In Baden-Württemberg fehlt es fast flächendeckend an Wohnraum, insbesondere im unteren und mittleren Preissegment. Dadurch ist es vielen Menschen, darunter vielen Familien, kaum noch möglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Deshalb fordert die SPD seit langem, mehr Wohnraum zu schaffen, und hat hierzu bereits umfangreiche Vorschläge vorgelegt. Zu nennen ist hierbei insbesondere die Einrichtung einer Landesentwicklungsgesellschaft für Wohnungsbau und Quartiersentwicklung (BWohnen), um u.a. auf landeseigenen Flächen Wohnungen zu schaffen, die bezahlbar sind. Wir sehen das Land in der unmittelbaren Verantwortung, eine echte Wohnraumoffensive zu starten.
Ein weiterer Schlüssel für ausreichenden Wohnraum ist die bessere Nutzung des vorhandenen Wohnraums. Hierbei richtet sich der Fokus auf zwei Aspekte:
- zum einen müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um der zunehmenden Zweckentfremdung von Wohnraum zu begegnen;
- zudem braucht es Initiativen, um den Leerstand von Wohnraum zu verringern.
Verantwortung einfordern, Zweckentfremdung bekämpfen
In der Verantwortung der SPD trat 2013 das Zweckentfremdungsverbotsgesetz (ZwEWG) in Kraft. Dies war ein wichtiger Schritt, um mehr Wohnraum zu generieren. Als die Auswirkungen des Gesetzes wie üblich nach fünf Jahren diskutiert wurden, zeigte sich, dass es richtig war, ein solches Gesetz einzuführen, die Wirkung jedoch noch verbessert werden könnte. Auch wenn die grün-schwarze Regierungsmehrheit damals alle Vorschläge zu einer Weiterentwicklung des Gesetzes abgelehnt hat, bleiben diese auf unserer Agenda, um die Wirkung zu verbreitern. Im Wesentlichen geht es dabei um folgende Punkte, die aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion im Zweckentfremdungsgesetz weiterentwickelt sowie darüber hinaus geregelt werden sollen:
Erstreckung der Auskunftspflicht auf Betreiber von Internetportalen
Die Zweckentfremdung für touristische Angebote über Internetportale wie z.B. Airbnb hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen – und sich durch die Corona-Pandemie eher noch ver- als entschärft. Dem steht eine grün-schwarze Landesregierung gegenüber, die ausdrücklich nicht handeln will. Derzeit können Kommunen nur mit Hinweisen aus der Nachbarschaft, Wohnungsaufsuchen oder Eigenanmeldung auf den diversen Portalen über die Zweckentfremdung Kenntnis erlangen. Das Land muss hier hilfreich sein und den Kommunen ein entsprechendes Auskunftsrecht gegenüber den Internetportalen verschaffen. Hierfür muss der § 4 ZwEWG ergänzt werden.
Jeder Wohnraum muss dem Zweckentfremdungsverbot unterliegen, Rückwirkung auf Zweckentfremdungen auch vor Inkrafttreten der kommunalen Satzung
Wohnraumversorgung ist ein kontinuierlicher Prozess, dem Zweckentfremdung entgegensteht. Dabei kann es keine Privilegierung für diejenigen geben, die die Zweckentfremdung schon länger betreiben. Die derzeitige Regelung zur Nicht-Rückwirkung schafft aber eine Privilegierung. Diese muss aus dem Grund gestrichen werden. Zu einem konsequenten Verständnis der Wohnraumversorgung als kontinuierlichen Prozess gehört auch, dass jeder Wohnraum, egal wann er geschaffen wurde, dem Zweckentfremdungsverbot unterliegt. Entsprechende Ausnahmen zur Umwandlung, wie sie derzeit in § 2 ZwEWG enthalten sind, sind daher zu streichen.
Zugriffrecht der Kommune auf zweckentfremdete Wohnungen und Möglichkeit zur vorübergehenden kommunalen Verwaltung
Leerstand hat viele Gesichter und Gründe. So kann aus spekulativen Gründen oder aufgrund fehlender finanzieller Mittel zur Wiederherstellung als Wohnraum ein lang anhaltender Leerstand vorliegen. Die Kommunen brauchen darum ebenso vielfältige Instrumente und für die oben genannten Fälle auch ein Zugriffsrecht mit einer vorübergehenden Eigentümerstellung als „kommunale Verwaltung“. Im Rahmen dieser kommunalen Verwaltung können Handwerker und Handwerkerinnen beauftragt, Renovierungen durchgeführt und Mietverträge abgeschlossen werden.
Verlängerung der Geltungsdauer der kommunalen Satzungen auf zehn Jahre
Der Anlass für eine Zweckentfremdungssatzung kann theoretisch wegfallen – darum ist eine Satzung ad infinitum, wie sie von manchen Kommunalvertreterinnen und –vertreterinnen gefordert wird, nicht sinnvoll und möglich. Dass eine Wohnraumoffensive aber eine Aufgabe für eine Dekade und nicht nur für wenige Jahre ist, liegt auf der Hand. Die Erweiterung der Satzungsdauer sorgt für langfristige Planung und Sicherheit für alle Beteiligten.
Erhöhung der möglichen Bußgelder
Die Situation auf dem baden-württembergischen Wohnungsmarkt ist auch im Bundesvergleich in besonderer Weise angespannt, weshalb hier noch mehr Augenmerk darauf zu richten ist, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verhindern. Dies muss sich auch in möglichen Bußgeldern niederschlagen. Während derzeit in Baden-Württemberg Bußgelder von 50.000 € vorgesehen sind, sind dies bspw. in Berlin 100.000 € und München 500.000 €.
Unterstützung der Kommunen bei Erlass einer Zweckentfremdungssatzung
Wir bekennen uns zur autonomen Entscheidung der Kommunen, ob sie eine Satzung gegen Zweckentfremdung erlassen oder nicht. Aber es liegt im Interesse des Landes, Zweckentfremdung von Wohnraum zu verhindern. Jede Kommune mit einer entsprechenden Satzung trägt dazu bei, den Druck im Land abzumildern. Das Land sollte daher in einem Programm die Kommunen, die eine Zweckentfremdungssatzung erlassen (haben), fördern, auch um eine entsprechende Personalausstattung zur Durchsetzung der Zweckentfremdungssatzung sicherzustellen.
Streichung der Subsidiaritätsbestimmung, nach der zunächst andere Maßnahmen genutzt werden müssen
Die Formulierung in § 1 ZwEWG, wonach vor Maßnahmen nach dem Zweckentfremdungsverbot zunächst andere zumutbare Mittel zur Wohnraumgewinnung geprüft werden müssen, setzt ein falsches Zeichen für eine offensive Wohnraumgewinnung. Der aktive Kampf gegen Zweckentfremdung und spekulativem Leerstand ist nicht das letzte denkbare Mittel, sondern Bestandteil einer nachhaltigen und verlässlichen Wohnungspolitik. In lokalen Bündnissen und Perspektiven für mehr bezahlbaren Wohnraum soll der Erlass einer entsprechenden Satzung nicht nur als Drohkulisse im Raum stehen, sondern von Anfang an als ein mögliches ordnungspolitisches Instrument zur Verfügung stehen.
Leerstand verringern: Chancen ermöglichen, Wohnraumbrücken schaffen
Auf der einen Seite gibt es in Baden-Württemberg einen großen Mangel an Wohnraum, auf der anderen Seite gibt es leer stehende Wohnungen. Um diesen Leerstand zu verringern, genügt es nicht, bloß Appelle an die Wohnungsbesitzerinnen und –besitzer zu richten. Es braucht darüber hinaus konkrete Unterstützung und Maßnahmen, die auch finanziell unterlegt sind. Konkret geht es um folgende Maßnahmen:
Unsichtbaren Leerstand angehen
Unsichtbarer Leerstand in Häusern oder großen Wohnungen, in denen nur noch eine Person wohnt, erhöht die Risiken für Altersarmut und für Einsamkeit – und lässt Wohnraumpotenziale ungenutzt. Es braucht ein Zuschussprogramm, gekoppelt mit einer Wohnraumberatung. Auch „Wohnen für Hilfe“ ist ein Konzept, um unsichtbaren Leerstand abzubauen, und sollte daher vom Land gefördert werden.
Wohnraumakquisezentren in den Stadt- und Landkreisen
In jedem Stadt- und Landkreis soll es ein Wohnraumakquisezentrum geben. Wo es bereits vergleichbare Strukturen gibt, kann auf diese zurückgegriffen werden. Diese Zentren dienen hierfür, Potenziale für Wohnraum zu sammeln und Konzepte zu entwickeln, sollen aber auch eine Mediationsstelle für mögliche Konflikte zwischen Neu-Vermieterinnen/Vermietern und Mieterinnen/Mietern sein, wenn bisher leerstehende Wohnungen vermietet werden.
Anreizprogramm zur Mietwohnraumschaffung
Das derzeitige Anreizprogramm des Landes mit zwei Monatsmieten bei Neuvermietung als Förderung greift zu kurz. Es braucht eine substanzielle Unterstützung, die einmal in einem Zuschuss für notwendige Umbaumaßnahmen liegen kann, aber auch in einer Sicherheitserklärung der Kommune, im Falle von ausbleibenden Mietzahlungen zu bürgen. Mit einem Landesprogramm sind diese Bürgschaften zu unterstützen.
Fazit: Ausreichend bezahlbaren Wohnraum in Baden-Württemberg wird es nur geben, wenn ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergriffen wird. Die Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots ist dabei überfällig, nicht nur wegen der Zunahme der touristischen Vermietung über Airbnb u.a.. Zudem sollten die Chancen genutzt werden, bislang leerstehende Wohnungen wieder zu nutzen und dadurch mehr Menschen im Land zu einer passenden und bezahlbaren Wohnung zu verhelfen. Die SPD ist bereit dazu, hierfür alle Hebel in Bewegung zu setzen und im Rahmen einer echten Wohnraumoffensive auch diese Themen anzupacken.
- September 2020
Daniel Born MdL, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion