Redemanuskript Andreas Stoch

zur Aktuellen Debatte der FDP: „Warum nur ein Gesprächskreis, Herr Ministerpräsident? Die Energiekrise gehört auch ins Parlament!“

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

am heutigen Tag debattieren wir hier im Landtag erneut über das Thema Energieversorgung und insbesondere die Versorgungssicherheit. Und wir tun dies zum einen, weil dieses Thema die Menschen und natürlich auch alle politischen Ebenen bewegt. Wir tun dies aber auch deshalb, weil der Ministerpräsident die Chance verstreichen ließ, zu diesem Thema hier vor diesem Parlament eine Regierungserklärung zu halten und die Strategie seiner Landesregierung darzulegen.

Nun hat er dies bereits am gestrigen Tag versucht, aber, um ehrlich zu sein, eine Strategie vermag ich darin nicht zu erkennen.

Aber kommen wir zunächst zu den aktuellen Entwicklungen. Und entgegen der im Vorfeld geäußerten Befürchtungen, läuft nach der durchgeführten Wartung von North Stream 1 wieder Gas durch die Pipeline. Und ich sage Ihnen ganz offen, ich bin froh darüber. Und das sage ich vor allem denen gegenüber, die in den letzten Wochen und Monaten ein Gasembargo gefordert haben. Immer mit dem ganz hoch erhobenen moralischen Zeigefinger!

Und es gab noch weitere Äußerungen, die einen vernünftigen Menschen nur den Kopf schütteln lassen. Da wurde aus der CDU gemutmaßt, Baden-Württemberg stehe ganz besonders schlecht da bei der Gasversorgung, weil der Bundeskanzler aus Hamburg stammt und der Wirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein. Ich erschrecke nicht nur angesichts dieses kompletten Unverständnisses von Bundespolitik.

Ich erschrecke auch, weil dieser Vorwurf nichts über die Bundesregierung sagt, aber ganz viel über die Kirchturmpolitik derer, die der Bundesregierung solche Vorwürfe machen.

Offensichtlich hoffen manche, man könne mangelndes Erdgas einfach durch heiße Luft ersetzen. Anders kann ich mir nicht erklären, welche unsinnigen Äußerungen hier die Runde gemacht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben eine Bundesregierung, die an diesem Problem arbeitet. Und die es gemeinsam mit den Partnern aus der Energiewirtschaft geschafft hat, bereits jetzt die Abhängigkeit von Russland deutlich zu reduzieren. Ab dem 1.8. wird keine russische Kohle mehr nach Deutschland importiert, voraussichtlich zum Jahresende auch kein russisches Öl mehr. Und der Anteil von russischem Gas konnte seit letztem Jahr von 55% auf inzwischen unter 35% gesenkt werden.

Und da gibt es, man muss es in diesem Land und in diesem Haus ja immer wieder sagen, nicht nur den Bundeskanzler, sondern auch den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der international jede mögliche Alternative prüft und so viel wie nur irgend möglich für ganz Deutschland sichert. Obwohl er aus Schleswig-Holstein stammt.

Und wir haben Dutzende und Aberdutzende von Energieversorgern im Land, die ebenfalls Vorsorge treffen. Stadtwerke, die den Betrieb von Bädern und Saunen einschränken. Kommunen, die prüfen, wie viel Gas man sparen kann, wenn man die Temperatur in Sporthallen etwas niedriger einstellt als früher. Lokale Energieversorger, die jetzt Vorkehrungen dafür treffen, Heizkraftwerke im Notfall auf den Betrieb mit Öl umstellen zu können.

Und gerade das ist nun wichtig: Wir sollten uns trotz der wieder aufgenommenen Lieferung durch North Stream 1 nicht in Sicherheit wiegen und zurücklehnen. Wir sollten jetzt Vorsorge treffen, Energie sparen wo immer es geht, damit mit dem jetzt gelieferten Gas die Speicher auf einen ausreichenden Stand gefüllt werden können.

Aber neben der Sicherung der Energieversorgung dürfen wir eben das zweite wichtige Handlungsfeld nicht vergessen, nämlich die sich stark erhöhten Energiepreise und die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, v.a. die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

Und sowohl in der Bundesregierung wie auch vor Ort bei den Stadtwerken hat man im Blick, wie man die Menschen entlasten kann, für welche die absehbar drastisch steigenden Kosten gerade für Heizenergie zu einem echten Problem werden können.

Es wird also in Berlin gearbeitet und vor Ort in den Kommunen. Und umso nötiger ist es, dass auch dazwischen etwas getan wird, nämlich auf Landesebene. Umso nötiger ist es, dass diese Landesregierung endlich auch handelt!

Und ich sage auch das gerne immer wieder: Handeln ist nicht REDEN, sondern MACHEN. Sie dürfen gerne noch einen Dialog starten oder auch einen Gasgipfel. Und natürlich werden Sie wie immer auf den Bund zeigen und auf die Kommunen. Aber das reicht nicht! Es sind Bund, Land und Kommunen gefragt, und es kann nicht sein, dass das Land wieder die Hände in die Taschen steckt und den anderen beiden Ebenen nur schlaue Ratschläge erteilt!

Und insbesondere den Grünen sage ich: Ja, wir MÜSSEN dringend viel schneller auf erneuerbare Energien setzen. Für unsere Zukunft. Für unser Klima. Aber für den kommenden Winter wird dieser Ausbau zu spät kommen. Selbst, wenn Sie das bisherige Schneckentempo dramatisch erhöhen könnten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bereits wichtige Vorschläge erarbeitet, die die Landesregierung nur umsetzen kann, sondern auch dringend umsetzen SOLLTE, um mit der nötigen Vorbereitung in den kommenden Herbst zu gehen.

Was kann das Land tun? Was muss das Land tun? Zunächst muss es dafür sorgen, dass die nötigen Maßnahmen gebündelt werden. Dafür ist eine Taskforce denkbar, aber die ist keine Lösung, sondern nur ein Mittel dazu. Dazu, dass es klare Ansagen gibt, an die sich die Kommunen und die örtlichen Energieversorger halten können. Senken wir die Temperatur in Sporthallen oder Hallenbädern? Um wie viel Grad? Ab wann? Wie lange? Wird die Saison im beheizten Freibad verkürzt? Tun Sie etwas gegen einen Flickenteppich, denn der macht die Menschen schalu und wir sparen weit weniger, als wir könnten.

Und bündeln müssen Sie auch die Notfallpläne und die Möglichkeiten vor Ort: Welcher Schritt hat welches Einsparpotenzial? Baden-Württemberg hat eine extrem vielseitige Versorgerlandschaft, wir haben Dörfer mit 50% Biogasnutzung, wir haben Mittelstädte mit vielen Blockheizkraftwerken. Wer, wenn nicht die Landesregierung, soll hier einen Überblick schaffen?

Der Erhalt der Versorgungssicherheit, notfalls auch unter verkraftbaren Einschränkungen, dieser Erhalt ist die wichtigste Aufgabe, bei der auch das Land mit anpacken muss. Es ist aber nicht die einzige Aufgabe. Denn es gilt auch an all die Menschen zu denken, welche die deutlichen Preissteigerungen nicht mehr stemmen können. Und dabei geht es eben gerade auch um Menschen, die keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen, aber einfach nicht sehr viel Geld verdienen. Das sind die Menschen, für die wir ein Energiegeld für Baden-Württemberg vorschlagen. Für alle, die Wohngeld, einen Kinderzuschlag oder BAföG beziehen. Das wäre eine spürbare Entlastung, zusätzlich zu den Entlastungen des Bundes und den Ergebnissen der konzertierten Aktion, die der Bundeskanzler auf den Weg bringt. Und ja, wir fordern auch einen Zuschlag zur Grundrente und zum Arbeitslosengeld II, eine Deckelung des Gaspreises für einen üblichen Jahresverbrauch. Und das haben wir vor Kurzem auch in Berlin gefordert und im Kanzleramt. Alle Seiten sind gefordert. Auch der Bund. Auch das Land.

Und wir fordern auch Notbremsen, die Sicherheit schaffen: Ein Verzicht auf Zwangsräumungen von Mietwohnungen sowie ein gesetzliches Verbot von Energiesperren über die Wintersaison.

Und wir werden uns gerne streiten, ob dieses Verbot besser ist als die Härtefallfonds, die viele Stadtwerke bereits einrichten. Ich werde mich aber nicht darüber streiten, ob es eine Notbremse braucht. Nichts tun geht nicht!

Das Land täte gut daran, eine Sicherung seiner lokalen Energieversorger zu schaffen. Auch der Stadtwerke, die NICHT zur EnBW gehören. Das Land täte gut daran, den Bürgerinnen und Bürgern direkt zu kommunizieren, welche erstaunlichen Spareffekte durch ganz einfache Tricks zu erzielen sind. Im Land der Kippfenster wird immer noch sinnlos viel Gas vergeudet. Eine Broschüre an jeden Haushalt? Das Land hat schon mehr Geld für unnötigere Kommunikation ausgegeben. Und schließlich könnte das Land auf das Handwerk zugehen. Eine optimal eingestellte Gasheizung verbraucht bei gleicher Wärmeleistung deutlich weniger. Wo dieser Service am Geld scheitert, könnte man ein Zuschussprogramm starten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist noch nicht zu spät um zu hoffen, dass die schlimmsten Szenarien eines Gasmangels im kommenden Winter so nicht eintreten werden. Es ist aber höchste Zeit, alles dafür zu tun, dass wir so gut wie irgend möglich auf Notfälle vorbereitet sind. Alles dafür zu tun heißt NICHT abwarten, es heißt NICHT auf Sicht fahren, es heißt nicht, nur alle andere Verantwortlichen anzuklagen. Der Bund arbeitet, die Kommunen und die Stadtwerke arbeiten. Dazwischen kann und darf das Land nicht untätig bleiben.

Geben Sie Gas. Wir haben es nötig.

Es gilt das gesprochene Wort.

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