis ist brüchig, auf dem sich die CDU nach der erzwungenen Distanzierung Oettingers bewegt. Solange aber die historischen Fakten über die Nazi-Zeit nicht vorbehaltlos anerkannt werden und als Maßstab für das Handeln und Reden heute uneingeschränkt Geltung besitzen, solange sind Trauerreden, wie sie Oettinger auf Filbinger gehalten hat, jederzeit wieder möglich. Das ist das eigentlich Bedrückende an der jetzigen Situation.“

Helmut Zorell
Pressesprecher