Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des 1. Armuts- und Reichtumsberichts Baden-Württembergs und aktueller Herausforderungen sind dringend Maßnahmen erforderlich, um Kinderarmut zu bekämpfen. Im Bund geht es da insbesondere um ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld und die Einführung eines Familiensplittings. Aber auch in der Landespolitik sind dringend Maßnahmen notwendig. Für die SPD-Landtagsfraktion stehen dabei folgende Forderungen im Mittelpunkt:
1. Rasche und gute Umsetzungen der Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss
Insgesamt tragen die Alleinerziehendenhaushalte in Baden-Württemberg das größte Armutsrisiko. Für diese ist die Unterstützung der Kommunen durch den Unterhaltsvorschuss und bei der Beistandschaft in der Praxis noch zu verbessern. Beschäftigte einzelner Jugendämter müssen mitunter dreimal so viele Fälle wie andere Beschäftigte bewältigen und können deshalb die notwendige Unterstützung nicht in vergleichbarer Zeit und vergleichbarer Qualität leisten. Hier müssen die Beschäftigten in die Lage versetzt werden (durch Personalzuwachs oder Entlastung an anderer Stelle), ausreichend Zeit zur Bearbeitung zu haben. Zudem gilt es ganz aktuell die Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss, die wir sowohl in unserem Armuts- und Reichtumsbericht als auch in unserem Regierungsprogramm als Ziel gefordert haben, umzusetzen. Einen entsprechende Antrag (Drs. 16/934) haben wir in der Fraktion beschlossen und in das parlamentarische Verfahren gebracht. Wir schlagen in diesem Zusammenhang erneut vor, den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in einen höheren Zuschlag zum Kindergeld umzuwandeln. Davon würden vor allem die Alleinerziehenden mit nur geringem Erwerbseinkommen profitieren.
2. Aufrechterhaltung und weiterer Ausbau der Maßnahmen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung / Einstieg in die Beitragsfreiheit bei einkommensschwachen Familien und solchen mit besonderem Unterstützungsbedarf
Bei den von uns auf den Weg gebrachten und auch erreichten Verbesserungen in den Bereichen Bildung und Betreuung darf es keinen Rückschritt geben, denn sie verbessern nachweislich die Chancen der Kinder auf ein späteres Leben frei von Armut. Beim weiteren Ausbau müssen die Maßnahmen im Kultusbereich, die Ungleichheiten abbauen, einen Vorrang erhalten. (z.B. auch Sprachförderung sowie individuelle und sonderpädagogische Förderung) Dabei muss die zuletzt deutlich angewachsene Gruppe von Kindern mit Migrationshintergrund insbesondere aus den Flüchtlingsfamilien noch einmal gesondert ins Auge gefasst werden. Denn diese nutzen die Angebote der frühkindlichen Bildung nachweislich geringer als die Eltern ohne Migrationshintergrund.
Wir wollen schrittweise die Kita-Gebühren abschaffen und aus Gründen der Armutsbekämpfung dabei bei den Eltern knapp oberhalb der Hartz IV-Grenze sowie den Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf beginnen. Denn ein monatlicher Elternbeitrag in Höhe von 300 Euro hält vor allem die Eltern mit geringem Qualifikationsniveau – darunter auch viele Eltern ohne ausreichende Deutschkenntnisse – davon ab, ihre Kinder zu einem frühen Zeitpunkt von frühkindlicher Bildung einschließlich der Sprachförderung profitieren zu lassen. Ein Einstieg dieser Kinder erst ab einem Alter über drei Jahren in die Förderung durch Kitas gleicht vorhandene Benachteiligungen bis zum Schuleintritt häufig nicht aus.
3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte vorantreiben
Unser Armuts- und Reichtumsbericht beweist: Vor allem wenn beide Elternteile in einer gesicherten und guten beruflichen Position stehen, sind ihre Kinder in der Regel nicht von Armut bedroht. Deshalb müssen wir die Maßnahmen des Landes zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – insbesondere die Angebote der Kinderbetreuung und der Ganztagsschulen – weiter ausbauen.
Die Beschäftigungsbedingungen im Allgemeinen wollen wir mit guter Wirtschaftspolitik und der Bekämpfung von Formen prekärer Beschäftigung verbessern.
4. Präventionsketten gegen Kinderarmut weiterentwickeln und flächendeckend ausbauen
Auch bei besonders belasteten Familien darf kein Kind durch unser aufgespanntes Netz fallen. Das gilt besonders für Familien mit suchtkranken Eltern, mit Eltern mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen oder für Familien, in denen die Eltern kein Deutsch sprechen. Deshalb wollen wir die im Armuts- und Reichtumsbericht bereits hervorgehobenen Präventionsketten gegen Kinderarmut weiterentwickeln und flächendeckend ausbauen. Unter Präventionsketten verstehen wir die strukturierte Verknüpfung der unterschiedlichen lokalen und regionalen Anbieter von sozialen Diensten und Bildungsmaßnahmen vom Angebot der frühen Förderung und frühen Hilfe für alle Kinder über das Angebot von Kita-Plätzen für jedes Kind bis hin zum Ausbau von Schulen mit integrierten Konzepten der Sozialpädagogik und Sozialarbeit.
5. Wohnungsbau massiv vorantreiben
Familien mit geringem Einkommen sind auf dem überlasteten Wohnungsmarkt in Baden-Württemberg stark benachteiligt. Das gilt insbesondere für Alleinerziehende und in Ballungsräumen. Die Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung des Bundes sind in voller Höhe weiterzugeben und deutlich durch Landesmittel aufzustocken. Wir brauchen 300 Millionen Euro pro Jahr in der Landeswohnraumförderung. Ziel ist es, pro Jahr mindestens 50.000 Wohnungen in Baden-Württemberg neu zu bauen, davon mindestens 5.000 Sozialwohnungen.
20. Juni 2017

