MdL Rita Haller-Haid: „Es ist ein einmaliger Vorgang, dass das Bundeskartellamt ein Landesministerium so massiv rügt und ihm Falschauskünfte an Abgeordnete vorwirft“
Nach der Fusion des DRK-Blutspendedienstes mit Blutbanken der Unikliniken Tübingen und Heidelberg: Kartellamt befürchtet weitere Monopolisierung bei Blutprodukten
In ungewöhnlich scharfer Form hat das Bundeskartellamt das baden-württembergische Wissenschaftsministerium wegen falscher Auskünfte an Abgeordnete gerügt. Es wirft der Behörde vor, die Tübinger Abgeordnete Rita Haller-Haid über die Fusion der Blutbanken der Unikliniken Tübingen und Heidelberg mit dem DRK-Blutspendedienst falsch unterrichtet zu haben. Es geht dabei um die Gründung zweier Gemeinschaftsunternehmen, die das Universitätsklinikum Tübingen zum 1. Januar 2005 und das Universitätsklinikum Heidelberg zum 1. März 2005 jeweils mit dem DRK-Blutspendedienst Baden-Württem¬berg/Hessen vollzogen haben. Aufgrund interner Informationen hatte die Tübinger Abgeordnete Rita Haller-Haid das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg nach diesem Vorgang befragt und im April dieses Jahres die abwiegelnde Antwort erhalten, durch die beiden Zusammenschlüsse sei der Versorgungsanteil des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg/Hessen nur „marginal“ tangiert, weitere kartellrechtliche Folgen seien nicht zu befürchten.
Wie erst jetzt bekannt wurde, wollte das Bundeskartellamt diese beiden Fusionen wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ursprünglich jedoch untersagen, nachträglich möglicherweise sogar rückgängig machen und auch noch ein saftiges Bußgeld verhängen.
Die Auskunft des Wissenschaftsministeriums an die Abgeordnete Haller-Haid zu diesem Vorgang sei bei zwei Fragen „unzutreffend“, moniert das Bundeskartellamt schriftlich beim baden-württembergischen Wirtschaftsministerium als Landeskartellbehörde. In diesem Brief vom 1. Juni 2006, den die Abgeordnete nun in Kopie zur Kenntnis bekam, beklagt das Bundeskartellamt die Monopolisierung der Marktstruktur bei der Versorgung mit Blutprodukten in Baden-Württemberg. Dies bereite der Kartellbehörde „Sorge, da die DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen GmbH in diesem Versorgungsgebiet marktbeherrschend ist und diese Marktposition durch die beiden Zusammenschlüsse (Anmerkung: In Heidelberg und Tübingen) nicht nur marginal verstärkt wurde“.
Vielmehr sei es durch die Zusammenschluss-Fälle in Tübingen und Heidelberg zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des DRK-Blutspendedienstes gekommen, u. a. durch den verbesserten Zugang „zum Rohstoff Blut durch Übernahme des Spenderstamms“ und durch den „Zugewinn an Forschungsressourcen, die für die weitere Entwicklung des Marktes von großer Bedeutung“ seien.
Das Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde der Universitätskliniken sei in der Pflicht, „den Gefahren einer drohenden Monopolisierung der Blutversorgung in Baden-Württemberg Rechnung zu tragen“, schreibt das Bundeskartellamt dem baden-württem¬bergischen Wissenschaftsministerium ins Stammbuch.
Die Behörde weist zudem darauf hin, dass das Blutspendewesen, anders als in der Auskunft an die Abgeordnete Haller-Haid vom Wissenschaftsministerium dargestellt, selbst nicht betroffen sei. Es gehe vielmehr um die „Märkte für verschiedene Blutprodukte“, die als Arzneimittel kommerziell vertrieben würden.
Rita Haller-Haid: „Es ist ein einmaliger Vorgang, dass das Bundeskartellamt ein Landesministerium so massiv rügt, ihm Falschauskünfte an Abgeordnete vorwirft und darauf drängt, gegen zunehmende Monopolisierungstendenzen auf dem lukrativen Markt für Blutprodukte anzugehen.“
Rückabwicklung der Blutbankfusionen durch „Trick“ umgangen
Erst im Nachhinein wurde auch bekannt, dass die im vergangenen Jahr vollzogenen Fusionen des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg mit den Blutbanken der Unikliniken Tübingen und Heidelberg „nur durch einen Trick“ (Haller-Haid) einer möglichen sofortigen Rückabwicklung durch das Bundeskartellamt entgingen.
Als die Verantwortlichen bei den Unikliniken ein Einschreiten des Bundeskartellamtes befürchten mussten, wurden die Anteile der Unikliniken Tübingen und Heidelberg an den neuen Gemeinschaftsunternehmen mit dem DRK-Blutspendedienst mit Billigung des Wissenschaftsministeriums kurzerhand von 25,1 % auf 24,9 % reduziert. Mit dem neuen Geschäftsanteil unterhalb der Sperrminorität blieb der Gesamtumsatz der Unikliniken nun bei der kartellrechtlichen Überprüfung der Fusionen zunächst außen vor. Ohne diesen Schritt, so das Bundeskartellamt, wäre die Fusion von vornherein unzulässig gewesen. Wie die Gemeinschaftsunternehmen mit der neuen Anteilsstruktur kartellrechtlich einzuordnen seien, sei noch nicht abschließend geklärt.
Haller-Haid: „Festzuhalten ist jedenfalls, dass laut Bundeskartellamt die beiden Zusammenschlüsse in Tübingen und Heidelberg, wie sie ursprünglich strukturiert waren, vor der Fusion beim Bundeskartellamt hätten angemeldet werden müssen. Dies ist jedoch mit Wissen und Billigung des Wissenschaftsministeriums unterblieben.“
Neue Parlamentsinitiative: Interessenkollisionen im Wissenschaftsministerium?
Die SPD-Abgeordnete Rita Haller-Haid hat nun eine neue Parlamentsinitiative gestartet und will von der Landesregierung erfahren, warum das baden-württembergische Wissenschaftsministerium das Wirtschaftsministerium als Landeskartellbehörde bislang außen vor gelassen hat. Sie will von der Landesregierung auch wissen, was sie gegen die vom Bundeskartellamt mit Sorge betrachteten verstärkten Monopolisierungstendenzen auf dem kommerziellen Markt für Blutprodukte unternimmt.
Die Abgeordnete fragt dabei auch nach möglichen Interessenkollisionen. Denn der Vertreter des Wissenschaftsministeriums im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Tübingen sei auch Mitglied des Aufsichtsrates des DRK-Blutspendedienstes. „Kann die Landesregierung den Verdacht ausräumen, dass mit dieser Doppelfunktion die vom Kartellamt kritisierte Monopolisierung des Blutmarktes geradezu begünstigt wird?“, fragt Haller-Haid.
Sie will von der Landesregierung auch wissen, ob es zutrifft, dass das Universitätsklinikum Tübingen von der Zentrale des Blutspendedienstes des DRK Baden-Württemberg in Ulm, wo Blutspenden aus Tübingen aufbereitet werden, weniger Blut zurückbekommt als nach Ulm geliefert wurde. Im Klinikum halte sich hartnäckig der Verdacht, dass dabei gezielt künstliche Verknappungsstrategien angewandt würden, um die Preise für Blutprodukte in die Höhe zu treiben. Die Landesregierung müsse diesen Vorwurf klar und eindeutig aus der Welt schaffen, so die SPD-Abgeordnete Haller-Haid.