Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Finanzminister,
ich hatte eigentlich vor, eine freundliche -ja fast schon staatstragende- Rede zu halten. Dann bin ich auf ihren Machiavelli-Podcast im WDR gestoßen, sehr geehrter Herr Finanzminister. Den habe ich mir aufmerksam angehört. Dabei ging es -wie so häufig in Ihren Interviews- nicht um Finanzpolitik. Sondern Ihre Vorliebe für Rap-Musik stand im Mittelpunkt. Dabei habe ich folgendes Zitat von Ihnen gefunden.
Ich zitiere:
„Es ist halt ungefiltert, direkt, in your face, bäm, hier bin ich.
Kein Rumgeschwafel, kein Plastiksprech, sondern klare Aussagen.
Etwas, was uns manchmal in den politischen Diskursen fehlt.“
Deshalb habe ich mir natürlich Gedanken gemacht, wie ich Ihnen Ihren Wunsch nach „weniger Plastiksprech und mehr klaren Ansagen“ erfüllen könnte. Oder anders, wie wir mehr Rap ins Parlament bekommen, damit ich Ihre volle Aufmerksamkeit erhalte.
Für einen kurzen Moment habe ich mir überlegt, ob ich die Anrede von „Sehr geehrter Herr Finanzminister“ in „What’s up Dr. B?!“ ändern soll. Das war mir dann aber doch parlamentarisch zu unangemessen.
Da ich manchmal das Gefühl habe, dass Sie noch nicht richtig in Ihrem neuen Amt in Baden-Württemberg angekommen sind, habe ich allerdings eine andere Lösung gefunden. Wenn schon Deutschrap bzw. deutscher Hip-Hop, dann sollte man in Baden-Württemberg nicht Kollegah oder Haftbefehl hören, sondern sich eindeutig mehr mit den Fantastischen Vier beschäftigen.
Deshalb habe ich (extra für Sie) -mehr oder weniger offensichtlich- Songzeilen der Fanta 4 in die weitere Rede eingebaut. Mal schauen, ob Sie so mehr auf die SPD-Fraktion hören.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, wir waren durchaus positiv überrascht, als wir hörten, dass Sie Finanzminister werden. Und nicht nur die Presse hat sich gedacht: Die erste Songzeile ist jetzt zugegebenermaßen sehr einfach zu erkennen –er wurde über Nacht zum Krieger gemacht. Wir kannten schließlich Ihre Reden und Positionen aus dem Bundestag und der letzten 3,5 Jahre als Bundestagsabgeordneter.
Wir sind allerdings mehr als enttäuscht, wie wir feststellen müssen, dass Sie offenbar im zurückhaltenden Agieren dieser Landesregierung gefangen sind.
Sie wirken regelrecht gefesselt von einer konservativen CDU-Fraktion und einem konservativen Ministerpräsidenten. Und deshalb machen Sie vermeidbare Fehler, sehr geehrter Herr Finanzminister! Ihr erster Aufschlag war der 3. CORONA –Nachtragshaushalt im Sommer diesen Jahres. Damals waren Sie neu und man hätte Ihnen Unrecht getan, wenn man schon nach 8 Wochen im Amt ihre Handschrift erkennen wollte. Schließlich sind sie kein Bundesliga-Trainer.
Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass dieser 3. Nachtrag nichts mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu tun hatte. Sie geben die damals aufgenommenen Kreditermächtigungen wieder ungenutzt zurück. Was bleibt ist lediglich die Aufblähung des Regierungsapparats!
Trotz aller Schonfrist in den ersten Wochen: schon für diesen Nachtragshaushalt waren Sie verantwortlich, Herr Finanzminister. Oder um nochmals offensichtlich Smudo zu zitieren „Am Ende steht Dein Name drauf“.
Nun steht Ihr Name auch unter dem ersten ordentlichen Haushalt. Und wenn ich mich an den 26. Oktober – den Tag Ihrer Einbringung erinnere, dann muss ich doch eines vorneweg unterstreichen und wiederholen: Das ist ein regulärer Haushalt und keiner des
Übergangs, wie es Sie von Grün und CDU immer wieder allen versuchen einzureden. Mit dem Begriff des „Übergangshaushalts“ schaffen Sie für sich lediglich eine Ausrede für Ihr kraftloses Handeln, werte Kolleginnen und Kollegen.
Für diese Landesregierung und ihre Finanzpolitik gilt ganz offensichtlich: „Im Moment fehlt die Vision, doch irgendwas findet sich schon.“
Gehen wir deshalb rein in Ihr Werk. Lassen Sie uns dabei vor allem nicht die vergangenen Beratungen im Finanzausschuss vergessen, ohne diese wäre dieser Haushalt nämlich löchriger als ein bekannter Schweizer Käse.
Diese Löcher muss ein Finanzminister sehen! Gerne helfen wir auch hier konstruktiv und entschieden weiter.
Und wie mangelhaft ihr Entwurf war, werde ich Ihnen anhand von konkreten Beispielen und Anträgen aufzeigen.
Um bei Ihrer Vorliebe für Rap zu bleiben, gibt es für Sie jetzt sogar eine Hook-Line in meiner Rede. Sie lautet:
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Starten wir im Wissenschaftsbereich: Änderungsantrag 14/23 von Grüne & CDU
Personal für Umsetzung Onlinezugangsgesetz (OZG), 1,2 Mio. Euro.
Das OZG „verpflichtet […] Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.“ – Sie waren im Bundestag, als das beschlossen wurde. In Ihrem Entwurf: Fehlanzeige!
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Im Umweltministerium hagelt es nur so Änderungsanträge, auch hier waren die Regierungsfraktionen mengenmäßiger Spitzenreiter:
Der Änderungsantrag 10/21 zeigt wie das Ministerium auf die Unterstützung der Fraktionen angewiesen ist, weil sonst auch hier das OZG nicht hätte umgesetzt werden können; ebenso der Antrag 10/22.
Und das beste: mit dem Antrag 10/26 springen Ihnen die Fraktionen für Ihre Klimaweisen zur Seite. Ist dieses Projekt auch nur durch die neue Steuerschätzung möglich geworden? – Klimaschutz nach Konjunkturlage?
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Im Verkehrsministerium: Änderungsantrag 13/13 von Grüne & CDU
Hier wurden nachträglich offensichtlich notwendige Verpflichtungsermächtigungen gegenüber öffentlichen Einrichtungen erteilt, die zuvor nicht im Entwurf waren. Hier wurde im Entwurf offensichtlich geschlampt.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Mit den Anträgen 08/24 und 08/36 mussten Finanzierungslücken im essentiellen IT-Bereich gestopft werden, damit Fördermittel des Bundes und der EU auch in Baden-Württemberg ankommen können.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
In Ihrem eigenen Haus: Änderungsantrag 06/6 von Grüne & CDU
Hier musste beim Landeszentrum für Datenverarbeitung nachgebessert werden, eine Stelle und strukturelle 300.000 EUR. Das fällt den Fraktionen auf?
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Im Sozialministerium, da muss man bei allem doppelt und dreifach prüfen, das kann ich Ihnen nur raten geschätzter Minister Dr. Bayaz; da mussten die Fraktionen sogar einen Leertitel schaffen, damit das Land Bundesmittel aus dem Bundesteilhabegesetz überhaupt umleiten und auszahlen kann!
So etwas darf nicht passieren. Schon gar nicht, wenn das schon seit dem Sommer bekannt war. Dass dies einem überforderten Sozialminister nicht auffällt ist ehrlicherweise nicht überraschend, aber
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Zu unser aller Entsetzen mussten wir leider auch feststellen, dass geplant war, dem Antisemitismusbeauftragten 10.000 Euro zu streichen und diese mit einem Änderungsantrag auf das Ausgangsniveau zurückzuführen. Dabei in der Begründung ganz unverhohlen von einer „Stärkung seiner Arbeit“ zu fabulieren ist wirklich beschämend, werte Kolleginnen und Kollegen.
Auf die Andeutungen, die Novembersteuerschätzung wäre ausschlaggebend für diese Kürzungsrücknahme, möchte ich nicht näher eingehen.
Ich kann jedoch versichern, dass Baden-Württemberg niemals so pleite sein wird, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch nur auf die Idee kämen, die Mittel für den Antisemitismusbeauftragten zu kürzen! Der Kampf gegen rechts ist für uns Verpflichtung und wird niemals von der Kassenlage abhängig sein.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Die Liste lässt sich fast unerschöpflich fortsetzen. Diese und noch mehr solcher Anträge – in Summe, allein im Finanzausschuss, 225 der Regierungsfraktionen – belegen wie löchrig der Entwurf war.
Und selbst heute beantragen die Fraktionen Grüne/CDU unter „1212-14“ eine weitere, schwerwiegende Korrektur. Der geplante Abriss von Wohnungen konnte nur knapp vor der Planierraupe bewahrt werden, die Mittel sollen nun der Uni Freiburg zugehen.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, das muss einem Finanzminister auffallen!
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich muss feststellen, dass es sich bei diesem Haushalt um einen Haushalt der verpassten Chancen handelt! Denn Baden-Württemberg steht finanziell viel besser da, also Sie es immer darstellen. Deswegen wäre von der Finanzlage her in diesem Land viel mehr möglich, aber Sie können es leider nicht auf die Strasse bringen! Für Ihre Finanzpolitik gilt bisher eindeutig: „Die Zeit war hart. Kein high nur low!“
Sehr geehrter Herr Finanzminister, für uns stellt sich die Frage: Wer hindert Sie daran, das finanzielle Potential von Baden-Württemberg auszuschöpfen und damit das Land stärker zu machen?
Könnte es evtl. sein, dass der Ministerpräsident hier auf die Bremse tritt?
Für den Ministerpräsidenten gilt übrigens: „Freitag ist er nie da“!
Lassen Sie sich von der CDU-Fraktion ausbremsen?
Wollten Sie so ein Finanzminister werden? Hätten Sie sich vor 6 Monaten vorstellen können, einen solch unambitionierten und fehlerhaften Haushalt zu verantworten? Laufen Sie regelmäßig aus dem Kabinett und denken sich „Heute ist wieder einer der verdammten Tage, die ich kaum ertrage“; Was ist da passiert? Unser Appell: Lösen Sie sich von diesen konservativen Fesseln! Seien Sie so fortschrittlich als Finanzminister, wie Sie es im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Social Media sind!
Wir wünschen uns:
Einen Finanzminister, der die Schlüsselrolle seines Ministeriums nutzt, damit Respekt, Zukunft und Zuversicht in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden!
Und trotzdem: „Ich wollt noch Danke sagen“, wie wertschätzend und kollegial Sie und Frau Staatssekretärin Dr. Splett auch und gerade mit der Opposition umgehen.
Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen und mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Hause für ihre gute Arbeit bedanken! Das gesamte Finanzministerium war mit einem Nachtragshaushalt, einem regulären Haushalt und der Bewältigung der Pandemie massiv gefordert.
Sie haben in Ihrem Haus eine gute Mannschaft, die ein großes Potential hat. Wir erwarten von einem Finanzminister allerdings auch eine politische Lenkungs- und Steuerwirkung. In diesem Punkt sehen wir bei Ihnen auch noch deutlich Luft nach oben.
Unsere Haushaltsanträge haben gezeigt, wo das Land stehen könnte und wo es hingehen könnte. Die zentralen Aspekte für uns als SPD sind Zukunft, Zuversicht und Respekt, die uns auch bei den aktuellen Haushaltsberatungen geleitet haben. Unter Zukunft verstehen wir, dass man Fortschritt in die Hand nimmt, dass man Wandel steuert und gestaltet. Zuversicht steht bei uns dafür, unser Land auf die kommenden Herausforderungen einzustellen. Und Respekt bedeutet, dass wir Politik für ein starkes und soziales Land mit gerechten Steuern und guten Löhnen machen.
Es ist bekannt: Wir sind keine Fundamentalopposition, wir begreifen uns als konstruktives Korrektiv, werte Kolleginnen und Kollegen.
Entschlossen und entschieden, wenn der Minister rassistisch in sozialen Netzwerken angegangen wird und ebenso, wenn er ein Meldeportal für mehr Steuergerechtigkeit online stellt. Letzteres sogar gegen Stimmen von Bundestagsabgeordneten der CDU-Baden-Württemberg! Hier gilt übrigens: Wer wegen seiner Steuerpolitik von Uli Hoeneß kritisiert wird, macht definitiv auch etwas richtig, werte Kolleginnen und Kollegen.
Sehr geehrter Herr Dr. Bayaz, es könnte alles so einfach sein; ist es aber nicht. Um nochmals auf den Podcast zurückzukommen: Als Finanzminister könnten Sie der DJ des Landes sein, aber manchmal kommt es mir so vor, als ob Sie nur der Plattenträger des Ministerpräsidenten sind! Mit Rap scheint Ihre Finanzpolitik nicht zu funktionieren. Vielleicht gilt für Sie und das Land: Weniger Rap und mehr Rock’n’Roll. Hier finden Sie auch in der SPD-Fraktion zahlreiche Experten. Die Menschen im Land hätten nicht nur mehr Rock, sondern insbesondere mehr Fortschritt und Respekt verdient. Dafür wird sich die SPD-Fraktion weiterhin mit ganzer Kraft einsetzen!
Vielen Dank und „MFG“!