„Die geplanten Kürzungen würden in Baden-Württemberg zu weiteren massiven Einbrüchen bei der Bau- und Wohnungswirtschaft führen“

Wegen der von der Bundesregierung geplanten Umstellung der Eigenheimzulage hat sich jetzt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, Wolfgang Drexler, in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder gewandt. Drexler bittet den Kanzler in seinem Schreiben eindringlich, die Steuerrechtsänderungen bei der Eigenheimförderung noch einmal zu überdenken und von Einschnitten bei der Eigenheimzulage, beim Mietwohnungsbau und bei der Veräußerung von Immobilien abzusehen.

Drexlers Brief an den Bundeskanzler hat folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
in den Koalitionsverhandlungen haben sich die Verhandlungsdelegationen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf eine „Umgestaltung der Eigenheimzulage“ mit Wirkung vom 1. Januar 2003 geeinigt. Im Moment laufen hierzu die Arbeiten an den entsprechenden Gesetzestexten.

Danach soll die Förderung des Baus oder des Kaufs von Eigenheimen bei Kinderlosen (die sog. Grundförderung) ganz gestrichen und auf eine Kinderzulage von 1.200 € je Kind „konzentriert“ werden. Daneben sollen auch noch die Einkommensgrenzen, bis zu denen überhaupt Zuschüsse für das Eigenheim gezahlt werden, von rund 82.000 € auf 70.000 € für Ledige und von rund 164.000 € auf 140.000 € für Verheiratete abgesenkt werden.

Würden diese Absichten tatsächlich umgesetzt werden, so hätte dies für Baden-Württemberg gleich in mehrfacher Hinsicht fatale Auswirkungen. Schon jetzt gibt es in unserem Land vor allem in den Groß- und Universitätsstädten viel zu wenig Wohnungen. Eine unabhängige, aus Vertretern aller gesellschaftlicher Gruppierungen bestehende und von der Landesregierung eingesetzte Fachkommission hat erst kürzlich den Neubaubedarf für Baden-Württemberg auf mindestens 50.000 Wohnungen jährlich beziffert. Die tatsächlichen Fertigstellungszahlen bleiben deutlich dahinter zurück mit der Folge eines immer größer werdenden Wohnungsmangels verbunden mit oft unbezahlbaren Mietpreisforderungen. Die Notfallkarteien in den baden-württembergischen Großstädten quellen über, immer mehr ausländische Studierende kommen erst gar nicht mehr in unsere Universitäten, weil auch beim besten Willen keine ausreichenden Unterkünfte für diese Studierenden mehr angeboten werden können. Die hiesigen Industrie- und Handelskammern bewerten das fehlende Wohnungsangebot inzwischen auch als Wachstumsbremse für die Gesamtwirtschaft.

Mit verursacht haben diese Situation sicher eine mehr als bescheidene Landesförderung aber auch der ratenweise Rückzug des Bundes aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die Eigenheimzulage in der bisherigen Form hat hier wenigstens teilweise zu einem Ausgleich geführt, privates Kapital für den Wohnungsbau mobilisiert und noch schlimmere Einbrüche im Wohnungsbau abgefedert.

Natürlich hängt die Eigenheimzulage stark von den örtlichen Bedingungen ab. Unbestritten reduziert sie aber deutlich die Schwelle zur Eigentumsbildung und leistet damit einen wirksamen Beitrag zur allseits gewünschten Vermögens- bzw. Eigentumsbildung. Ebenfalls unbestritten ist, dass das sozialpolitische Ziel der verstärkten Förderung für Familien mit Kindern, ein Dreh- und Angelpunkt Ihrer Regierung, durch die bisherige Eigenheimzulage in hohem Maße erreicht worden ist.

All dies wird nun durch die Pläne der Koalition zur Reduzierung der Eigenheimzulage in Frage gestellt. Familien ohne Kinder gehen völlig leer aus, aber selbst die meisten Familien mit Kindern stellen sich künftig deutlich schlechter als bisher. So erhielte zum Beispiel eine Familie mit zwei Kindern, die neu bauen will, künftig pro Jahr rd. 1.700 € weniger als bisher. Über den gesamten Förderungszeitraum hinweg fehlen der Familie mit zwei Kindern also rd. 13.500 €. Unbestreitbar kommen bei dieser Größenordnung viele bisher als gesichert angesehene Finanzierungen ins Rutschen. Selbst eine Familie mit drei Kindern müsste noch auf jährlich rd. 1.250 € verzichten. Erst ab fünf bzw. sechs Kindern hört der Zugriff auf. Wahrlich: Nicht gerade die Familie Mustermann.

Gleichzeitig damit will die Berliner Koalition den Erlös von nicht selbst genutzten Immobilien durch den Wegfall der sog. Spekulationsfrist generell steuerpflichtig machen und daneben auch noch die degressive AfA im Mietwohnungsbau auf eine lineare Abschreibung von 2% zurückführen. Wir befürchten, dass damit der am Boden liegende Mietwohnungsbau vollständig zum Erliegen kommt.

Die Gesamtwirkung der geschilderten Maßnahmen wird, jedenfalls in Baden-Württemberg weitere massive Einbrüche in der Bau- und der Wohnungswirtschaft herbeiführen. Ich teile gewerkschaftliche Befürchtungen, wonach die Umsetzung der genannten Pläne zehntausende Arbeitsplätze und die Existenz vieler mittelständischer Baubetriebe aufs Spiel setzt. Damit wird auch das vorrangige Ziel Ihrer Regierung, nämlich die Arbeitslosigkeit abzubauen, konterkariert.

Ich bitte Sie deshalb eindringlich, die Steuerrechtsänderungen in den genannten Bereichen noch einmal zu überdenken und von Einschnitten bei der Eigenheimzulage, beim Mietwohnungsbau und bei der Veräußerung von Immobilien abzusehen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Drexler“

Martin Mendler

Stellv. Pressesprecher