Redemanuskript Daniel Born
Zweite Beratung Gesetzentwurf Änderung der Landesbauordnung

am 17. Juni 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Baden-Württemberg braucht eine Wohnraumoffensive. Die Mieten im Land galoppieren, Wohnungssuche ist für Familien, Senioren, Studierende und Geringverdiener von Verzweiflung und Niederlagen geprägt. Menschen wohnen sich förmlich arm – und Städte und Viertel verlieren ihre durchmischten Wohnstrukturen. Unsere Wohnraumoffensive muss ehrgeizig und nachhaltig sein. Sie muss bezahlbares, barrierefreies, vernetztes und durchmischtes Wohnen schaffen. Sie muss einen Beitrag zu moderner Mobilität, Klimaneutralität, innovativen Wohnkonzepten und Verwendung nachwachsender Baustoffe leisten. Und ja: hier spielt das Bauordnungsrecht nicht die zentrale aber auch eine Rolle.

Die Verbände in der Wohnraumallianz haben das erkannt und gearbeitet: nach 136 Tagen haben sie ihre Vorschläge zur Überarbeitung der Reform vorgelegt. Der Landtag hat für seine Beratungen bis heute 57 Tage gebracht. Zwischen den 136 Tagen bei der Wohnraumallianz und den 57 Tagen im Parlament lagen 894 Tage. Nennen wir diese 894 Tage die Hoffmeister-Kraut-Phase der Reformbemühungen. In dieser Zeit wurden Ankündigungen gemacht und zurückgenommen, Daten gerissen, Zielmarken verfehlt. Im Oktober merkt die Ministerin, dass nicht mehr Januar ist, 2019 merkt sie, dass nicht mehr 2018 ist. Und irgendwann merkt sie wohl auch, dass ihr das Verfahren vom Staatsministerium aus der Hand genommen wurde.

Faktisch hat sie es geschafft, die Reform einer LBO für den die Vorschläge vorlagen und sie sich sogar am Koalitionsvertrag bedienen konnte, zur größten Schlafbaustelle der Republik zu machen. Aber was wirklich eine besondere Leistung ist: die Ministerin schläft 894 Tage und wenn sie dann aufwacht, sagen alle, hätte sie doch nur weiter geschlafen.

Ich zitiere die Kommunalen aus der öffentlichen Anhörung: die sagen zu Ihrem Regierungsentwurf keine Beschleunigung, Erschwernis bürgernaher Verwaltung, Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Die Architektenkammer sprach von „Verfahrenszwang auf Kosten der Rechtssicherheit“. Nach 894 Tagen sieht es so aus: sie hatten ein ehrgeiziges Projekt zur Digitalisierung. Das hat Ihnen Ihre Grün-Schwarze-Regierungsmehrheit gestrichen. Sie wollten die kleineren Kommunen bei der Baugenehmigung an den Katzentisch setzen. Das haben wir Ihnen richtigerweise parteiübergreifend nicht durchgehen lassen. Und dann bleibt von Ihrem ganzen Reformvorschlag nur, dass sie den bauwilligen Bürgerinnen und Bürgern ein Genehmigungsverfahren wegnehmen und sie sie in ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren zwingen auch wenn sie die Rechtsicherheit des vollen Genehmigungsverfahrens suchen. Das ist ihr Ergebnis.

Bei der Innenentwicklung haben Sie die Chance vertan, rascher die Genehmigung für nicht mehr genutzte Ställe innerhalb von Gemeinden und Städten zu widerrufen, wenn diese den Wohnungsbau behindern. Wir haben vorgeschlagen, schon nach zwei Jahren der Nichtnutzung Maßnahmen ergreifen zu können, um leer stehende Ställe beseitigen zu können. Grün-Schwarz hat jedoch entschieden, dass diese bis zu zehn Jahre lang ungenutzt bleiben können. Das ist entschieden zu lang, unterstützt nur die Spekulation und verhindert den Wohnungsbau in vielen Kommunen.

Und weil wir nachwachsende Baustoffe nutzen müssen – und Baden-Württemberg hat hier unter Grün/Rot viel erreicht – werden wir mit Argusaugen darauf achten, ob sie in den Ausführungsbestimmungen das entsprechende Schutzniveau bzgl. Feuerbeständigkeit, Standfestigkeit aber auch Raudichte halten. Wenn Sie hier mit Murks die gesellschaftliche Mehrheit für Holzbau verzocken, wäre das die nächste durch Sie verpasste Chance.

Man merkt an diesen verpassten Chancen, Ihnen fehlt der Kompass um an der Seite derer zu stehen, die für eine Wohnraumoffensive im Land sorgen. Aber besonders bitter ist: Ihnen fehlt der Kompass um an der Seite derer zu stehen, die die Wohnungen brauchen.

Es ist gut, dass wir als Landtag dafür sorgen, dass entgegen dem Regierungsentwurf künftig ein einzelnes Geschäft in einem Gebäude nicht mehr dafür sorgt, dass keine Barrierefreiheit umgesetzt werden muss. Auch hier fehlte der Ministerin der Kompass. Wir korrigieren das heute im Landtag, denn mehr Barrierefreiheit in Bestand und Neubau ist entscheidend für ein Wohnen für alle. Aber dass Sie heute ernsthaft dafür stimmen, das künftig bei allen Aufstockungen generell keine Barrierefreiheit mehr umzusetzen ist, ist ein schwerer Fehler, den das ganze Land ausbaden muss. Was für ein Widerspruch: Aufstockungen sind die Chance um Quartiere zu beleben, den Flächenverbrauch einzudämmen, Mobilitätsknoten zu entwickeln und Urbanität zu schaffen. Und Sie schreiben hier heute in das Gesetz, dass die Menschen, die auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen sind, davon nicht profitieren sollen.

Und so machen Sie es auch bei den Radabstellplätzen: Fahrradfahrer mit Einschränkungen, Nutzer von Rollatoren oder Familien mit Kinderwagen werden von Grün-Schwarz aufs Abstellgleis geschoben. Denn künftig muss der Zugang zu Fahrradabstellplätzen nicht mehr ebenerdig bzw. durch Rampen oder durch Aufzüge möglich sein.

894 Tage hat die Ministerin über der LBO geschlummert. Herausgekommen ist ein Alptraum für die Menschen, die dieses Land jeden Tag ein bisschen besser machen wollen, die Teilhabe für alle schaffen wollen, die bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen wollen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Daniel Born
Stellvertretender Landtagspräsident

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus