Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir erleben eine komplizierte Lage: Wir sehen eine neue und große Welle der Pandemie, aber wir sehen noch nicht, welche Wucht diese Welle hat.

Vorsicht ist geboten, denn am Ende geht es um unser Gesundheitssystem und damit im Ernstfall um Leben oder Tod. Das gerät zu oft in Vergessenheit in diesen Tagen. Ebenso wird oft übersehen, dass der durch Impfschutz und Omikron veränderten Lage durchaus Rechnung getragen wird. Was wäre vor einem Jahr losgewesen bei Inzidenzen von 800 und mehr?

Die Lage ist aber auch kompliziert, weil Impfgegner mobilmachen, weil das Misstrauen gegenüber staatlichen Maßnahmen steigt.

Darum ist es verheerend, wenn Maßnahmen von Gerichten aufgehoben werden. Gestern zum Einzelhandel, vorigen Freitag zu Beschränkungen an Universitäten. Und bei der Nikolauspanne mit 2Gplus hat die Landesregierung selbst die Rolle rückwärts gemacht. Jeder einzelne dieser Fälle ist Wasser auf die Mühlen derer, die hinter einer Politik der Vorsicht nur Willkür vermuten.

Grundsätzlich ist die Richtung der Landesregierung richtig. Und es ist ja auch Linie nahezu aller anderen Bundesländer, ist die Linie der Bundesregierung und es ist die Linie, die der Expertenrat empfohlen hat. Einstimmig.

Und ich bin froh, dass die neue Bundesregierung diesen Expertenrat geschaffen hat.

Aber die Landesregierung ist gefordert, diese Richtung so professionell wie möglich zu fahren. Dazu gehört, dass man Maßnahmen gut und richtig begründet. Man kann nicht Regeln einführen und sie dann plötzlich für ungültig erklären. Das machen jetzt auch die Gerichte deutlich. Und wenn eine Regel in einer Pandemie schon dann nicht mehr funktioniert, wenn eine neue Virusvariante auftaucht, dann war es keine gute Regel.

Es muss einen Mechanismus geben, der zum Beispiel Hospitalisierungen und ansteigender Inzidenzen verknüpft. So sieht es das Infektionsschutzgesetz vor. So ist das möglich, so muss man das machen. Und dann ist es auch rechtssicher.

Sie müssen da handwerklich einfach sauberer arbeiten, und an dieser Stelle möchte ich mal auf den Aberwitz der heutigen Tagesordnung hinweisen: Wir sprechen uns jetzt über Ihre neuen Verordnungen aus, weil die bisherige Verordnung vom VGH kassiert wurde. Und nachher soll der Landtag dann zu genau jener Verordnung vom 11. Januar beteiligt werden, die jetzt vor dem VGH scheiterte? Das ist grotesk. Was soll das? Welches Bild haben Sie vom Landtag und den Abgeordneten?

Was stört Sie an der Idee, den Landtag mit so wichtigen Fragen nicht im Nachhinein, sondern VORAB zu befassen? Wir helfen gern!

Die Landesregierung braucht bessere Begründungen. Auch gegenüber der Öffentlichkeit. Die SPD hat kürzlich angeregt, die Informationskampagnen zum Impfschutz deutlich zu verstärken.

Nicht, weil es bisher noch keine Kampagne gibt, sondern weil das nicht ausreicht. Was bei Wahlen und selbst bei Imagekampagnen des Landes möglich ist, muss doch im Kampf gegen die Pandemie erst Recht möglich sein!

Darum haben wir uns geärgert über die – Verzeihung – dümmliche Abfuhr aus dem Sozialministerium. „Dranbleiben BW“ ist schon die beste Kampagne? Ja warum wollen Sie dann noch einmal nachlegen und mehr unternehmen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen die Aussagen des Ethikrats: Eine Impfpflicht ist die ultima ratio. Und Gerichte werden prüfen, ob wirklich alles andere unternommen wurde. Auch, um Menschen mit faktenbasierten Aussagen zu erreichen.

Eine maximale Infokampagne ist keine Alternative für eine Impfpflicht, sondern eine wichtige Voraussetzung dafür!

Fahren auf Sicht ist kein erstrebenswertes Prinzip. Vor allem nicht, wenn man nichts sieht. Die Debatte um ein Impfregister muss geführt werden, aber man kann nur fordern, was sich auch umsetzen lässt. Wo sind Modellversuche? Wie sollte so ein Register aussehen? Wer sollte es führen, wie soll man Daten erheben? Wenn sich am Ende wieder eine politische Ebene auf die andere verlässt und am Ende alles an die Kommunen und die Gesundheitsämter delegiert wird, wird das ein schlechter Weg.

Der Expertenrat weist auch darauf hin, dass wir bei Daten meist auf andere Länder zurückgreifen müssen, weil sie in Deutschland gar nicht erhoben werden.

Das ist schlecht, denn andere Länder haben andere Impfquoten oder andere Zahlen an Genesenen. Es braucht, da müssen wir selbstkritisch sein, mehr Grundlagen aus Deutschland.

Niemand will sich an diese Pandemie gewöhnen. Viele KÖNNEN sich aber auch nicht daran gewöhnen. Die Kräfte schwinden im Gesundheitswesen, aber auch beim Personal in Lehre und Erziehung, in der Gastronomie, der Kultur, im Handel. Hier braucht es nicht nur weiterhin Hilfen, es braucht in manchen Bereichen mehr Hilfe. Es wäre fatal, wenn auf dem letzten Wegstück aus der Pandemie heraus noch einmal so viel in die Knie gehen würde, was wir so dringend brauchen und erhalten müssen.

Noch ein Punkt: Es ist wahr, dass FFP-2-Masken einen höheren Schutz bieten. Sie haben aber auch einen höheren Preis. Wir fordern die Landesregierung auf, aktiv zu prüfen, ob die Pflicht zu FFP-2-Masken Menschen mit wenig Geld besonders belastet. Helfen Sie, wenn es nötig ist, damit nicht der nächste Kollateralschaden dieser Pandemie aufläuft.

In dieser Sache werden Sie von uns keine lautstarke Grundsatzkritik hören, auch wenn die die Schlagzeilen macht.  Umso mehr wäre es fair, unseren Anregungen nicht mit souveräner Ignoranz zu begegnen.

Es gilt das gesprochene Wort.