Fraktionsvorsitzender Claus Schmiedel: „Mit einer Angleichung der Elternbeiträge wollen wir echte Wahlfreiheit schaffen“
Verbandsvorsitzende Christina Metke: „Tagesmütter brauchen bessere finanzielle und weniger bürokratische Rahmenbedingungen“
Die Kindertagespflege soll im Rahmen der frühkindlichen Bildung und Betreuung neben den Kindertagesstätten zu einem gleichwertigen, qualitativ anspruchsvollen und für Eltern attraktiven Standbein ausgebaut werden. Das ist der Kern eines gemeinsamen Vorschlags der SPD-Landtagsfraktion und des Landesverbands der Tagesmütter. „Wir wollen im Rahmen des beschlossenen Ausbaus der frühkindlichen Bildung und Betreuung auch das Angebot an Tagesmüttern stärken“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel.
Viele Eltern bevorzugten die vertraulichen, familiären Strukturen und die Flexibilität der Tagesmütter, müssten dafür aber vielerorts höhere Beiträge bezahlen. „Mit einer Angleichung der Elternbeiträge wollen wir echte Wahlfreiheit schaffen“, betonte Schmiedel. Er verwies auf die Landeshauptstadt Stuttgart, wo dies seit 1. Januar 2012 praktiziert werde. Dadurch habe sich die Nachfrage nach Tagesmüttern vervierfacht. „Wenn dies in Stuttgart funktioniert, dann schlummert auch anderswo viel mehr Potenzial, das wir dringend erschließen müssen“, unterstrich Schmiedel.
Vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung und Betreuung ab 1. August 2013 müsse sowohl das Angebot bei den Tageseinrichtungen als auch in der Tagespflege gesteigert werden. Während im Bereich der Tageseinrichtungen bereits zahlreiche Aktivitäten liefen, bestehe in der Tagespflege noch erheblicher Nachholbedarf. Zu finanziellen Verbesserungen habe aber auch hier der 2011 zwischen Land und Kommunen geschlossene „Pakt für Familien mit Kindern“ geführt. Die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise nach dem Finanzausgleichsgesetz (§ 29c FAG) stiegen demnach von 12,1 Mio. Euro in 2011 auf 40,1 Mio. Euro in 2012 und auf nunmehr 43,7 Mio. Euro in 2013. Das entspricht seit 2011 einem Zuwachs der Mittel von mehr als 350 Prozent.
Nach Angaben des Statistischen Landesamts entwickelte sich die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege wie folgt: jeweils zum Stichtag am 01.03. betrug die Betreuungsquote 2010 in der Kindertagespflege 2,6 Prozent (= 7.246 Kinder), 2011 lag sie bei 2,9 Prozent (= 8.067 Kinder) und 2012 kam sie auf 3,3 Prozent (= 8.884 Kinder). Für die Kindertageseinrichtungen sehen die Zahlen folgendermaßen aus: 2010 Quote von 15,8 Prozent (= 43.711 Kinder), 2011 Quote von 18,0 Prozent (= 49.392 Kinder) und 2012 Quote von 20,0 Prozent (= 54.272 Kinder). „Angesichts der massiven Steigerung bei den Zuwendungen seit 2012 gehe ich auch für dieses Jahr in der Kindertagespflege von einer dynamischen Entwicklung aus“, sagte Schmiedel voraus.
Um den positiven Trend noch mehr anzukurbeln, dringt die SPD-Landtagsfraktion darauf, dass Eltern künftig in allen 44 Stadt- und Landkreisen für Tagespflegeeltern die gleichen Beiträge zu zahlen haben wie für Kindertagesstätten. Fraktionschef Schmiedel mahnte dafür ein landesweit abgestimmtes Konzept an. So sei es eine Überlegung wert, die Zuständigkeit für die Kitas und für die Kindertagespflege in eine Hand zu legen. Für Erstere sind bisher die Städte und Gemeinden zuständig, für Letztere die Stadt- und Landkreise.
Die SPD hat inzwischen im Landtag eine Große Anfrage eingebracht, um Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Demnach soll die Regierung alle wichtigen Daten zum Stand der Kindertagespflege erheben und mögliche Maßnahmen prüfen, um deren Attraktivität wirksam zu steigern. Schmiedel schließt dafür auch verwaltungstechnische oder gar gesetzliche Anpassungen nicht aus.
Landesverband der Tagesmütter unterstützt SPD-Vorstoß für echte Wahlfreiheit
Der Landesverband der Tagesmütter-Vereine stellte sich hinter die Initiative der SPD-Landtagsfraktion für eine Angleichung der Elternbeiträge für die Betreuung in Kindertagesstätten oder durch eine Tagesmutter. „Damit trägt man dem gesetzlich garantierten Wunsch- und Wahlrecht der Eltern tatsächlich Rechnung. Je jünger die Kinder, um so mehr wird die Betreuung durch Tagesmütter von den Eltern bevorzugt“, sagte Christina Metke, Vorsitzende des Landesverbands der Tagesmütter-Vereine.
In der Kindertagespflege könnten nach Ansicht Metkes relativ kurzfristig mehr Plätze geschaffen werden, wenn sich die finanziellen und bürokratischen Rahmenbedingungen für Tagesmütter verbesserten. Dazu gehöre insbesondere ein verlässliches und planbares Einkommen, auch wenn einmal wegen Krankheit oder ähnlichem ein Platz nicht besetzt sei. „Die Arbeit der Tagesmütter wird überdies durch eine sehr hohe Bürokratie belastet. Wir wissen, dass viele auch deshalb ihre Tätigkeit einstellen oder die Qualifizierung abbrechen“, unterstrich Metke. Hier sei dringender Handlungsbedarf geboten.
Mehr Plätze schon im Jahr 2013 könne man schaffen, wenn derzeit nicht tätige Tagesmütter wieder einstiegen und es für aktive Tagesmütter Anreize gebe, im Schnitt mehr Kinder zu betreuen. Ein Hebel aus Verbandssicht wäre beispielsweise eine Platzbereitstellungspauschale. „Für uns ist wichtig, dass auf Ausbau und Qualität gleichermaßen Wert gelegt wird. Denn nur so wird die Kindertagespflege auf Dauer eine verlässliche Säule in der Kinderbetreuung sein“, gab Metke zu bedenken.
Sie machte auf mehrere neue wissenschaftliche Studien aufmerksam, zuletzt die sogenannte Nubbek Studie (Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit), welche der Kindertagespflege schon heute eine gleich gute Qualität wie in Betreuungseinrichtungen bescheinigten. Metke räumte aber auch Defizite ein, die man in Baden-Württemberg dringend beheben müsse. Dazu gehöre beispielsweise eine verlässliche Betreuung durch Vertretungsregeln oder –modelle. „Am wichtigsten ist uns jedoch, dass der Kinderschutz in ganz Baden-Württemberg durch die Beratung, Begleitung und Vermittlung der Tagesmütter durch pädagogische Fachkräfte gewährleistet ist“, appellierte Metke. Dazu müssten noch in vielen Stadt- und Landkreisen die Strukturen besser ausgebaut und auch landesweite Standards festgelegt werden.
Daten und Fakten zur Kindertagespflege in Baden-Württemberg
• Zum Stichtag 1. März 2012 haben in Baden-Württemberg 6.727 Tagespflegepersonen ein oder mehrere Kinder betreut. Darüber hinaus gab es zum Stichtag 1. März 2012 ca. 2.500 Tagespflegepersonen, die kein Kind betreut haben. Insgesamt wurden 18.906 Kinder von 0 bis unter 14 Jahren in Kindertagespflege betreut, davon 8.884 Kinder unter drei Jahren (von diesen 8.884 Kindern wurden 424 Kinder zusätzlich auch in Tageseinrichtungen betreut). In Tageseinrichtungen wurden 390.657 Kinder von 0 bis unter 14 Jahren betreut, davon 54.272 Kinder unter drei Jahren.
• Tagespflegepersonen durchlaufen eine umfangreiche Qualifizierung über 160 Unterrichtseinheiten (siehe Qualifizierungskonzept für Tagespflegepersonen in Baden-Württemberg auf der Grundlage des Qualifizierungsprogramms des Deutschen Jugendinstituts (DJI), überarbeitete Fassung vom 23. Februar 2011).
• Tagespflegepersonen belegen jedes Jahr verpflichtende Fortbildungen mit mindestens 15 Unterrichtseinheiten.
• 30 Prozent der Tagespflegepersonen haben einen fachpädagogischen Bildungsabschluss (die meisten davon sind Erzieherinnen, laut Statistischem Landesamt vom 18.10.2012).
• Baden-Württemberg beteiligt sich finanziell an der Aus- und Weiterbildung von Tagespflegepersonen (Verwaltungsvorschrift Kindertagespflege vom 18.02.2009).
• Der Landesverband der Tagesmütter-Vereine Baden-Württemberg e. V. betreut mit derzeit 52 örtlichen Tageselternvereinen ein nahezu flächendeckendes Netz von örtlichen oder auf Kreisebene tätigen Tageselternvereinen und kooperiert mit allen freien und öffentlichen Trägern.
• Es gibt eine verbindliche landesweite Empfehlung zur laufenden Geldleistung für Tagespflegepersonen, nach der diese in U3 mindestens 5,50 €/Kind und Stunde, in Ü3 mindestens 4,50 €/Kind und Stunde erhalten (bundesweiter Spitzensatz).
Stuttgart, 7. Februar 2013
Martin Mendler
Pressesprecher