Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die tragischen Unwetter, die vor allem Nordrhein-Westfalen und unser Nachbarland Rheinland-Pfalz heimgesucht haben, sind eine Katastrophe. Eine Katastrophe, die allein im Westen unserer Republik mehr als 160 Frauen, Männer und Kinder aus dem Leben gerissen hat. Opfer, derer wir auch in diesem Haus gedenken. Und neben all diesen Toten haben die Fluten Tausende Verletzte hinterlassen, Zigtausende, die ohne ein Dach über dem Kopf dastehen, alles verloren haben.
Wir schauen in Ortschaften, die man von Grund auf wiederaufbauen muss. Die Menschen stehen vor vernichteten Existenzen, sie stehen vor Milliardenschäden. Wir müssen etwas tun und es wird viel getan, und ich möchte an dieser Stelle auch Danke sagen für alles, was aus Baden-Württemberg für die betroffenen Menschen getan wird. Ganz ausdrücklich möchte ich all den Helferinnen und Helfern danken, die seitens der Sanitätsdienste, der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks in den Katastrophengebieten im Einsatz sind. Danke Ihnen allen, ich denke, im Namen des ganzen Hauses.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Unwetterkatastrophe lässt nicht nur immenses Leid und immense Schäden zurück, sie wirft auch Fragen auf. Denn die Unwetter hätten auch unser Land überfluten können. Und andere, zum Glück weniger katastrophale Unwetter haben unser Land schon überflutet, mehrfach in den vergangenen Wochen. Die Meteorologen sagen, die nächsten Unwetter könnten schon wieder vor der Türe stehen. Und noch schlimmer: Sie sagen, mit Unwettern dieses Ausmaßes müssen wir künftig rechnen. Das sind ganz, ganz schlechte Wettervorhersagen. Und alle die, die den von Menschen gemachten Klimawandel immer noch herunterspielen oder gar ganz leugnen wollen, sollten spätestens jetzt ganz leise werden. Eine solche Abfolge von Extremwetter ist beispiellos in der Geschichte, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass der Klimawandel für diese Häufung extremer Unwetter sorgt.
Wir können also nur hoffen, dass die Bemühungen des Landes um mehr Klimaschutz sich nicht nur in der Formulierung hehrer Ziele erschöpfen, sondern diese Ziele auch mutig, realistisch und mit den richtigen Prioritäten umsetzt. Alles, was hier richtig und sinnvoll ist, werden wir gerne unterstützen. Aber unsere höchsten Ziele gehen dahin, den Klimawandel zu stoppen, und das wird das Extremwetter nicht zurückdrehen. Neben der Abhilfe beim Weltklima brauchen wir auch Abhilfe vor Ort. So haben wir in betroffenen Gebieten erlebt, wie der durchaus vorhandene Hochwasserschutz nicht mehr ausgereicht hat, um das Schlimmste zu verhindern. Wir haben auch erlebt, dass Infrastruktur zusammenbricht, mit der wir heute wie selbstverständlich rechnen.
Und ich sage klar: Wir KÖNNEN nicht auf jeden erdenklichen Fall vorbereitet sein. Aber wenn aus Jahrhundertfluten jährliche Fluten werden, dann MÜSSEN wir etwas tun.

An erster Stelle muss der Schutz der Menschen stehen.
Wir verfügen in Baden-Württemberg über ein einzigartiges Bevölkerungsschutzsystem, das von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Organisationen getragen wird, von der Feuerwehr, dem THW, vielen Hilfsorganisationen. Dafür dürfen wir unglaublich dankbar sein, und ich schließe in diesen Dank auch den Dank an alle ein, die in den Landratsämtern und Rathäusern entscheiden. Dennoch ist eine weitere Stärkung des Bevölkerungsschutzes erforderlich, gerade auch im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels. Das bedeutet für die Personalplanung, die Materialbeschaffung, die Übungslagen und noch für mehr: Gerda Hasselfeldt, die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, wird da sehr deutlich. Zitat: „Wir brauchen eine Bundesvorhaltung, wie wir sie ähnlich bereits in den Zeiten des Kalten Krieges bis in die 90er-Jahre hinein hatten.“ Wir müssen auch die Selbsthilfe der Bevölkerung stärker ausbauen, eine bessere Aufklärung über Gefahren und Maßnahmen. Es traf dieses Mal gerade in Rheinland-Pfalz Gebiete, die nicht an die üblichen Flusshochwasser gewöhnt waren, in denen es keine Schutzübungen, Verhaltenspläne oder Flyer, um für solche Extremereignisse zu trainieren. Das hatte bisweilen tödliche Folgen. Wir tun auch gut daran, unsere Alarmierung genau zu prüfen. Es gibt nicht mehr überall Sirenen, vielmehr wird auf Warn-Apps gesetzt, zusätzlich Fernsehen und Radio. Was aber, wenn Mobilfunknetze lahmgelegt sind, es keinen Strom gibt?

Ich bin wirklich froh, dass viele Zivilschutzmaßnahmen mit dem Ende des Kalten Krieges unnötig wurden. Aber ich habe in den letzten Tagen öfter darüber nachgedacht, ob wir manche dieser Vorkehrungen nicht wieder brauchen könnten, weil uns nicht der Ostblock, sondern das Wetter den Krieg erklärt. Wir brauchen auch Modellierungen und Risiko-Kartierungen für Überflutungen, die durch Starkregen ausgelöst werden. So, wie wir diese Kartierungen schon für die meisten Flusstäler haben. Auch für Hochwasserkonsequenzen für Strom, Mobilfunk, Wasserversorgung, auch für die Standorte von Kliniken oder Pflegeheimen. Es reicht deswegen auch nicht, wenn die baden-württembergische Umweltministerin die Kommunen aufruft, die extremen Wetterlagen im Blick zu haben. Das ist eine Herausforderung für das gesamte Land.

Und natürlich müssen wir genau prüfen, wo wir mit der Ertüchtigung klassischer Maßnahmen im Hochwasserschutz noch mehr Sicherheit schaffen können. Dafür braucht es hier eine höhere Mauer und dort einen größeren Kanal, bessere Kenntnisse über Fließwege, ein Starkregen-Risikomanagement. Das können am Ende nur die Kommunen machen, aber das Land kann sie fördern. Es MUSS sie fördern. Und das bedeutet nicht nur Geld, das bedeutet auch Rahmenbedingungen: Die kommunale Familie weiß, dass Hochwasserschutz oft nicht an den Haushaltsmitteln scheitert, sondern an den endlosen Genehmigungsverfahren.
Und es gibt noch einen Punkt, an dem wir schnell bessere Vorsorge treffen könnten. Zumindest finanziell: Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz hat die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden gefordert. Hier in Baden-Württemberg gab es diese Pflichtversicherung bis 1994, deswegen haben wir bis heute eine sehr gute Abdeckung, aber dann musste die Pflicht aus europarechtlichen Gründen abgeschafft werden. Es gibt Vorschläge für neue Modelle einer solchen Versicherung. Auch darüber sollten wir nachdenken. Und wir sollten zuhören. Zuhören, wenn uns Hilfsorganisationen darauf hinweisen, dass Gelder für Akut-Hilfe im Katastrophenfall stagnieren. Zuhören, wenn die Helferinnen und Helfer eine Landeskatastrophenschutzschule vermissen, die Akteure wie die DRK-Landesschule oder die Landesfeuerwehrschule zusammenbringt.
Und wir sollten zuhören, wenn die, die uns warnen, die Wetterdienste und Meteorlogen, den Eindruck haben, dass ihre Unwetterwarnungen zu sehr auf die leichte Schulter genommen werden. Zuhören auch, wenn Kritiker bemerken, wie wenig unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen darauf eingestellt war, das Programm für Katastrophenwarnungen zu unterbrechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben diese aktuelle Debatte nicht auf die Tagesordnung gesetzt, um uns mit der Landesregierung zu streiten. Es gibt auch keinen Unterschied zwischen einem grünen, roten oder schwarzen Schutz der Menschen in unserem Land. Vor Hochwasser genauso wie vor Hitzewellen, Schutz aber auch bei Erdbeben oder dem Ausfall unserer Infrastruktur, wie er heutzutage sogar durch Hacker-Angriffe hervorgerufen werden kann.
Dieses Mal hatte Baden-Württemberg bei allen Schäden noch Glück.

Das nächste Mal haben wir hoffentlich schon besser vorgesorgt.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort