MdL Norbert Zeller: „Wir brauchen dringend einen Kurswechsel in der Bildungspolitik: weg vom Aussortieren, hin zur individuellen Förderung“

Auch fünf Jahre nach den alarmierenden Ergebnissen der ersten PISA-Studie stehen in Baden-Württemberg die entscheidenden Reformen nach Ansicht der SPD noch immer aus. Aus ideologischen Gründen weigere sich die Landesregierung, die Konsequenzen aus der Studie zu ziehen und in politisches Handeln umzusetzen, kritisiert der Vorsitzende des Schulausschusses im Landtag, der SPD-Abgeordnete Norbert Zeller. Die Landesregierung sperre sich noch immer gegen die Erkenntnis, dass Kinder mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit in gemeinsamen Lerngruppen am erfolgreichsten unterrichtet werden können. Die SPD-Landtagsfraktion fordere deshalb mit Nachdruck längere gemeinsame Lernzeiten und die Einführung echter Ganztagsschulen an allen Schularten.

Die Verlierer der CDU/FDP-Bildungspolitik in Baden-Württemberg seien insbesondere Kinder aus sozial schwachen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund, die überproportional häufig auf Haupt- und Förderschulen verwiesen würden. „Ministerpräsident Oettinger und Kultusminister Rau verkennen, dass (fast) niemand mehr freiwillig die Hauptschule besuchen will“, kritisierte Zeller. Die Schülerzahlen gingen in dieser Schulart dramatisch zurück.

Die Ergebnisse der PISA-Studie hätten deutlich gemacht, dass Bildungschancen in Baden-Württemberg wie in fast keinem anderen Bundesland von der sozialen Herkunft abhängen. Dies sei ein „bildungspolitischer Offenbarungseid“, den sich das Land schon aus ökonomischen Gründen nicht mehr leisten könne, so Zeller. Oberstes Ziel aller bildungspolitischen Maßnahmen müsse deshalb sein, allen jungen Menschen gleiche Bildungschancen zu gewähren.

Zeller forderte ein radikales Umdenken in der Organisation der Schulen als Grundbedingung für eine bessere Förderung jedes einzelnen Schülers. „Das derzeitige gegliederte Schulwesen behindert die neue Form schulischen Unterrichtens und Förderns. In diesem System dominiert das Ausleseprinzip, anstatt Kinder und Jugendliche besser individuell zu fördern.“ Kein geringerer als „Mister PISA“, Jürgen Baumert, habe erst kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel (3. November 2006) diesen Zusammenhang von Schulstruktur und Lernbedingungen erneut betont.

Auch im wichtigen Bereich der Ganztagsschule habe die Landesregierung lange Zeit blockiert und sei erst durch das IZBB-Bildungsprogramm der Regierung Schröder („Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung“) zur „Einsicht“ gezwungen, wirft Zeller CDU und FPD vor. „Echte Ganztagsschulen mit Präsenzzeiten für Lehrkräfte auch am Nachmittag schaffen bessere Lernbedingungen für leistungsschwache und für leistungsstarke Schüler.“ Voraussetzung sei allerdings, dass zusätzliches pädagogisches Personal vorhanden sei.

Die Kürzung von Lehrerstellen sei deshalb der falsche Weg und bedeute zudem den Bruch eines zentralen Wahlversprechens der Landesregierung.

Die Infragestellung der Pisa-Ergebnisse durch Kultusminister Rau kann Zeller nicht teilen. Zwar gebe es in kleinerem Rahmen Fehler, was bei einer so gigantischen Operation ganz normal sei. Doch die Grundaussagen von PISA stimmten, auch wenn sie der Landesregierung in Baden-Württemberg nicht genehm seien.

Helmut Zorell
Pressesprecher