Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst einmal, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, darf ich Ihnen danken, das Parlament am heutigen Tag über die Beschlüsse vom vergangenen Mittwoch zu informieren. Und es ist sicherlich notwendig, dass Sie dem Parlament Rede und Antwort stehen, was eigentlich die Haltung Ihrer Regierung ist. Denn Beispiele wie das peinliche Gezerre zwischen CDU und Grünen beim Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht wecken bei mir und vielen Menschen im Land erhebliche Zweifel an der Handlungsfähigkeit dieser Regierung.

Und lassen Sie mich das gleich an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen: Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister und der Vorsitzende einer der Regierungsfraktionen dazu aufruft, geltendes Recht zu ignorieren, dann ist das ein Skandal erster Güte, den dieses Land wohl nur selten zuvor erlebt hat.

Und nicht besser wird das ganze, wenn man weiß, dass die parteitaktischen Manöver des irrlichternden Herrn Söder aus Bayern  und der Konkurrenzkampf um die politische Hoheit über dem Stammtisch von CDU und CSU mit Herrn Merz Auslöser für diese politische Unverfrorenheit waren.

Und auffällig ist auch, Herr Ministerpräsident, dass Sie nun regelmäßig und mit großem Eifer Sondervoten zu den Vereinbarungen mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung abgeben. Eigenartig, denn noch vor einem Jahr haben Sie sich über die Protokollerklärungen einzelner Länder in der MPK lustig gemacht bzw. sich darüber beklagt, dass dadurch ein einheitliches Vorgehen in der Pandemiebekämpfung erschwert werde. Heute ist Baden-Württemberg mit der größte Lieferant für beleidigte Protokollerklärungen. Und steht dabei in einer Reihe mit anderen CDU-regierten Bundesländern, die nun das Thema Corona gerne zur parteipolitischen Sache machen möchten.

Deswegen nochmal in aller Deutlichkeit:

Herr Ministerpräsident, Sie sind in Berlin nicht in die Opposition gerutscht, Sie sind jetzt an der Regierung. Denn Sie sind gar nicht bei der CDU, Sie sind bei den Grünen!

Lassen Sie sich das mal erklären, und vielleicht kommen Sie im Bundesrat endlich mal von der Oppositionsbank runter!

Aber nun zu den am vergangenen Mittwoch vereinbarten Maßnahmen, die wir als SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßen:

Es ist gut und es ist richtig, den Empfehlungen des Expertenrates zu folgen, der trotz der nach wie vor hohen Infektionszahlen und des weiter fortbestehenden Infektionsgeschehens eine schrittweise Lockerung und Aufhebung der Maßnahmen empfiehlt. Und gleichzeitig sollten wir alle verstehen, dass dies nur deshalb möglich ist, weil wir durch die bisher ergriffenen Maßnahmen und das solidarische und besonnene Verhalten der allermeisten Menschen in unserem Land, nun diesen Weg der schrittweisen Öffnung gehen können. Und dafür gilt es allen Danke zu sagen, die zu dieser Chance beigetragen haben.

Und es ist sehr vernünftig, dass nun zwischen der Bundesregierung und den Ländern vereinbart wurde, jetzt in einem gestuften Verfahren vorzugehen. Mit einem klaren Plan, in dem ein Ausstiegsszenario beschrieben wird, das von bestimmten Kriterien abhängig gemacht wird. Das, Herr Ministerpräsident, ist übrigens dieses planvolle und damit auch für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nachvollziehbare Vorgehen, das wir von ihrer Regierung seit Beginn der Pandemie fordern. Eine klare und transparente Verknüpfung von festgelegten Maßzahlen und Einschränkungen bzw. Lockerungen. Und damit das genaue Gegenteil Ihrer Strategielosigkeit, die sie regelmäßig mit Sätzen wie „Eine Pandemie kann man nicht planen“ oder ihrem berüchtigten „Wir fahren auf Sicht“ verbrämen.

Es muss aber gleichzeitig jedem und jeder klar sein: Trotz der jetzt möglichen Öffnungsschritte ist die Pandemie noch nicht vorüber! Dies müssen wir allen sagen, denen es jetzt nicht schnell genug gehen kann. Auch die, die mal wieder meinen, mit dem saisonalen Abklingen im Frühjahr sei nun alles für immer erledigt.

So ist es – leider – nicht.

Und wir sollten auch nicht falsche Versprechungen und Verheißungen wie einen Freedom Day propagieren. Umso schwieriger ist es dann, falls notwendig, das Steuer wieder herumzureißen. Etwa dann, wenn neue Virusvarianten auftauchen. Oder wenn die Diskussionen zur Impfpflicht geführt werden müssen. Denn ohne eine deutliche Erhöhung der Impfquote und ein Schließen der Impflücke laufen wir im Herbst sehenden Auges in die nächste Infektionswelle. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss von uns allen verhindert werden.

Aber diese erfreulichen Möglichkeiten, die sich uns jetzt bieten,  sollten auf der anderen Seite auch die begreifen, die sich wie erstarrt an Maßnahmen klammern. Die sich nicht mehr daran erinnern können, dass diese Maßnahmen immer an ein Notlage gekoppelt sind. Und sobald diese Notlage auch nur nachlässt, müssen auch die Maßnahmen nachlassen. Das gebietet im übrigen schon der vom Ministerpräsidenten so innig geliebte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Und mitunter, Herr Ministerpräsident, konnte man diesen letztgenannten Eindruck bei Ihnen haben. Erst knapp zwei Wochen ist es her, dass Sie eine Exitdebatte bis Ostern ausschließen wollten. Geradeso als wären Begriffe wie Ausstiegsszenario oder Exitstrategie für Sie unanständige, ja unflätige Wörter, deren schiere Nennung schon tabu ist.

Und gleichzeitig und in krassem Widerspruch zu diesen Äußerungen stehen dann Öffnungsschritte, bei denen sie wie ein Getriebener, möglicherweise ihres Koalitionspartners CDU oder ihres Bruders im Geiste Söder wirken. So zum Beispiel die Öffnung von Veranstaltungen für Zuschauer auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle oder jetzt das Vorziehen der zweiten Stufe des Öffnungsplans. Eine Strategie von Ihnen und Ihrer Regierung ist nach wie vor nicht erkennbar. Und genau das ist es, was es vielen Menschen im Land immer schwerer macht, die Politik der Pandemiebekämpfung zu verstehen.

Dabei geht es bei allem, was wir jetzt vor uns haben, was die Bundesregierung, der Bundeskanzler und die meisten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jetzt angeschoben haben, nur um einen vernünftigen, abgestimmten Plan. Es geht um Planbarkeit. Und es ist IMMER klar, dass diese Planbarkeit entscheidend vom Verlauf der Pandemie abhängt. Das ist doch vollkommen klar!

Aber WENN die Zahlen sich zum Guten wenden, DANN sieht dieser Plan vor, was wann wo wieder möglich wird. Das macht es vielen Menschen in diesem Land viel leichter, sich auf diese Schritte vorzubereiten und diese mitzutragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

was der Bundeskanzler und die Bundesländer am Mittwoch auf den Weg gebracht haben, ist ein gutes Stück Hoffnung für uns alle. Hoffnung auf bessere, auf normalere Zeiten, Hoffnung vielleicht sogar auf einen Wechsel in eine endemische Lage. Nur eine Hoffnung, aber Hoffnung ist bitter nötig.

Der Beschluss schafft die Grundlage für einen geplanten, vorsichtigen Weg zu mehr Normalität, immer angelehnt an die aktuellen Entwicklungen. Und klar dürfte auch sein, dass auch nach dem 19.3. noch Vorsichtsmaßnahmen notwendig sein werden. Auch dies ist im Papier vom vergangenen Mittwoch bereits angelegt.

Der Beschluss zielt auf ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer, um unnötige Verwirrungen über Sonderwege, unnötigen Grenztourismus und dergleichen mehr zu vermeiden. Leider wollen einzelne Bundesländer, einzelne Ministerpräsidenten sich hier doch wieder profilieren, indem sie einige Tage oder Wochen vorpreschen.

Was am Mittwoch beschlossen wurde, zeigt einen Weg zum Ende der Pandemie auf. Dieses Ende ist noch lange nicht erreicht, aber wir haben jetzt eine Route, wir haben eine Navigation. Wir müssen uns nicht mehr stolpernd durch die Gegend tasten oder, wie man höflicher sagt: Wir müssen nicht mehr „auf Sicht fahren“.

Und ja, dieser Plan beschreibt ein Ziel, das wir noch nicht erreicht haben und das wir auch nicht von alleine erreichen werden. Wir müssen etwas tun.

Es sieht so aus, als gestatte uns das Virus einen weiteren Sommer mit einer entspannteren Lage, und vielleicht wird der Sommer dank Impfungen und milderer Virusvarianten sogar noch entspannter als in den Vorjahren. Und dafür wird es auch wirklich Zeit.

Aber nutzen wir diese Pause doch bitte, um uns so gut wie nur möglich auf den kommenden Herbst vorzubereiten. Ganz besonders in Baden-Württemberg mit seinen wirklich miesen Impfquoten.

Herr Ministerpräsident, Sie mahnen in diesen Tagen gerne in jede Richtung. Sie gestatten, dass ich auch Sie und Ihre Regierung mahne: Legen Sie nicht die Füße hoch, wenn die Lage sich im Frühling bessert. Meinen Sie nicht im dritten Jahr in Folge, es werde sich nun alles von alleine lösen.

Kämpfen Sie weiter für eine höhere Impfquote und warten Sie nicht nur auf die Impfpflicht. Sorgen Sie für ausreichende Mengen neuer Impfstoffe, für die neuen Covid-Medikamente. Investieren Sie in unser Gesundheitssystem, statten Sie unsere Schulen besser aus. Denn dort ist die Pandemie noch längst nicht ausgestanden. Und helfen Sie diesem Land, seiner Wirtschaft, der Gastronomie, der Kultur und den Vereinen, wieder gut auf die Füße zu kommen.

Das, Herr Ministerpräsident, ist die beste Exit-Strategie. Und mit der dürfen Sie gerne schon lange vor Ostern anfangen.

Vielen Dank!