Frau Präsidentin,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute haben wir den dritten Tag nach der am vergangenen Sonntag durchgeführten Bundestagswahl. Und deswegen, insbesondere wegen der Bedeutung dieser Wahl für Baden-Württemberg, haben wir diese aktuelle Debatte beantragt.

Und natürlich war die Wahl am vergangenen Sonntag die Wahl zum deutschen Bundestag und keine Landtagswahl. Aber natürlich betrifft sie auch Baden-Württemberg und ALLE Menschen im Land. Und apropos alle Menschen: Es war die erste inklusive Bundestagswahl auch für betreute Menschen. Das war eine gute Wahl, und wenigstens darüber sind wir uns hoffentlich im ganzen Hause einig.

Die Wählerinnen und Wähler haben dabei auch in Baden-Württemberg die Grünen gestärkt, wenngleich der Zugewinn geringer ausfiel als im Bund und das von ihnen selbst formulierte Wahlziel, das Kanzleramt zu erringen, verfehlt wurde. Dennoch möchte ich Ihnen an dieser Stelle herzlich zu Ihrem Zugewinn an Stimmen und Mandaten gratulieren.

Ebenso möchte ich der FDP gratulieren, die im Land überdurchschnittliche Gewinne verbuchen konnte, und die im Bund ebenfalls auf der Seite der Wahlgewinner steht.

Und damit Sie nicht das Gegenteil vermuten: Natürlich sind wir auch glücklich über unser eigenes Wahlergebnis und das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, das uns zur stärksten Partei bei dieser Wahl macht. Ein Wahlergebnis, das uns vor wenigen Monaten wohl kaum jemand zugetraut hat und auf das wir gerade auch im Land als zweitstärkste Kraft sehr stolz sind.

Nicht unglücklich bin ich auch darüber, dass die selbsternannten Volkstribune am oder jenseits des rechten Rands einmal mehr die Bestätigung haben, dass sie allenfalls für eine laute Minderheit stehen. Aber dass eine Partei wie die AfD trotz ihrer Verluste immer noch knapp 10% der Stimmen erhält, ist für mich, für uns unerträglich und muss uns auch Mahnung sein, auch weiterhin mit allen demokratischen Parteien gegen jegliche Form von Ausgrenzung, Hass und Hetze, die diese Partei praktiziert, zu kämpfen.

Aber kommen wir nun zur CDU. Die CDU hat bei den Zweitstimmen den höchsten Stimmenanteil und auch die meisten Direktmandate errungen. Und dazu, das gebietet der Anstand, gratuliere ich ebenfalls. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass die CDU hier im Land fast 10% an Stimmenanteil verloren hat und damit noch mehr als im Bund. Sie stehen damit hier im Land nur noch knapp, nämlich lediglich 3%, vor meiner SPD und im Bund sind sie als stärkste Kraft abgelöst.

Und das ist eben eine eindeutige Botschaft, wenn es nun darum geht, die Verantwortung zu übernehmen und eine neue Regierung zu bilden. Es gibt eine Reihe an Siegern in diesem Land, das sind die SPD, das sind die Grünen und das sind die Liberalen. Und es gibt Parteien, die eindeutig nicht zu den Siegern gehören, und dazu gehört die CDU. Und nicht nur das, sie sind der größte Verlierer bei dieser Wahl, die Wählerinnen und Wähler wollen sie, das ist offensichtlich, nicht in der nächsten Bundesregierung. Ein größerer Mißtrauensbeweis als dieses Wahlergebnis für sie und ihren Kanzlerkandidaten ist kaum möglich.

Wem diese Botschaft noch nicht eindeutig genug ist, der kann das Volk befragen, so wie es der jüngste Deutschlandtrend getan hat: Über 60 Prozent wollen Olaf Scholz als Kanzler, gerade mal 16 Prozent hätten gerne eine Bundeskanzler Laschet. Und 55 Prozent der Deutschen wollen eine von der SPD geführte Ampelkoalition. 55 Prozent, das nennen wir in der Demokratie ABSOLUTE MEHRHEIT.

Und ich sage das im Bewusstsein, dass es in Berlin theoretisch möglich wäre, sich um den Wunsch der Wählerinnen und Wähler herum zu verrenken und eine Koalition ohne die SPD zu bilden. Das könnte Armin Laschet den Kragen retten, sonst aber könnte so eine Koalition gar nichts.

Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimmen der SPD gegeben haben, den Grünen und der FDP: Diese Menschen haben Parteien gewählt, die für Fortschritt und Veränderung stehen in diesem Land, und sie haben dies getan, weil die Menschen Fortschritt und Veränderung für dringend geboten halten.

Das gilt für den Klimaschutz, das gilt bei der Wohnungsnot, das gilt bei guter und sicherer Arbeit in der Zukunft, einer klimaneutralen und erfolgreichen Wirtschaft, das gilt für das soziale Miteinander und eine optimale Bildung von Anfang an.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich gewundert. Das erste Mal habe ich mich im Frühjahr gewundert, als eben so ein Bündnis der dem Fortschritt verbundenen Parteien in Baden-Württemberg möglich war, wir haben das ausführlich und wie ich meine mit guten Ergebnissen sondiert.

Das es anders gekommen ist, halte ich nach wie vor für eine vertane Chance und für einen großen Fehler. Ich weiß, Herr Ministerpräsident, wie verlockend es gewirkt haben muss, als die CDU zu so vielen Dingen Ja und Amen sagte. Und in der Tat, das gestehe ich Ihnen gerne zu, in ihrem Koalitionsvertrag stehen gerade zum Klimaschutz viele wohlklingende und sehr ambitionierte Ziele, und jawohl: Viele dieser Ziele gerade beim Klimaschutz, die haben Vorbildcharakter, sogar für den ganzen Bund.

ABER, Herr Ministerpräsident: Ich habe immer noch die größten Bedenken, dass diesen schönen Worten auch die entsprechenden Taten folgen werden. Bisher sind das bloße Ankündigungen und keine Taten. Und wissen Sie woher mein Mißtrauen kommt? Fünf Jahre lang haben Sie mit der CDU regiert, und es war ein Bündnis, das sich gegenseitig blockierte und sich gegenseitig in die Beine grätschte und in die Parade fuhr, wo es nur ging.

Ein grüner Minister will mehr Windkraft, aber ein schwarzer Minister gibt ihm einfach keine Flächen, ich muss das gar nicht weiter ausführen.

Und Herr Ministerpräsident, genau da setzt mein Vorwurf an: Die Ziele, die Sie haben, die Pläne, die in ihrem Koalitionsvertrag stehen, die mögen richtig sein. Sie müssen endlich vom WOLLEN zum MACHEN kommen.

Aber glauben Sie denn WIRKLICH, dass die CDU hier plötzlich mitspielt, nachdem sie fünf Jahre nur auf der Bremse gestanden ist? Denn bei allen hehren Zielen: Die BILANZ von Grün-Schwarz hat keinen Vorbildcharakter für den Bund, das ist ein Beispiel zum Abgewöhnen. Und deswegen, Herr Ministerpräsident, ist Ihr Regierungsmodell hier in Baden-Württemberg keine „Blaupause“ für den Bund sondern ein Auslaufmodell, für das im Bund und auch hier im Land bei dieser Wahl nur noch, zusammengerechnet, knapp 40% der Menschen gestimmt haben.

Und es stehen riesige Aufgaben vor uns: Beim Wohnen ist Baden-Württemberg das teuerste Bundesland in der ganzen Republik. In der Bildung sind die Erfolgschancen von Kindern immer noch am stärksten von ihrer sozialen Herkunft abhängig. Und beim Ausbau sauberer Energie hinken wir dem Bund und den anderen Bundesländern deutlich hinterher, statt vorneweg zu gehen.

Und wir sollten nicht stolz darauf sein, dass sich Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren einen zweifelhaften Ruf erarbeitet hat, bei Entscheidungen auf der Bundesebene der Bremsklotz aus dem Südwesten zu sein.

Gleich ob bei Bundesprogrammen für Digitalisierung oder Ganztag, Kita-Betreuung… immer wieder, wenn es darum geht, dringend nötige Verbesserungen zu schaffen, tritt Baden-Württembergs Ministerpräsident erst einmal auf die Bremse. Aus Freude am Föderalismus oder einfach aus Prinzip. Konstruktive Vorschläge gibt es selten, bessere Lösungen nie, Hauptsache, der Bund ist schuld. Und ich gebe zu, dass ich mich allein schon aus dem Grund auf eine Grüne Regierungsbeteiligung freue, weil dieser Landesregierung dann endlich die Ausreden ausgehen! Denn so wie bisher kann das nicht weitergehen. Die Leute wollen Lösungen, sie wollen Veränderungen und sie wollen, dass bei Problemen Abhilfe geschaffen wird.

Es wird einem Schulkind herzlich egal sein, zu wieviel Prozent das WLan im Klassenzimmer aus Bundesmitteln und zu wieviel Prozent aus Landesmittel bezahlt wurde. Wichtig ist, dass es endlich eine digitale Grundausstattung hat!

AM SONNTAG WURDE DER STILLSTAND ABGEWÄHLT. Das gilt für den Bund und auch für das Land. Denn wir haben unglaublich viel zu tun und es wird immer wieder neue Lösungen brauchen und auch ein neues Miteinander von Bund und Ländern. Und das gilt nicht nur für den Klimaschutz, sondern für alle wichtigen Zukunftsaufgaben, für Bildung und Betreuung, für bezahlbares Wohnen, für gute Arbeit und gute Krankenhäuser, für einen optimalen öffentlichen Verkehr und für ein soziales Miteinander.

Nicht mehr und nicht weniger haben die Menschen in diesem Land am Sonntag gewählt. Wir brauchen jetzt keinen Kanzler von Jamaika, sondern einen Kanzler für Deutschland.

Und wenn dann aus Berlin ein frischer Wind weht, sollte Baden-Württemberg den Anker lichten und die Segel setzen. Es kann uns nur voranbringen.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.