MdL Birgit Kipfer: „Medienerziehung ist der Schlüssel zum verantwortungsvollen Umgang mit Medien und zur gewaltfreien Konfliktlösung auch an Schulen“

Vor dem Hintergrund der jüngsten Gewalteskalation an einer Schule in Emsdetten befasste sich die SPD-Landtagsfraktion in einer hochkarätig besetzten Anhörung mit der Frage, wie Medienkompetenz und gewaltfreie Konfliktlösung bei Kindern und Jugendlichen verbessert werden können. Einig waren sich die Fachleute, dass der verantwortungsvolle Umgang mit Medien geübt und von Eltern, Schulen und der freien Jugendarbeit unterstützt werden muss, teilte die SPD-Medienexpertin Birgit Kipfer mit. Zwar gebe es bereits vielfältige Plattformen und Pilotprojekte unterschiedlichster Akteure, so Kipfer, sie seien bisher aber kaum miteinander vernetzt. Einigkeit herrschte bei der Anhörung auch darüber, dass die Vermittlung von Medienkompetenz in allen pädagogischen Ausbildungsgängen verankert und in die Elternarbeit in Schule und Kindergarten verstärkt einfließen muss.

Für Birgit Kipfer, medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ist die Vermittlung von Medienkompetenz präventiver Jugendschutz. Auf diesem Wege sei das Ziel, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Medien zu unterstützen und gegen Gefährdungen und Gewalt zu wappnen, besser zu erreichen als über Verbote.

Über die Gefährdungen, denen Kinder und Jugendliche heute ausgesetzt sind, berichtete Harald Schaber, Leiter des Referats Prävention beim Landeskriminalamt. In jedem dritten Kinderzimmer gebe es inzwischen einen Internet-Anschluss, der den Zugang zu vielen zweifelhaften, Gewalt verherrlichenden, pornografischen oder rechtsextremistischen Seiten ermögliche. Auch Chat-Angebote seien selten harmlos. Snuff-Videos mit brutalsten Inhalten und das sogen. Happy Slapping, also das Aufzeichnen und Weiterverbreiten von Gewaltvideos ebenfalls über das Handy, seien insbesondere in der Hauptschule auf dem Vormarsch.

Die Polizei habe hier über Ländergrenzen hinweg im Auftrag der Innenministerkonferenz zwar erhebliche Anstrengungen unternommen, das Internet auf verbotene Inhalte zu prüfen und zielgruppenspezifisch präventiv zu wirken. Dennoch müssten insbesondere Eltern noch mehr sensibilisiert und in der Prävention tätige Polizeibeamte noch weiter qualifiziert werden. Schaber plädierte darüber hinaus für eine schärfere Indizierung von sog. Killerspielen und eine Verschärfung der Alterseinstufung bei Computerspielen.

Professor Horst Niesyto von der pädagogischen Hochschule Ludwigsburg plädierte engagiert für die verbindliche Verankerung medienpädagogischer Inhalte in der Grundbildung in allen pädagogischen Berufen. Nur so könne ein Grundverständnis für Fragen der Mediensozialisation und der kreativen Möglichkeiten von Medienbildung geschaffen werden. Nach der Medienoffensive I und II der Landesregierung während der letzten zehn Jahre sei es nun an der Zeit, die Phase der Modellprojekte abzuschließen und eine dauerhafte und nachhaltige Medienbildung in Schulen und außerschulischen Kontexten zu verankern, um die Masse der Kinder und Jungendlichen zu erreichen.

Jochen Mack, stv. Vorsitzender des Landesjugendrings, warb dafür, die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nicht zu verteufeln, sondern sie darin zu unterstützen, die positiven Effekte zu nutzen. Im praktischen Handeln und Herstellen von Medieninhalten könnten Kinder am besten erfahren, welche Manipulationsmöglichkeiten es gibt. Auch Mack warb für die Integration von Medienbildung in die Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen, Jugendarbeitern und Lehrern sowie für eine kontinuierliche Unterstützung der Medienarbeit vor Ort. Er beklagte, dass beispielhafte Modellprojekte, wie die „e.tage“ der medienpädagogischen Fachstelle in Ulm, nach vierjähriger erfolgreicher Arbeit jetzt eingestellt werden müssen, weil die Förderung auslaufe.

Albrecht Kutteroff, Leiter des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, erläuterte die Befunde der jüngsten Studie des Verbunds zum Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen. 93 % der Jugendlichen haben demnach ein Handy und die problematische Nutzung der Medien steigt in dem Maße, wie das Bildungsniveau sinkt. Auch in dieser Studie werde dringend empfohlen, die Elternbildung voranzutreiben. Da Medienkompetenz auch Teil des Jugendschutzes sei, müsse sich die gesamte Gesellschaft dem kompetenten Umgang mit Kommunikation als zentraler Bildungsanforderung stellen.

Kutteroff forderte vehement auch die Vernetzung der inzwischen vielfältig vorhandenen Initiativen und Plattformen für den positiven Umgang mit Medien. So sei es erst kürzlich gelungen, die großen Plattformbetreiber auf eine einheitliche Seite mit guten Angeboten zusammen zu führen. Auch auf regionaler und lokaler Ebene würden viele Projekte noch zu sehr nebeneinander her laufen. Die Bildung eines Netzwerks verstärke die Wirkung der vorhandenen Projekte ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand.

Siegfried Czernohorsky, Ministerialrat im Bildungsministerium Rheinland-Pfalz, schilderte die Anstrengungen des Nachbarlandes, um die Vermittlung von Medienkompetenz flächendeckend an die Schulen zu bringen. Man habe diese Initiative mit dem Ausbau von Ganztagesschulen verknüpft. Inzwischen seien 25% der Schulen im Ganztagesbetrieb und jede Schule habe ein eigenes Budget für die Medienerziehung. Im Wege einer Qualitätssicherung müssten die Schulen dann nachweisen, auf welche Weise das Geld für den vorgegeben Zweck ausgegeben wird.

Helmut Zorell
Pressesprecher