Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir leben in schwierigen Zeiten. Und niemand in diesem Landtag wird das anders sehen. Wir leben in schwierigen Zeiten nicht nur wegen der Pandemie und ihrer Folgen für unsere Wirtschaft, unsere Kultur und Gesellschaft, ihren Folgen für jeden von uns. Wir leben auch in schwierigen Zeiten, weil wir vor gewaltigen Veränderungen stehen. So wie früher können wir nicht weitermachen.

Die Autos von früher will niemand mehr kaufen auf dem Weltmarkt. Die Energieerzeugung von früher kann sich das Weltklima nicht mehr leisten. Viele Gewissheiten von früher sind heute nichts mehr wert. Deutschland wird sich ändern, und es wird sich ändern müssen.

Und die neue Bundesregierung ist sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst. Mehr noch. Der neuen Bundesregierung ist klar, dass wir diese Änderungen nicht nur über uns ergehen lassen dürfen. Wir können diese Änderungen begleiten, wir können sie beeinflussen. Das können wir, das müssen wir sogar. Das meint der Bundeskanzler, wenn er sagt: „Zukunft wird gemacht!“

Baden-Württemberg gehört zu den Ländern, die sich am meisten ändern werden und am meisten ändern müssen. Ich kenne kein anderes Land, in dem die Änderungen der Mobilität so gravierende Auswirkungen haben. Kein Land, in dem die Transformation so tiefgreifend sein wird. Kein Land, in dem die digitale Revolution heftiger ausfallen wird. Und dieser Wandel trifft uns auch deswegen ganz besonders, weil Baden-Württemberg Spitzenpositionen zu verteidigen hat. Wir sind in vielen Bereichen sehr weit oben. Und wenn wir hinfallen, dann wird es aus dieser Höhe ein schlimmer Sturz.

Wir wollen eine gute Zukunft für dieses Land. Auch das wird in diesem Landtag niemand anders sehen. Und wenn Zukunft gemacht wird, dann heißt das, dass wir in Baden-Württemberg besonders viel machen müssen. Mehr als andere Länder und auch mehr, als eine neue Bundesregierung für alle Länder machen wird. Wir wollen vorne sein und wir wollen vorne bleiben!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
genau an diesem Punkt beginnen unsere Zweifel. Und weil es an diesem Punkt der Beratungen um das Grundsätzliche geht, möchte ich unsere grundsätzlichen Zweifel formulieren.

Wir haben sehr viel zu tun, und wir müssen sehr weit vorankommen. In Berlin weht ein neuer Wind, er weht in die richtige Richtung, und es ist ein Rückenwind auch für Baden-Württemberg. Und eine Landesregierung, die Baden-Württemberg voranbringen will, würde einen guten Kurst steuern, die Segel setzen und diesen Rückenwind nutzen.

Tut diese Landesregierung das?

Obwohl die größere Regierungspartei dieses Landes jetzt auch in der Bundesregierung mitgestaltet, hat man den Eindruck, dass der Ministerpräsident sich als Oppositionspolitiker fühlt. Herr Kretschmann, Sie rasseln schon vorab mit dem Säbel und verweisen auf ihre Macht im Bundesrat. Und im Bundesrat gehören Sie der Gruppe der CDU-geführten Länder an. Nicht der Gruppe der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten aus den neuen Regierungsparteien.

Sie bleiben also in der politischen Schmollecke, wo mancher den Rückenwind schon aus Prinzip nicht nutzt und aus parteipolitische Gründen dagegen ankreuzen will. Ist das klug?

Herr Ministerpräsident, Sie haben kürzlich vom Unterschied zwischen den Machern und den Bruddlern gesprochen. Sind Sie sicher, dass Sie bei den Machern sind und nicht bei den Bruddlern? Dass Sie im Konzert der Bundesländer vorne in der Lokomotive stehen und nicht ganz hinten im Bremserhäuschen?

Wäre es nicht besser, wenn diese Landesregierung ihren Fahrplan abstimmen würde? Wo braucht das Land noch mehr Schub? Wo muss man vor Ort noch ergänzen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ohne Plan kein Haushalts-Plan, das gilt nicht nur für das Wort, das gilt für die Idee. Ihr Plan war es ursprünglich, ganz bewusst wenig zu tun, das hieß dann „Übergang“ und „Stabilität“ und sie sprachen viel über Tilgungen und Schuldenabbau, so als könne Baden-Württemberg in unserer Zeit die Füße hochlegen und die Hände in die Taschen stecken.

Aber Sie können die Hände ja gar nicht in die Taschen stecken, denn die sind voller Geld. Diese Landesregierung hat allein an Überschüssen Milliarden zur Verfügung. Sie haben Milliarden an Rücklagen. Diese Landesregierung steht finanziell so gut im Futter, dass sie fast 17 Milliarden Euro an genehmigten Krediten gar nicht anfassen musste. Allein die noch gar nicht abgerufenen Corona-Hilfen für dieses Jahr belaufen sich inzwischen auf 3,6 Milliarden Euro.

Und nach einem, Kollege, verzeihen Sie, HAGEL an Änderungsanträgen wollen Sie jetzt auch mehr Geld ausgeben. Sie haben auch manche Peinlichkeit korrigiert, so wie die unsägliche Idee, beim Antisemitismusbeauftragten dieses Landes 10 000 Euro zu streichen. Auf die eigentlich angemessene Erhöhung seiner Mittel warten wir weiter, aber immerhin. Nur: einen Kurs, einen Plan, eine Agenda mit Schwerpunkten und Prioritäten suchen wir immer noch vergebens. Das viele Geld, dessen Existenz Sie vor Kurzem noch gar nicht wahrhaben wollten, wollen Sie jetzt mit der Gießkanne ausgeben. Hier ein Tröpfchen und da zwei Tröpfchen und dort noch eines.

Das ist kein guter Plan. Sie zerstäuben das zusätzliche Geld sozusagen gleichmäßig, es gibt einen schönen Tau, der etwas glänzt. Aber nur, wenn man diese Mittel deutlich gezielter fließen lässt, bringen sie etwas in Fluss. Genau das ist, was wir im Grundsatz in diesem Haushalt vermissen. Denn wer Finanzmittel gezielt verwenden will, der braucht Ziele.

Ich will darum auch gar nicht von Problemen reden, weil auf dieses Stichwort manches Ohr in diesem Haus immer automatisch mit Taubheit geschlagen wird. Ich will an dieser Stelle einmal von Zielen reden. Da gibt es ganz aktuelle Ziele. Wäre es beim Kassenstand dieser Landesregierung nicht ein Ziel, dass Menschen in diesem Winter in einer warmen Turnhalle auf ihre Impfung warten können? Auf Stühlen? Wäre es nicht ein Ziel, Handel und Gastronomie optimal für die enormen Ausfälle zu entschädigen, die durch die missglückte Kommunikation vor Nikolaus nicht eben geringer wurden? Wäre es nicht ein Ziel, noch mehr Engagement und Sorgfalt in das Schließen der Impflücken zu stecken, in dem Land mit den größten Impflücken aller alten Bundesländer?

Da gibt es aber auch grundsätzliche Ziele. Wir wissen alle, dass wir für den Schutz der Umwelt und den Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel viel mehr tun müssen. Wäre es nicht ein Ziel, hier als Landesregierung noch viel mehr Verantwortung zu übernehmen? Mit einem 365-Euro-Ticket für alle, mit einem echten großen Schritt zu einer Verkehrswende? Wäre es nicht ein Ziel, die Energiewende noch entschlossener voranzubringen? Im Bund liegt das Ziel jetzt bei 2030. Warum liegt es in Baden-Württemberg immer noch bei 2038? Und warum muss ich Angst haben, dass es beim jetzigen Tempo der Energiewende bis 2080 dauern wird?

Auch beim Wohnungsbau hat sich die neue Bundesregierung viel vorgenommen. Das wird auch Baden-Württemberg zu Gute kommen. Aber wäre es nicht ein Ziel, auch hier noch mehr zu tun, auch als Landesregierung richtig anzupacken? In diesem Land, in dem die Wohnungsnot mit am schlimmsten und die Preise fürs Wohnen mit am höchsten sind, mehr zu tun? Mehr Ziele zu haben als Dialoge und Modelprojekte und gekleckerte Förderungen?

Und schließlich, natürlich, die Bildung. Die ist größtenteils sowieso Aufgabe des Landes, aber selbst außerhalb und jenseits der Schulzeit muss sie dieser Landesregierung eine besondere Aufgabe sein. In Berlin spricht die neue Bundesregierung von einer Weiterbildungsrepublik, von der Notwendigkeit, dass sich Menschen beständig weiterqualifizieren. Das muss sein, um in der Digitalisierung und der Transformation gute Arbeit zu sichern und zu erhalten.

Wäre es nicht ein Ziel, Baden-Württemberg hier zu einem Vorreiter zu machen? Mit einem Weiterbildungsfonds und einer neuen Selbstverständlichkeit lebenslangen Lernens?

Und über die Schulen und Kitas sprechen wir jahraus, jahrein. Wäre es nicht ein Ziel, hier nicht nur auf bessere Zeiten zu hoffen, sondern diese besseren Zeiten herbeizuführen? Mit Hilfen, die mehr sind als ein lieber Gruß aus Stuttgart?

Mit pädagogischen Assistenzen und zusätzlichen Lehrkräften, einem Kita-Hilfspaket? Wäre es nicht ein Ziel, Fachkräfte von auswärts zu werben, in dem dieses Land erst einmal die Studiengebühr für ausländische Studentinnen und Studenten abschafft?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich darf noch einmal den neuen Bundeskanzler zitieren: Zukunft wird gemacht. Und wenn das so ist, dann gibt es in unserem Land viel zu tun. Wir wollen eine bessere Zukunft für dieses Land. Und deswegen müssen wir alle diese bessere Zukunft machen.

Wir ALLE müssen es BESSER machen.

Und deswegen muss es auch die Landesregierung besser machen.

Mit einer neuen Bundesregierung, die nicht gegen, sondern genau für dieses Land arbeitet und mit der Sie zusammenarbeiten sollten.

Mit all dem Geld, das Ihnen dieses Land und dieser Landtag in die Hände geben, DAMIT Sie handeln.

Mit einem Plan, mit klaren Prioritäten.

Mit Zielen.

Sonst sind wir trotz all den Milliarden ganz arm dran.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.