Die SPD hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass es mit den Ganztagsangeboten an den Schulen im Land voran geht. Seit 2014 ist die Ganztagsschule im Schulgesetz verankert. „Jetzt muss der Weg zu mehr Qualität und Gerechtigkeit im Bildungswesen weiter beschritten werden“, betont Bildungsexperte Dr. Stefan Fulst-Blei.

Qualität muss Vorrang haben!

Der Ausbau von Ganztagsangeboten an baden-württembergischen Schulen schreitet voran. Nachdem die CDU jahrelang die Potentiale der Ganztagsschule zu Gunsten ihrer konservativen Ideologie verkannte, läutete die SPD unter Kultusminister Andreas Stoch in der letzten Legislaturperiode die längst überfällige Kehrtwende ein. Die Ganztagsschule ist seit 2014 im Schulgesetz verankert. In diesem wichtigen ersten Schritt wurden Grundschulen und die Grundstufen der sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren gesetzlich aufgenommen. Der Weg zu mehr Qualität und Gerechtigkeit im Bildungssystem muss nun zielgerichtet weiterbeschritten werden. Die grün-schwarze Landesregierung scheint vor lauter Beliebigkeit allerdings den Kompass verloren zu haben.
Was ist eine Ganztagsschule? Viele Schulen bieten nach dem regulären Unterricht AGs an oder halten vereinzelt Unterricht am Nachmittag ab, sind damit allein aber noch keine Ganztagsschulen. In der öffentlichen und politischen Diskussion werden vor allem Betreuungsangebote und Ganztagsschulen häufig in einen Topf geworfen – dahinter verbergen sich jedoch höchst unterschiedliche Ansätze und Zielsetzungen. Die Betreuung in beispielsweise einem Hort vor und nach dem Unterricht soll primär die Berufstätigkeit der Eltern ermöglichen. Auch die Ganztagsschule leistet mit ihren Angeboten einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, da sich die Schulzeit verlängert, ist aber weit mehr als nur Betreuung.
Ganztagsschulen ermöglichen es, den Schülerinnen und Schülern eine bessere individuelle Förderung anzubieten, vielseitige Lernchancen zu eröffnen und die Lernerfolge zu steigern. Im Mittelpunkt stehen die Stärkung der eigenen Persönlichkeit und des sozialen Miteinanders, sodass die Ganztagsschule auch Erfahrungsraum für unsere Demokratie ist. In Baden-Württemberg können Schulträger zwischen der gebundenen und offenen Ganztagsschule wählen. Bei der gebundenen Form nehmen alle Schülerinnen und Schüler an den Angeboten teil, während die Teilnahme an Standorten mit offener Form optional ist. Studien weisen jedoch eindeutig darauf hin, dass die Bedingungen zur Realisierung der oben genannten Ziele in gebundenen Angeboten besser sind.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert folgende Maßnahmen zur Gestaltung der Ganztagsschule, damit diese den erhofften Beitrag zu mehr Qualität und Gerechtigkeit im Bildungssystem leisten kann.

1. Ausbau der Ganztagsangebote gezielt fördern

Im Mittelpunkt der Diskussion um den Ausbau der Ganztagsangebote steht für die SPD-Landtagsfraktion der Zugewinn an Unterrichtsqualität. Besonderes Potential liegt in der Rhythmisierung des Tagesablaufes, denn so kann sinnvoll zwischen Konzentrations- und Entspannungsphasen abgewechselt werden. Eine solche Taktung birgt auch die Möglichkeit, andere Erfahrungsbereiche in den Schullalltag zu integrieren. Für gebundene Formen der Ganztagsschule spricht, dass sich positive Effekte auf das Sozialverhalten, die Lernmotivation und Schulnoten vor allem dann zeigen, wenn die Angebote regelmäßig genutzt werden. Dem Anspruch, durch eine intensivere Förderung auch einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu leisten, wird also besonders das
rhythmisierte Angebot gerecht.

  • Es ist sinnvoll an der Zielmarke festzuhalten, dass bis 2023 insgesamt 70% der Grundschulen Ganztagsschulen sein sollen. Im Sinne der Qualitätsverbesserung sind vor allem Konzepte mit rhythmisierter Tagesstruktur zu fördern.
  • Nach der Verankerung der Ganztagsschule im Primarbereich muss nun die Sekundarstufe ins Schulgesetz aufgenommen werden. Schwerpunkt des Ausbaus muss mit den Klassen 5-7 die Unterstufe sein.
  • Die Teilnahme von inklusiv beschulten Kindern und jungen Geflüchteten an Ganztagsangeboten muss u.a. durch den längeren Einsatz von Schulbegleitern bzw. eine zusätzliche Ressourcenzuweisung ermöglicht werden.

2. Betreuungs- und Ganztagsangebote bedarfsgerecht verbinden

Je nach den Gegebenheiten und Bedarfen vor Ort kann entweder der Ausbau des Betreuungs- oder des Ganztagsangebots sinnvoll sein. Leitmotiv einer Diskussion um die Weiterentwicklung eines Schulstandortes sollte nach Auffassung der SPDLandtagsfraktion immer die qualitative Verbesserung sein. Ohne klar formulierte Prioritäten kann keine zielführende Abwägung von Flexibilität und Verbindlichkeit erfolgen. Der pädagogische Mehrwert der Ganztagsschule muss den Eltern stärker vermittelt werden, damit sie eine informierte Entscheidung im Sinne der bestmöglichen Förderung ihres Kindes treffen können.

  • Die im Schulgesetz klar formulierten Kriterien für die Ganztagsschule dürfen nicht aufgeweicht werden. Motiv für die Ausdehnung von Schulzeiten und damit die finanzielle Beteiligung des Landes sollte primär der Qualitätszuwachs sein. Soll an einem Standort dagegen ausschließlich das Betreuungsangebot gestärkt werden, liegt dies weiterhin hauptsächlich in der finanziellen Verantwortung des Schulträgers und damit vielerorts der Kommunen.
  • Die vier bereits gesetzlich verankerten Zeitmodelle (3 Tage x 7 oder 8 Zeitstunden, 4 Tage x 7 oder 8 Zeitstunden) der Ganztagsschule bieten den Schulträgern ausreichend Gestaltungsspielraum. Eine Ausweitung des Betreuungskorridors (zum Beispiel 7:30 Uhr bis 17:30 Uhr) kann je nach Bedarf jedoch auch für Standorte mit Ganztagsschule wichtig sein. Hier gilt es die Kommunen einzubinden und ihnen zum Beispiel mit Blick auf die Abwicklung des Mittagsbands entsprechende Anreize zu setzen.

3. Professionelle Koordination der Ganztagsangebote ermöglichen

Die Organisation einer Ganztagsschule geht mit einem hohen Verwaltungsaufwand und pädagogischen Herausforderungen einher. Angebote müssen nicht nur reibungslos ablaufen, sondern auch qualitativ hochwertig sein. An einigen Standorten scheuen sich Schulträger aufgrund dieses Mehraufwands vor der Einrichtung einer Ganztagsschule, obwohl sie diese für gewinnbringend halten. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen ist es sachgemäß, bei der Ausstattung der Schulen mit Leitungs- und Steuerungsressourcen stärker zwischen Ganztags- und Halbtagsschulen zu differenzieren.
Im Sinne einer Qualitätssicherung fordert die SPD-Landtagsfraktion zur Entlastung der Schulleitungen und Professionalisierung der Ganztagskoordination:

  • Die Verdopplung der Entlastungsstunden für die Schulleitungen zur Koordination des Ganztagsangebots. Bisher erhalten Schulleitungen maximal 1-2 Stunden, was sich in der Praxis als unzureichend erwiesen hat.
  • Eine zusätzliche Konrektorenstelle ab einer Schülerzahl von 150 statt wie bisher 180, um dem veränderten Aufgabenprofil der Schulleitung im Ganztagsbetrieb
    gerecht zu werden.
  • Die Einrichtung einer Koordinationsstelle für Verwaltungsaufgaben, insbesondere für die Kooperation mit außerschulischen Partnern und pädagogische Planung des Ganztagsangebots. Je nach Schulgröße sollte in Absprache mit dem Schulträger hierfür eine Voll- oder Teilzeitstelle zur Verfügung stehen.

4. Einbindung außerschulischer Partner erleichtern

Die Einbindung außerschulischer Partner bedeutet auch die Vernetzung der Schule mit dem Gemeinwesen. Sportvereine, Musikschulen, Kirchen sowie die offene Kinder- und Jugendarbeit schaffen andere Lernanlässe und Begegnungsräume als der normale Unterricht und sind daher eine Bereicherung des Schulalltags. Trotz des offenkundigen pädagogischen und gesellschaftlichen Mehrwerts einer Zusammenarbeit schrecken die Schulen noch zu häufig vor dem Verwaltungsaufwand zurück, der mit der entsprechenden Monetarisierung verbunden ist. Monetarisierung heißt, dass die Schulen den Geldwert der ihnen für den Ganztagsbetrieb zusätzlich zugewiesenen Ressourcen in Teilen auch für die Kooperation mit außerschulischen Partnern einsetzen können. Für
die Schulen muss es klare Anreize für eine solche Zusammenarbeit geben.

  • Die Vereinfachung des Verfahrens muss auf Grundlage einer Analyse aktueller Stolpersteine eingeleitet werden. Eine Weiterentwicklung der Kooperationsvereinbarung, ehrenamtlichen Beauftragung und des Abrechnungsmodus mit außerschulischen Akteuren scheinen prioritär. Flächendeckenden Neuerungen muss allerdings eine systematische Erprobung und Evaluierung anderer Organisationsansätze vorangehen, um deren Praktikabilität sicherzustellen.
  • Zur Vereinfachung der Abrechnung wäre auch die Prüfung von Budgetlösungen denkbar, in denen die Mittel der einzelnen Förderstränge (Monetarisierung, Mittagsbetreuung, Jugendbegleiter) gegenseitig deckungsfähig sind.
  • Lehrkräften sollte es im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Aktivitäten möglich sein, Angebote an Ganztagsschulen anzubieten. Eine beamtenrechtliche Prüfung ist
    vorzunehmen.
  • Die Schülerinnen und Schüler sollten aktiv in die Gestaltung der Ganztagsschule eingebunden werden, um die Passgenauigkeit der und Motivation für die Angebote zu steigern. Entsprechende Strukturen zur Mitbestimmung und Evaluation sollten auch mit Blick auf die Einbindung externen Partner geschaffen werden.

Ansprechpartner

Dr. Stefan Fulst-Blei
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bildungspolitischer Sprecher