Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, leben in einem Rechtsstaat. Einem Rechtsstaat, in dem unabhängige Gerichte und die Staatsanwaltschaften dafür sorgen, dass geltendes Recht durchgesetzt und Rechtsverstöße geahndet werden.

Recht, das für alle gleichermaßen gilt, ohne Ausnahme und ohne Ansehen der Person. Egal um wen es sich handelt, und auch wenn es sich um einen Minister handelt. Und deswegen ist es gut und richtig, dass in diesen Tagen von der Staatsanwaltschaft gegen den Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsident ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Von Menschen bzw. Institutionen, die aus Verantwortung für die Wahrung des Rechts handeln. Aus Verantwortung für die Achtung dieses Rechtsstaats.

Und deswegen ist die entscheidende Frage, über die wir heute diskutieren, ob Sie sich dieser Verantwortung bewusst sind. Und damit meine ich insbesondere Sie, Herr Ministerpräsident!

Und die Fakten in dieser Angelegenheit sind eigentlich doch sehr simpel. Und dabei hilft auch, dass der Beschuldigte vollumfänglich geständig ist. Der Innenminister hat nämlich eingeräumt, im Rahmen eines laufenden Disziplinarverfahrens ein Anwaltsschreiben, das an das Innenministerium als zuständige Behörde gerichtet war, an einen Journalisten weitergegeben bzw. dessen Weitergabe veranlasst zu haben. Und bereits durch dieses Verhalten hat der Innenminister Recht gebrochen. Und um dies festzustellen, muss man auch kein Jurist sein. Da reicht ein ganz normales Rechtsempfinden völlig aus.

Denn im Rahmen eines solchen beamtenrechtlichen Verfahrens gelten im Hinblick auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten auch besondere Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten, und zwar sowohl bezüglich der internen Kommunikation als auch und ganz besonders nach außen.

Und eben diese Pflichten hat der Innenminister durch sein Verhalten verletzt. Er hat die Regeln zur Vertraulichkeit im Rahmen dieses Verfahrens verletzt, er hat aber auch die datenschutzrechtlichen Regeln verletzt und nicht zuletzt auch seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber sämtlichen Verfahrensbeteiligten. Und dabei, Herr Ministerpräsident, ist es für die Rechtswidrigkeit des Handelns ihres Innenministers auch nicht entscheidend, ob er dabei sogar die Grenze zur Strafbarkeit überschritten hat.

Und ich habe, Herr Ministerpräsident, den Eindruck, dass Sie die Schwere der Rechtsverstöße ihres Stellvertreters noch nicht verstanden haben. Wann ist bei ihnen ein Rechtsbruch ein Rechtsbruch? Wenn er offenkundig ist, offenbar nicht. Wenn deswegen ein Ermittlungsverfahren gegen einen amtierenden Minister eingeleitet und durchgeführt wird, offenbar auch noch nicht. Sie kommen offensichtlich auch nicht ins Grübeln, wenn das Innenministerium durchsucht wird und anschließend die Beschlagnahme von Unterlagen verkündet wird. Braucht es erst eine Anklage? Braucht es eine rechtskräftige Verurteilung? Glauben Sie ernsthaft, dass Sie nun wochen- oder gar monatelang auf das laufende Rechtsverfahren hinweisen können und selbst einfach nichts tun können? Ist das Ihre Verantwortung im Hinblick auf die Achtung des Rechtsstaats? Ist das Ihr Verständnis davon, dass Sie der Einhaltung des Rechts verpflichtet sind? Ist Ihre Haltung ernsthaft, dass Rechtsverletzungen oder andere Pflichtverletzungen und fehlerhaftes Handeln nur dann relevant sind, wenn sich Ihre Regierungsmitglieder strafbar gemacht haben?

Und ich möchte die geschilderten und bereits feststehenden Fakten noch ergänzen. Der Innenminister hat nämlich, nachdem er das Schreiben herausgegeben hat, gegenüber der Öffentlichkeit verschleiert, dass das Anwaltsschreiben durch ihn selbst an einen einzelnen Journalisten „durchgestochen“ wurde. Und in der Folge wurden vom Ministerium sogar aktiv die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft behindert, indem die Zustimmungsermächtigung zur Strafverfolgung verweigert wurde. Ein weiterer unfassbarer Vorgang, der neben der rechtlichen Bewertung natürlich auch einer politischen Bewertung offensteht.

Und ich fordere das Innenministerium und Sie, Herr Innenminister, dazu auf, diese Ermächtigung unverzüglich zu erteilen. Diese Ermächtigung dient nämlich lediglich dazu, nicht strafwürdige Fälle auszuschließen. Diese Ermächtigung darf aber nicht als materielles oder formelles Prüfungsrecht des Innenministeriums missbraucht werden, insbesondere wenn sich das Ermittlungsverfahren gegen Personen an der Ministeriumsspitze richtet. Diese käme nämlich einer völligen Aushöhlung dieser rechtlichen Regelung gleich, die willkürlich eingesetzt werden könnte, um jegliches rechtswidrige Verhalten der Ministeriumsspitze straffrei zu stellen. Und dies wiederum wäre ein Bruch des Gewaltenteilungsprinzips. Und daher fordere ich Sie, Herr Ministerpräsident auf, den Innenminister anzuweisen, die Ermächtigung umgehend zu erteilen. Sonst tragen Sie die Verantwortung, dass Staatsanwaltschaft und Gerichte ihre Arbeit nicht machen können.

Wenn Ihnen aber, Herr Kretschmann, die bereits bekannten Fakten und auch die Tatsache eines laufenden Strafverfahrens gegen den Innenminister noch nicht ausreichen, dann vielleicht ja die Äußerungen vieler Menschen in diesem Land, und insbesondere vieler Bediensteter unseres Staates, auch und gerade in der Polizei.

Und ich sage es an dieser Stelle auch sehr deutlich: Wer das Innenministerium leitet, kann sich auf ungeheuer loyale Beamtinnen und Beamte verlassen, die sich mit öffentlicher Kritik außerordentlich zurückhalten.

Was wir nun aber hören, lässt ahnen, wie massiv es im ganzen Land knirscht, wie viel Vertrauen dieser Minister verspielt hat. Ein Innenminister, der jetzt auf die Loyalität seiner Leute hofft, obwohl er selbst nicht loyal zu seinen Leuten war.

Und Sätze aus den Reihen der Beschäftigten, in diesem Fall vom Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Ralf Kusterer, „Wäre Innenminister Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenministerium schon suspendiert“ zeigen doch, wie groß das Unverständnis der Beschäftigten für das Handeln dieses Ministers ist. Aber auch das Unverständnis, dass in dieser Regierung offensichtlich jedes Fehlverhalten möglich ist, ohne dass Konsequenzen gezogen werden.

Und Sie, Herr Ministerpräsident, wollen das alles nicht bewerten? Ihre Beschäftigten sagen es mehr als deutlich, „Wir brauchen uneingeschränktes Vertrauen in die Handlungsweisen unseres Dienstherrn“ und dies ist offensichtlich nicht mehr vorhanden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer in diesem Fall den Begriff der „Unschuldsvermutung“ bemüht, der kann oder will nicht begreifen, was hier vor sich geht.

Wir haben einen Innenminister, der freimütig zugibt, dass ihm Rechtsvorschriften, die dem Interesse aller Verfahrensbeteiligter dienen, nicht so wichtig sind. Rechtsvorschriften, die im Hinblick auf ihren Schutzzweck, gerade auch in einem Disziplinarverfahren die Personen davor schützen sollen, an den Pranger gestellt zu werden. Diese Rechtsvorschriften gelten in einem Rechtsstaat für alle gleichermaßen, denn vor dem Recht sind alle gleich.

Aber geradezu grotesk ist die Einlassung des Innenministers, der seit einer Woche erzählt, er habe durch sein Verhalten größtmögliche Transparenz herstellen wollen. Er scheint also immer noch nicht verstanden zu haben, dass sein Verhalten gegen geltendes Recht verstößt und er macht damit deutlich, dass er in einem vergleichbaren Fall wieder den gleichen Rechtsverstoß begehen würde. Dass also eine ganz reale Wiederholungsgefahr besteht. Und auch das, Herr Ministerpräsident, schreit geradezu nach konsequentem Handeln, nämlich der Entlassung dieses Ministers.

Und auch die Schutzbehauptung in der vom Innenminister erzählten Geschichte, er entscheide quasi selbst, welche Bestandteile der Akte des Disziplinarverfahrens der Geheimhaltung unterliegen, ist völlig abwegig. Damit wird jegliches Vertrauen in die rechtsstaatsgemäße Handlungsweise des Staates und seiner Institutionen ausgehöhlt. Und deswegen hat z.B. auch der Anwaltsverband dieses Verhalten scharf kritisiert.

Aber Ihnen, Herr Ministerpräsident, scheinen all diese abseitigen Einlassungen ihres Innenministers zu genügen. Und so muss für uns und für die Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, als ob die Pflege der grün-schwarzen Chemie in Ihrer Koalition wichtiger ist als die Pflege von Recht und Gesetz.

Geht es Ihnen, Herr Ministerpräsident, um das Wohl dieses Landes, auf das Sie vereidigt wurden? Oder geht es Ihnen nur um Ihr eigenes Wohl und den Fortbestand Ihrer Koalition?

Damit die Beschäftigten des Innenministeriums und unsere Polizistinnen und Polizisten wieder mit vollem Vertrauen zu ihrem obersten Dienstherren arbeiten können, müssen die Vorfälle restlos aufgeklärt werden. Vom Vorwurf der Verletzung von Dienstgeheimnissen bis zum Vorwurf der Behinderung der Staatsanwaltschaft. Die Zuständigkeit für das Disziplinarverfahren gegen den Inspekteur der Polizei muss dabei dem Staatsministerium übertragen werden. Der Datenschutzbeauftragte soll den Vorgang unter datenschutzrechtlichen Aspekten prüfen.

Und die Staatsanwaltschaft Stuttgart muss die Ermächtigung zur Strafverfolgung hinsichtlich des Vorwurfs der Verletzung des Dienstgeheimnisses bekommen und die Möglichkeit haben, alle anderen Vorwürfe zu untersuchen.

Es gilt, sehr viele Fragen zu beantworten. Und eine ganz zentrale Frage stellt sich dabei an den Ministerpräsidenten und auch an die führende Regierungspartei, an die Grünen.

Und ich darf dazu noch einmal einen unpassenden, ja angesichts der Lage schlicht frechen Satz von Thoms Strobl aufgreifen, der da lautete: „Die Opposition muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht.“

Wir von der SPD, Herr Strobl, wir stehen schon mal nicht da, wo Sie stehen. Wir stehen zu Vorschriften, die für alle gelten und an die sich jeder halten muss.

Und wir stehen auf der Seite, auf der es Konsequenzen hat, wenn man Gesetze missachtet. Auf der man solche Konsequenzen zieht, weil man seinen moralischen Kompass nicht verloren hat. Nein, auf dieser Seite stehen SIE nicht.

Uns interessiert deswegen etwas ganz anderes, Herr Ministerpräsident: Wir stehen auf der Seite von Recht und Gesetz.

Wo stehen Sie?

Es gilt das gesprochene Wort.