- Für eine familienpolitische Wende
In Baden-Württemberg leben rund 1.656.000 Familien. Für einen Großteil der Bevölkerung ist Familie der wichtigste Lebensbereich. Familie ist, wo Generationen füreinander einstehen und füreinander sorgen, unabhängig von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität oder Staatsangehörigkeit. Es gibt große Familien, kleine Familien, Familien mit nur einem Elternteil, Patchwork-Familien, Regenbogenfamilien und Co-Parenting-Modelle. Alle Menschen in Baden-Württemberg sollen ihren individuellen Familienwunsch leben können. Zur Familie gehört für uns auch die Großelterngeneration, welche eine immer aktivere Rolle in den Familien spielt. Familien stehen heutzutage jedoch vor großen Herausforderungen: Soziale Belastungssituationen, wirtschaftliche Not, herausfordernde Erziehungssituationen, psychische Belastungen bzw. Erkrankungen, mangelnde und unzuverlässige Kinderbetreuung bis hin zu Zukunftsängsten erschweren die Sorgearbeit und bringen Familien in finanzielle Not und mentale Überforderung. Die grün-schwarze Landesregierung hat es nicht geschafft, Familien in diesen Belangen ausreichend zu unterstützen. So hatte Baden-Württemberg im Jahr 2023 mit 29,9 Prozent die niedrigste U3-Betreuungsquote aller Bundesländer. Die Pandemie hat die Schieflage, in der sich viele Familien befinden, noch verschärft. Zwar hat die grün-schwarze Landesregierung eine Familienförderstrategie verabschiedet, doch die Umsetzung ist völlig unklar. Eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit spielt für die Landesregierung keine Rolle. Dies spiegelt sich auch in der rückläufigen Beteiligung von Vätern beim Elterngeld wieder: Im Jahr 2021 betrug sie in Baden-Württemberg 27,4 Prozent, im Jahr 2024 nur noch 25,8 Prozent. Gleichzeitig betrug im Jahr 2023 die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren lediglich 75,5 Prozent, 49 Prozent der erwerbstätigen Frauen gingen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Zahlreiche Angebote für Familien wie etwa Familienbildungsstätten sind prekär finanziert. So musste Ende 2023 bereits eine Familienbildungsstätte in Esslingen geschlossen werden. Baden-Württemberg braucht aber eine moderne Familienpolitik, die die Bedürfnisse aller Familien in den Blick nimmt und ressortübergreifend ansetzt.
Die SPD-Landtagsfraktion orientiert sich an drei Schwerpunkten:
- einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
- Angeboten, die Familien stärken, sowie
- einer App, die den Landesfamilienpass und u. a. Ferienangebote für Familien bereithält.
Viele Frauen und Männer wollen oder müssen gleichermaßen neben der Erfüllung des Kinderwunsches arbeiten und ihre Existenz gemeinsam sichern. Gerade junge Familien wollen sich sowohl die täglichen Aufgaben als auch die schönen Momente partnerschaftlich teilen. Für uns ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein Widerspruch. Im Gegenteil: Wir gestalten politisch die Voraussetzungen dafür, Arbeit, Familie und Freizeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Damit Väter mehr Zeit für ihre Kinder haben, Frauen ihre Qualifikationen in die Arbeitswelt einbringen können und besser vor Altersarmut geschützt sind, damit die Kinder gleichermaßen Zeit mit ihren Eltern verbringen können und die Unternehmen im Land zufriedene Mitarbeiter:innen gewinnen. In der aktuellen Situation braucht es dringend mehr Kita-Plätze und eine Fachkräfteoffensive, die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung, den Ausbau von rhythmisierten Ganztagsschulen und flexiblere Regelungen für Unternehmen, kurz: bessere Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Pflege und Beruf.
Neben der Vereinbarkeit wollen wir auch Familien insgesamt als Stabilisatoren unserer Gesellschaft festigen, indem wir Armut zielgerichtet verhindern und Prävention stärken: Denn selbst in einem reichen Land wie Baden-Württemberg war 2023 knapp jedes fünfte Kind armutsgefährdet, insbesondere Kindern von Alleinerziehenden.
Unsere wichtigsten Forderungen in aller Kürze:
- Wir fordern eine Fachkräfteoffensive von 50 Mio. Euro in den Direkteinstieg Kita sowie in die praxisintegrierte Ausbildung (PiA).
- Das Land braucht einen 20 Mio. Euro-Fonds für neue Formen der Kooperation von Schulen, außerschulischer Jugendarbeit sowie insbesondere Sport- und Musikvereinen.
- Wir wollen ein Landes-Familienfördergesetz.
- Wir setzen uns für ein Förderprogramm zur Gründung von Betriebskindertageseinrichtungen ein.
- Das Land braucht eine Familienapp – für alle wichtigen Informationen aus einer Hand.
- Der Landesfamilienpass soll für alle Familien gelten.
- Wir wollen Alleinerziehende besser durch die kostenfreie Bereitstellung haushaltsnaher Dienstleistungen unterstützen.
- Ein verlässlicher Rahmen für eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf
2.1 Bundespolitische Entwicklungen für mehr Vereinbarkeit
Um Familien mit ihren Herausforderungen umfassend in den Blick zu nehmen, hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag erste Ziele anvisiert: Eine Reform des Elterngeldes, die grundsätzliche Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen, ein jährliches Familienbudget für Alltagshelfer:innen sowie den Ausbau der Frühen Hilfen auch für 4 bis 6-jährige Kinder. Diese Weichenstellungen sind wichtig und überfällig. Wir wollen im Land unseren Beitrag leisten, damit gutes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen gelingt. In Baden-Württemberg besteht darüber hinaus noch Handlungsbedarf hinsichtlich einer partnerschaftlichen Aufteilung der Care-Arbeit: Die Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung zeigen, dass Mütter in Baden-Württemberg im Jahr 2022 durchschnittlich 2 Stunden und 16 Minuten täglich mit der Betreuung ihrer Kinder verbracht haben, während es bei Vätern 1 Stunde und 18 Minuten waren. In Baden-Württemberg stellten 2024 Frauen 76,5 Prozent aller Anträge auf Kinderkrankengeld – ein 0 2Verhältnis, das sich auch bei den bewilligten Zahltagen widerspiegelt (77,1 zu 22,9 Prozent). Diese Schieflage verdeutlicht, dass die Betreuung kranker Kinder nach wie vor überwiegend als „Frauensache“ gesehen wird und verstärkt bestehende Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. Wir setzen uns dafür ein, dass Care-Arbeit gleichberechtigt zwischen den Geschlechtern aufgeteilt wird – durch bessere Aufklärungs-und Sensibilisierungsarbeit in Unternehmen, flexiblere Arbeitsmodelle für beide Elternteile und eine Reform des Kinderkrankengeldes, die Anreize für eine gerechtere Aufteilung schafft.
2.2 Ein Kita-Platz für jedes Kind
In Baden-Württemberg fehlen 60.000 Kita-Plätze, was große Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit von vor allem Frauen und auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat. Das gehen wir an: Mit einem Investitionsprogramm für Kita-Plätze und der Förderung der Gründung betrieblicher Modelle in der Kindertagespflege, aber vor allem mit einer umfassenden Fachkräfteoffensive für mehr Personal. Als Zwischenschritt müssen flexible Lösungen wie z.B. Kombi-Modelle vor Ort oder ein Kita-Platz-Sharing umgesetzt werden. Nach wie vor fehlen dem Land nicht nur 60.000 Kita-Plätze, sondern auch ca. 18.000 pädagogische Fachkräfte, ohne die der Ausbau der Kitaplätze nicht gelingen wird. Zur schnellen Gewinnung von künftigen Fachkräften schlagen wir vor, den Direkteinstieg Kita auszubauen und flächendeckend anzubieten, d.h. es braucht mindestens einen Schulstandort für die Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz in jedem Landkreis. Das Land und die Arbeitsagentur müssen dafür das Angebot der geförderten Ausbildung weiter ausbauen. Denn im vergangenen Schuljahr haben lediglich 620 Personen an 24 Schulstandorten die verkürzte Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz absolviert. Ein weiterer Baustein soll der Ausbau der praxisintegrierten Ausbildung, die ebenfalls ein Erfolgsmodell darstellt, als Alternative zur Fachschulausbildung sein. Mit dieser Fachkräfteoffensive in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro für den Direkteinstieg Kita sowie für die PiA-Ausbildung wollen wir den Fachkräftemangel nachhaltig bekämpfen und damit langfristig zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen.
2.3 Mehr Ganztag – mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt in hohem Maße von guten und flächendeckend verfügbaren Ganztagsangeboten ab. Gleichzeitig sind flächendeckende Ganztagsangebote ein entscheidender Faktor beim Kampf gegen den Fachkräftemangel. Der Nachholbedarf in Baden-Württemberg beim Ausbau der Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen ist riesig. Das zeigt sich zum einen an der hohen Nachfrage der kommunalen Schulträger nach finanzieller Unterstützung zur Schaffung zusätzlicher Betreuungsangebote im Ganztag. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen war und ist ein Meilenstein für die Bildungsgerechtigkeit und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für die erfolgreiche Umsetzung ist vor allem auch Baden-Württemberg selbst zuständig. Die Landesregierung muss jetzt die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen und auch in Zukunft sicherstellen, um die kommunalen Schulträger bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs in allen Belangen ausreichend zu unterstützen. Ebenfalls unabdingbar für eine erfolgreiche Ganztagsbetreuung, die Bildungsgerechtigkeit stärken und ein verlässlicher Partner für Eltern und Kinder sein soll, sind verbindliche und einheitliche Qualitätsstandards. Diese müssen von der Landesregierung erarbeitet und von allen Partnern in der Ganztagsbetreuung umgesetzt werden. Bisher weigert sich die Landesregierung, solche verbindlichen Qualitätsstandards einzuführen. Aber: Kinderschutz ist keine Verhandlungssache und wir brauchen keinen bildungspolitischen Flickenteppich in Baden-Württemberg. Das Thema Kinderschutz muss daher strukturell und rechtskonform in der Ganztagsbetreuung verankert werden. Zum anderen kam auch der Ausbau der Ganztagsschulen in den vergangenen Jahren nicht im erforderlichen Maße voran. Im Schuljahr 2022/2023 waren gerade einmal 31,8 Prozent der Grundschulen Ganztagsschulen. Dabei sind insbesondere die rhythmisierten Ganztagsschulen ein wichtiger Baustein für Bildungsgerechtigkeit, die Eltern verlässliche Betreuung und qualitätsvolle Bildung bieten. Wir fordern daher eine Ganztagsschul-Offensive, die darauf hinwirken muss, dass sich mehr Schulen zu rhythmisierten Ganztagsschulen weiterentwickeln. Hierzu müssen weitere Unterstützungsangebote für die kommunalen Schulträger und das schulische Personal entwickelt werden. Unter anderem müssen Schulleitungen von Ganztagsschulen endlich mit zusätzlichen Anrechnungsstunden entlastet werden. Auch für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen braucht es mehr Unterstützung. Daher fordern wir die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 20 Millionen Euro für die kommenden zwei Schuljahre zur finanziellen Unterstützung von neuen Formen der Kooperation von Schulen, der außerschulischen Jugendarbeit sowie insbesondere Sport- und Musikvereinen.
2.4 Für eine Pflegeinfrastruktur, die Vereinbarkeit ermöglicht
In Baden-Württemberg werden im Jahr 2040 knapp 674.000 Menschen pflegebedürftig sein. Die Landesregierung hat für diese Entwicklung noch immer kein überzeugendes Konzept vorgelegt, sondern lediglich Puzzleteile, die nicht zueinanderpassen. Aus der Sicht von Familien fehlen in Baden-Württemberg insbesondere Plätze in der Tagespflege sowie in der Kurzzeit- und Verhinderungspflege, die Familien dann entlasten, wenn sie die Pflege von Angehörigen nicht rund um die Uhr oder zeitweise nicht sicherstellen können. Wir fordern einen bedarfsgerechten Ausbau dieser wichtigen Angebote. Mit der mobilen Gemeindeschwesterplus und dem Gehalt für pflegende Angehörige geben wir Betroffenen neue wirksame Instrumente an die Hand, damit die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf gelingen kann. Die SPD-Landtagsfraktion will mit dem Konzept der mobilen Gemeindeschwesterplus aufsuchende Pflege- und Sozialberatung an der Schnittstelle der kommunalen Beratung und Unterstützung von alten Menschen ermöglichen und so dafür sorgen, dass etwaige aufkommende Pflegebedarfe frühzeitig erkannt werden können. Mit einem Gehalt für pflegende Angehörige wollen wir u. a. Eltern von schwerstpflegebedürftigen, mehrfachbehinderten oder lebensverkürzt erkrankten Kindern, aber auch Angehörige, die vorübergehend ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, um ihre Angehörigen zu pflegen, zielgerichtet unterstützen.
2.5 Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Familien
Viele Familien, die Wohnraum erwerben möchten, verirren sich im Förderdschungel und verzweifeln an monate- bis jahrelangen Wartezeiten für Förderdarlehen des Landes. Die SPD-Landtagsfraktion fordert daher eine konsequente Neuausrichtung der Wohnraumpolitik. Familien brauchen eine echte Chance auf Wohneigentum. Dazu gehört es auch, die Grunderwerbsteuer für den Erwerb der ersten Immobilie zur Selbstnutzung zu streichen bzw. zurückzuerstatten. Viele Familien werden sich allerdings auch mit Förderung die eigene Immobilie nicht leisten können. Daher fordern wir eine klare Priorisierung von Wohnprojekten, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen und besonders Familien, älteren Menschen oder Personen mit Behinderung zugutekommen. Die bisherige Vergabepraxis von Fördermitteln nach dem Windhundprinzip soll durch eine qualitative, sozial orientierte Vergabepraxis ersetzt werden. Die Förderung von Wohnraum für Ältere hat sogar zwei Vorteile: Wenn ältere Menschen sich im Zuge eines Umzugs zugunsten von altersgerechtem, barrierefreiem Wohnen im Ortskern entscheiden, können durch diesen Umzug Einfamilienhäuser frei und von Familien genutzt werden, die ansonsten unterversorgt wären. Diesen altersgerechten Wohnraum im Ortskern insbesondere kleinerer Kommunen wollen wir deswegen gezielt und zuvorderst fördern. Darüber hinaus möchte die SPD-Landtagsfraktion die aktive Rolle der Kommunen im Wohnungsbau stärken sowie kommunale, genossenschaftliche und weitere gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften stärker und mit höchster Priorität unterstützen. Förderungen sollten nicht nur Neubauten ermöglichen, sondern im Bestand auch Sanierungen, Umbauten und Zwischennutzungen erleichtern.
2.6 Beitrag von Unternehmen zur Vereinbarkeit
Zu einer gelingenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf können auch Unternehmen ihren Teil beitragen, indem sie Teilzeitmodelle, flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeiten des Homeoffices bzw. des mobilen Arbeitens fördern. Zudem können Angebote betrieblicher Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. 2023 stellten laut Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit lediglich 2,3 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen eine betriebliche Kinderbetreuung zur Verfügung. Das Land kann die Gründung von betrieblichen Kindertageseinrichtungen an Unternehmen durch die Förderung von Projekten wie familyNET und familyNET 4.0 indirekt unterstützen. FamilyNET und familyNet 4.0 bieten eine kostenfreie Beratung für Unternehmen zu potenziellen Maßnahmen zur Steigerung der Familienfreundlichkeit an. Die SPD-Landtagsfraktion fordert deshalb eine Informationskampagne des Landes zur Bekanntmachung der Angebote von familyNET und familyNET 4.0 sowie ein flankierendes Förderprogramm für die Gründung von Betriebskindertageseinrichtungen, die auch als Kooperation mehrerer Unternehmen gegründet werden können. Auch an Hochschulen sollen Betriebskindertageseinrichtungen mit finanzieller Unterstützung des Landes gegründet werden können.
Ein weiteres Instrument zur Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Förderung der Teilzeitausbildung über das Netzwerk Teilzeitausbildung, dessen Finanzierung wir verstetigen und ausbauen wollen. Die Teilzeitausbildung kann auch ein Weg sein, zusätzlichen Personen eine Ausbildung zu ermöglichen, die sonst aus den unterschiedlichsten Gründen keine Ausbildung absolvieren können.
2.7 Unterstützung für Familien durch haushaltsnahe Dienstleistungen
Skandinavische Staaten geben mehr Geld für familienunterstützende Dienstleistungen wie etwa frühkindliche Kinderbetreuung, aber auch für Schulbetreuung am Nachmittag oder für Altenpflege aus. Das hat zur Folge, dass sich Frauen dort eine substanzielle Erwerbsbiografie aufbauen können, für die die Geburt der Kinder keinen massiven Einschnitt darstellt. Die SPD-Landtagsfraktion will Familien, vor allem Alleinerziehende, durch die Bereitstellung von haushaltsnahen Dienstleistungen, wie etwa der Reinigung der Wohnung, stärker entlasten. Verschiedene Modellprojekte haben eindrücklich gezeigt, wie das funktionieren kann. Unser Ziel ist es, haushaltsnahe Dienstleistungen für Alleinerziehende in Form von Gutscheinen kostenfrei zur Verfügung zu stellen, deren bedarfsorientierte Bereitstellung über ein Förderprogramm erfolgt. Voraussetzung hierfür ist eine Erwerbstätigkeit. Dies fördert die Qualität der Beziehungsarbeit zu ihren Kindern. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. 90 Millionen Euro pro Jahr. Sie könnten aber auch aus dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) mitfinanziert werden.
Für alle anderen Familien soll die Gewährleistung haushaltsnaher Dienstleistungen vom Land finanziell bezuschusst werden. Gleichzeitig streben wir eine Professionalisierung derjenigen an, die haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen, um Care-Arbeit insgesamt aufzuwerten. Deshalb fordern wir den Ausbau der Fachschulen für Hauswirtschaftspflege auf mindestens fünf weitere Standorte, damit die dafür notwendigen Hauswirtschaftskräfte auch ausgebildet werden können.
- Sicherheit und gutes Aufwachsen für alle Familien
Unser Ziel ist es, allen Familien Chancengerechtigkeit zu ermöglichen, damit Familien gern in Baden-Württemberg leben und Kinder gesund und sicher bei uns aufwachsen können. Dabei wollen wir Folgendes für Familien erreichen: Prävention stärken, Armut verhindern, Teilhabemöglichkeiten ausbauen, beim guten Aufwachsen unterstützen, aber auch Hilfe im Krisenfall bieten sowie Kinderschutz und Inklusion verbessern. Die in der von der grün-schwarzen Landesregierung aufgelegten Familienförderstrategie enthaltenen Maßnahmen sind wichtig und richtig, aber ohne landesgesetzliche Absicherung wenig nachhaltig. Das wollen wir ändern.
3.1 Für ein Landes-Familienfördergesetz und eine wirksame Familienförderstrategie
Um die Bedingungen für Familien in Baden-Württemberg signifikant zu verbessern, braucht es die Absicherung der Umsetzung der in der Familienförderstrategie enthaltenen Maßnahmen in einem Landes-Familienfördergesetz. Als Vorbild dient das Land Berlin, das dieses Gesetz bereits 2021 beschlossen hat und sich dabei auf § 16 des achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) beruft. Das Land soll einen Beitrag dazu leisten, gleichwertige Lebensverhältnisse in Baden-Württemberg zu schaffen, da die Kommunen u. a. Familienzentren bislang sehr unterschiedlich fördern. Dies liegt vor allem daran, dass sie § 16 SGB VIII als Kann-Vorschrift interpretieren.
Des Weiteren fordert die SPD-Landtagsfraktion, die Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe aus dem SGB VIII im Landeskinder- und Jugendhilfegesetz (LKJHG) festzuhalten – über die Kooperation von Schule und Jugendhilfe, die im Rahmen der Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes aufgegriffen wurde, hinaus.
Die SPD-Landtagsfraktion hat es sich zum Ziel gesetzt, die Familienförderstrategie durch einen Landesfamilienpass zu ergänzen, der für alle kindergeldberechtigten Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind gilt. Dies geht einher mit Vergünstigungen bzw. teilweise auch kostenfreien Eintritten für landeseigene Einrichtungen wie etwa die staatlichen Museen, Schlösser oder z. B. die Wilhelma. Mit allen übrigen Vertragspartner:innen wollen wir in Verhandlungen für geeignete Vergünstigungen treten. Der Landesfamilienpass soll via App verfügbar sein, in der alle Angebote für Familien wie z. B. zu Ferienfreizeiten oder Spielplätzen barrierefrei aufgelistet werden. Die App trägt dazu bei, einen unbürokratischen und vereinfachten Zugang zu vergünstigten Angeboten sowohl von Seiten der Kommunen als auch von Seiten des Landes für Familien zu schaffen. Sie schafft außerdem eine hilfreiche Informationsquelle für Familien, mit der es gleichzeitig gelingen kann, die Angebote für Familien bekannter zu machen und sie sinnvoll in einer Anwendung zu bündeln. Bisher galt der Landesfamilienpass lediglich für Familien mit drei und mehr Kindern, für Alleinerziehende und Bezieher:innen von unterstützenden Leistungen. Jedoch verursacht diese Anspruchsprüfung einen unnötigen bürokratischen Aufwand, den wir mit der Gültigkeit des Landesfamilienpasses für alle Familien aushebeln wollen.
3.2 Bessere Prävention für ein gesundes Aufwachsen:
Nachhaltige Förderung von Familienzentren, mehr Kinderschutz Familienzentren sind unverzichtbare niedrigschwellige Anlaufstellen, gerade für junge Familien. Sie dienen der Vernetzung junger Familien z. B. durch offene Treffs oder Elterncafés und können durch ihre Niedrigschwelligkeit ein gewinnbringendes Angebot für alle Familien schaffen, das den Alltag im Familienleben erleichtert und Einsamkeit entgegenwirkt. Die Ungleichheit der Lebensverhältnisse wollen wir aufbrechen, indem wir Familienzentren flächendeckend im Land etablieren und diese nachhaltig finanzieren. Zur nachhaltigen Finanzierung gehört es auch, hauptamtliche Geschäftsführungen für die Familienzentren einzusetzen, damit diese kontinuierlich ihre wichtige Arbeit leisten können. Nur dann können engagierte Mitarbeitende gewonnen und Angebote über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Die Koordination der Familienzentren soll über eine Landesstelle erfolgen, deren Finanzierung ca. 200.000 Euro kosten würde.
Beim Kinderschutz besteht noch deutlicher Ausbaubedarf. Auch über fünf Jahre nach ihrer Veröffentlichung sind noch lange nicht alle Empfehlungen der Kommission Kinderschutz umgesetzt. Insbesondere muss noch das Zusammenwirken der am Kinderschutz beteiligten Akteure verbessert und weitere Standards für das Vorgehen der Jugendämter entwickelt werden. Wirksame Schutzkonzepte müssen an allen Schulen vorhanden sein. Ein interkollegialer Austausch zwischen Ärzt:innen mit ihren vor-und mitbehandelnden Kolleg:innen nach § 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz muss auch in Baden-Württemberg dem Kinderschutz Priorität gegenüber der ärztlichen Schweigepflicht geben.
3.3 Familienbildung und -erholung für mehr Krisenfestigkeit von Familien
Familienbildungsstätten übernehmen wichtige Funktionen als Institutionen der Erwachsenenbildung mit ihren niedrigschwelligen Angeboten. Einige der Familienbildungsstätten befinden sich jedoch in einer prekären finanziellen Situation, was vor allem an gestiegenen Personalkosten bei zurückgehenden Zuschüssen durch Kommunen und Kirchen liegt. Das Ziel der SPD-Landtagsfraktion ist es, Familienbildungsstätten strukturell zu fördern und in ihrer Existenz zu sichern. Sie bieten wichtige Anlaufstellen für Familien, die verlässlich, flächendeckend und gut erreichbar zur Verfügung stehen müssen. Dazu gehören insbesondere offene Treffs als niedrigschwellige Angebote für alle Familien. Wir wollen dafür sorgen, dass alle Familien sich gleichermaßen erholen können, auch diejenigen, die sich aus eigener finanzieller Kraft keinen Urlaub leisten können. Dafür sollen gezielt Angebote von Familienerholungsstätten gefördert werden.
3.4 Armut und Benachteiligung wirksam verhindern
Seit 2007 gibt es landesweite soziale Frühwarnsysteme wie etwa die Frühen Hilfen. Die verschiedenen Ansätze helfen dabei, familiäre Krisen und riskante Entwicklungen von Kindern frühzeitig zu erkennen und mit geeigneten Hilfen gegenzusteuern. Die SPD-Landtagsfraktion fordert, die Frühen Hilfen flächendeckend auszubauen und stärker von Landesseite zu finanzieren, um die finanziell überlasteten Kommunen zu entlasten. Frühe Hilfen können dazu beitragen, Kindeswohlgefährdungen frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, um Familien in ihrem Alltag bedarfsgerecht zu unterstützen. Kommunale Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut wollen wir landesgesetzlich verankern und so wirksame Mechanismen gegen Kinderarmut installieren. Dadurch können die unterschiedlichen Maßnahmen auf kommunaler Ebene zielgerichtet gebündelt werden, so dass sie die Betroffenen auch zuverlässig erreichen. Abschließend fordert die SPD-Landtagsfraktion eine Kofinanzierung der Beratung für das Bildungs- und Teilhabepaket (BUT-Beratung), wie es sie bereits in Berlin und Nordrhein-Westfalen gibt. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre, die Sozialleistungen erhalten. Damit wollen wir Familien mit geringem Einkommen stärken sowie Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr Teilhabemöglichkeiten verschaffen.