Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Lage ist ernst. Und wir müssen die Lage auch WIRKLICH ERNST NEHMEN.

Wir haben alle gehofft, dass wir das Virus in diesem Winter im Griff haben. Und wir müssen alle einsehen, dass das nicht geklappt hat. Die Lage ist dramatisch, die Lage droht zu kippen, und wir müssen ALLES versuchen, damit das nicht geschieht. Sonst sind wir hier fehl am Platze. Wir haben wahnsinnig viel zu tun, und deswegen müssen wir auch aufhören, Dinge zu tun, die uns nicht weiterhelfen.

Eigenlob hilft uns nicht und es hilft auch nicht, wenn eine Instanz auf die andere zeigt und sich selbst wegducken will. Wenn es eine bedeutsame Linie gibt, die durch unser Land läuft in diesen Tagen, dann ist es eine ganz andere Linie:

Es gibt ein TEAM HILFREICH. Und es gibt ein TEAM HILFLOS.

Das Team Hilfreich ist groß. Zigtausende von Menschen, die in unseren Kliniken gegen die Pandemie kämpfen, in Arztpraxen und Pflegeheimen, in Impfteams und Impfstützpunkten, in Schulen und öffentlichen Einrichtungen. Menschen, die sich solidarisch zeigen, sich haben impfen lassen, sich an die Auflagen halten und keine unnötigen Risiken eingehen. Geschäftsleute, die sich mit Kundinnen und Kunden streiten müssen, wenn sie Regeln durchsetzen. Verantwortliche in der Kommunalpolitik, die mit knappen Eigenmitteln Nothilfe leisten.

Und alle Menschen, die in all den Monaten wieder und wieder versuchen, jene zu überzeugen, die die aktuelle Lage entweder nicht begreifen wollen oder nicht begreifen können. Dieses Team Hilfreich hat Hilfe verdient. Und es hat nicht verdient, dass eine Landesregierung als Team Hilflos dasteht!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich selbst hätte mir in den vergangenen Wochen deutliche klarere Ansagen aus der Bundespolitik gewünscht. Auch von den Parteien, die gerade dabei sind, die nächste Bundesregierung zu bilden.

Noch viel mehr hätte ich mir diese Ansagen aber nicht von einer Regierung gewünscht, die es noch gar nicht gibt, sondern von der Bundesregierung, die noch die Geschäfte führt und am Ruder steht. Mit einer Bundeskanzlerin Angela Merkel und einem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Wer hat diesem Mann eigentlich die Lizenz erteilt, einfach nur auf seine Nachfolger zu zeigen, die noch nicht einmal die Schlüssel zu den Ministerien in den Händen haben?

Das Interregnum in Berlin ist eine schwache Ausrede. Aber immerhin gibt es in Berlin tatsächlich ein Interregnum. In Stuttgart hingegen gibt es kein Interregnum. Aber war das bisher hilfreich?

Hilfreich wäre es gewesen, wenn man sich an den Herbst und Winter vor einem Jahr erinnert hätte. Da herrschte hier die geradezu kindische Hoffnung vor, das Virus werde irgendwie von alleine verschwinden. Man verzichtete in Schulen auf flächendeckende Luftfilter und die Nutzung deutlich großzügigerer Räume. Lüften würde reichen hieß es, und Warnungen vor Schulschließungen waren Panikmache der Opposition. Bis die Schulen dann geschlossen wurden.

Man diskutierte, wer mit wie viel Gästen an Silvester böllern dürfe. Und Warnungen waren Panikmache der SPD. Bis eben gar keine Silvesterfeiern stattfinden konnten. Eine Saison später hat man die Impfzentren ersatzlos geschlossen, die Warnungen waren wieder Panikmache.

Die Kontaktnachverfolgung wurde gestrichen, die Maskenpflicht in den Schulen aufgehoben. Wieder entgegen aller Warnungen. Von Experten. Auch von der SPD. Erst Wochen zu spät kam die Maskenpflicht dann doch wieder, erst mit Monaten Verspätung kommt die Erkenntnis, dass es mehr stationäre Impfangebote braucht. Und in der Zeit, die verstrichen ist, gab es Hunderte schwerer Covid-Fälle, tausende Infektionen, viel Leid und unglaublich viel Mühe für alle die, die im Gesundheitsbereich arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ins Team Hilfreich schaffen wir es nicht, indem wir uns vergangene Fehlleistungen ankreiden. Das muss dann aber auch für alle Seiten gelten, auch für den Sozialminister, dem in der vergangenen Woche bei allen Fragen zu mangelnden Impfangeboten vor allem eines einfiel:

Im Sommer so der Tenor, hätten die dummen Menschen ja kommen können, nun seien sie selbst schuld, wenn sie in der Kälte vor dem Impfbus ständen. Herr Lucha, diesen Zorn kann ich sogar nachvollziehen. Aber bringt es uns weiter, wenn Sie sich als Minister so in der Landespressekonferenz äußern? Ist das hilfreich?

Wäre es nicht besser, wenn Ihr Haus seine Taskforce endlich mit genügend Personal versehen würde? Dann gäbe es nicht landauf, landab Klagen von Bürgermeistern und Landräten, dass man auf die Bitte um Unterstützung lokaler Impfangebote nicht einmal eine Antwort bekommt? Dass es man den angegeben E-Mail-Kontakte gar nicht erreicht?

Wäre es nicht hilfreicher, Sie würden die Millionen anstehender Impfungen vorbereiten, und zwar nicht nur mit zwanglosen Gesprächen, sondern mit konkreten Plänen?

Wäre es nicht hilfreicher, jetzt dafür zu sorgen, dass alle Menschen über 60 geordnet und verlässlich zu den Booster-Impfungen eingeladen werden, um nicht wieder so ein Terminchaos zu erleben wie im Frühjahr?

Wäre es nicht hilfreicher, jetzt Impfaktionen an den Schulen vorzubereiten? Wäre das nicht schon in den Sommerferien sinnvoll gewesen?

Wäre es nicht hilfreicher, Sie würden über die Impfstützpunkte hinaus mindestens 200 mobile Impfteams ins Land schicken und das nicht nur bis zum Jahresende, sondern so lange, wie es nötig ist?

Wäre es nicht hilfreich, das Land würde jetzt etwas von den über drei Milliarden Euro ausgeben, die für Corona bewilligt wurden und die noch auf der hohen Kante liegen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Team Hilflos legt man gerne die Hände in den Schoß und wartet auf Andere. Und ausgerechnet zusammen mit Markus Söder, dem Ministerpräsidenten des schlimmsten Corona-Hotspots, will man jetzt auf den Bund zeigen. Wo bleibt eine Impfpflicht? Warum greift der Staat nicht endlich durch?

Womöglich wird es nötig sein, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen. Aber selbst bei einem Eilverfahren wird das viele Wochen dauern, wenn nicht Monate. Für den Moment hilft diese Debatte erst einmal gar nichts, und schon gar nicht, wenn sie nur als Ablenkung von eigenen Versäumnissen dienen soll.

Denn vor dem zweiten Schritt müssen wir den ersten tun. Wir brauchen eine verbindliche Impfung für alle Beschäftigten in Krankenhäusern, Alten- und Pflegheimen, in Schulen und Kitas.

Wer ins Team Hilfreich will, der fordert auch nicht immer nur zu Impfungen auf, der macht sie auch möglich! Fordern Sie also nicht nur Tatkraft vom Bund, zeigen Sie Tatkraft im Land! Niemand weiß, wie viele Menschen allein das Terminchaos im Frühjahr von den Impfungen abgeschreckt hat. Es ist doch furchtbar, wenn sich jetzt Menschen wieder abwenden, weil sie die Schlangen vor den Impfangeboten sehen.

Und hilfreich wäre es auch, wenn wir endlich die Dimensionen der Aufgabe erkennen, die vor uns liegt. Es kann doch nicht sein, dass das Sozialministerium weiter auf die Ärzte zeigt und sich bei der Schaffung örtlicher Impfstützpunkte vornehm zurückhält. Sie sagen, so schnell kann man das nicht hochfahren? Schauen Sie doch die Kommunen an, die haben diese Stützpunkte doch schon. Aber sie bekommen teils nicht einmal die versprochenen Hilfen von Ihnen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was bisher versäumt wurde, werden wir so schnell nicht einholen, aber auch das bringt uns jetzt nicht weiter.

Wir brauchen sofort Hilfe.

Selbst wenn es gelingt, die Impfungen viel massiver hochzufahren als es die Landesregierung bisher plant.

Selbst wenn noch viel mehr Menschen endlich begreifen, wie unklug es ist, sich nicht impfen zu lassen.

Selbst dann kommt der Impfschutz für diese vierte Welle spät und vielleicht zu spät. Brandschutz ist gut, aber im Moment brennt es schon lichterloh. Wir müssen löschen.

So lange noch viel zu viele Menschen in diesem Land nicht ausreichend immunisiert sind, müssen wir genau diese Menschen schützen. Nur darum geht es, nicht um Ausgrenzung oder Druck. Es reicht nicht, wenn zwei Drittel der Bevölkerung immunisiert sind, aber das übrige Drittel nach einer Infektion mit schweren Verläufen auf den Intensivstationen landet.

Wir müssen dafür sorgen, dass in den kommenden Wochen alle vermeidbaren Möglichkeiten zur Ansteckung ausgeschlossen werden. Veranstaltungen müssen auf geimpfte und genesene Menschen beschränkt werden, und es braucht Tests, damit Infektionen nicht weitergetragen werden.

Und so schwer es fällt: Wo 2G plus nicht umsetzbar ist, kann es keine Massenveranstaltungen geben. Leider auch keine Weihnachtsmärkte. Auch hier ist das Team Hilfreich doch längst am Werk, viele Städte sagen die Märkte ab. Warum machen wir da keinen Knopf an die Sache, ehe es zu Glühweintourismus kommt? Und warum machen wir es so nicht möglich, dass die Schausteller Hilfen auch vom Land erhalten können?

Überall, wo die Einhaltung von 2G plus möglich ist, muss auch kontrolliert werden, dass diese Regeln eingehalten werden. Und auch da braucht das Team Hilfreich in den Kommunen Unterstützung.

Wir alle hätten es gerne anders, aber nur so können wir in diesen Tagen überhaupt noch öffentliches Leben zulassen. Nur so sind wir nicht hilflos.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch die Landesregierung hat in den mehr als eineinhalb Jahren der Pandemie kein sehr gutes Bild abgegeben. Es gab widersprüchliche Aussagen. Ist der eine Impfstoff besser als der andere? Braucht es die Booster-Impfung ab sechs oder ab 5 Monaten? Kann man Kinder impfen oder nicht?

Es wurde gezaudert und gezögert, gezweifelt und gewartet. Und das im Kampf mit einem Virus, das gar nicht zaudern und zweifeln kann, das nie zögert und nie wartet.

Wir sind schlauer als das Virus, und ich bin mir sicher, dass wir es besiegen können. Aber nicht als Team Hilflos. Zigtausende Menschen in diesem Land machen uns vor, wie es geht, in Kliniken und Pflegeheimen, in Impfteams und Arztpraxen, in Rathäusern und den Gesundheitsämtern überall, wo man im Alltag gegen diese Pandemie kämpft.

Seien wir endlich so entschlossen wie diese Menschen.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.