Redemanuskript Reinhold Gall

Aktuelle Debatte SPD: Weiß Herr Minister Hauk, dass er auch für Verbraucherschutz und Tierschutz zuständig ist?

am 12. April 2018

Anrede,

gleich eine ganze Reihe von bemerkenswerten Äußerungen des Agrarministers veranlassen uns, diese und die Politik, die sich dahinter zeigt, einmal hier zu debattieren. Es drängt sich leider tatsächlich die Frage auf: Weiß Herr Hauk überhaupt, dass er auch für Verbraucherschutz und Tierschutz zuständig ist?

Erst kürzlich ließ Herr Hauk durchblicken, wie er als Verbraucherschutzminister die Welt sieht: Was die Bauern auf ihre Felder sprühen, gehe die Öffentlichkeit gar nichts an. Diese Äußerung bleibt auch dann interessant, wenn er sie kurz darauf zurückgenommen hat, denn sie zeigt, was er wirklich denkt.

Daran, dass er auch für Verbraucherschutz zuständig ist, wird man nur erinnert, wenn er einmal jährlich den Bericht vorlegt, in welchen Gaststätten mal wieder Kakerlaken gefunden wurden, oder Lebensmittel, die längst abgelaufen waren. Dann tut er einen Tag lang so, als wäre er ein Interessenvertreter für die Verbraucher im Land, und das sind übrigens alle Bürgerinnen und Bürger.

An den anderen 364 Tagen hört man nur den Agrarlobbyminister, den Sägewerksminister, den Fleischerzeugerminister, den Wolfsabschussminister und neuerdings den Pestizidverharmlosungsminister.

Wir wissen alle längst, dass die Landwirtschaft in der Krise steckt, weil das gegenseitige Vertrauen von Landwirten und Verbrauchern seit Jahren schwindet. Immer skeptischer schauen die Verbraucher auf das, was sich in den Ställen abspielt, in den Schlachthöfen und auf den Feldern. Und die Landwirte gehen in Abwehrhaltung und verstehen die Verbraucher nicht mehr.

Aber grobe Missstände werden ja leider fast immer von Tierschützern und von Journalisten aufgedeckt, manchmal, nachdem sie sich illegal irgendwo Zutritt verschafft haben oder heimlich filmen. Wie soll da Vertrauen in den Staat entstehen, dass alles mit rechten Dingen zugeht?

Auch den Landwirten ist nicht geholfen, indem man einfach wegschaut und immer nur ein paar markige Sprüche für Stammtische abgibt. Wie sollen die Verbraucher denn wissen, dass bei den allermeisten Landwirten die Tierhaltung in Ordnung ist und auch der Einsatz von Antibiotika oder Spritzmitteln und Dünger aller Art. Wenn Missstände fast nur illegal aufgedeckt werden, statt durch reguläre Kontrollen?

Auch den Schäfern und anderen Nutztierhaltern ist nicht geholfen, wenn man beim Thema Wolf immer nur Angst schürt und sich innerhalb der Regierung über die Aufnahme ins Jagdgesetz oder möglichst erleichterte Abschüsse streitet. Zur von Herrn Hauk angemahnten Nüchternheit bei diesem Thema sollte man vor allem ihn selbst ermuntern.

Natürlich ist da keine Romantik angebracht, aber auch keine Panik. Da könnte man auch sicherlich noch viel von den zuständigen Kollegen in Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen lernen, die einfach ihre Arbeit machen und die Probleme angehen, die da sind, statt über Abschüsse zu schwadronieren, bevor der erste Wolf überhaupt heimisch geworden ist.

Viel mehr wäre den Tierhaltern geholfen, wenn man ihnen die Entschädigung für Nutztierrisse gesetzlich zusichert, wie Sachsen das im Landesnaturschutzgesetz offenbar kann und tut. Hier wird einfach behauptet, das ginge nicht, was ganz offensichtlich Unsinn ist und nur die Verunsicherung erhöht.

Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Herr Hauk der Mann fürs Grobe der Union ist, der möglichst oft ausloten soll, was die Grünen sich alles gefallen lassen, und wie weit man den Koalitionsvertrag verbiegen kann. Im Vertrag steht, dass man mehr Wald unter Schutz stellen will, und der Agrarminister verkündet forsch, dass es mit ihm keine weiteren Bannwälder geben werde. Obwohl dies übrigens auch als Vorgabe des Bundes geboten wäre.

Und tatsächlich stellt man mit Staunen fest, dass es von grüner Seite keinen Widerspruch gibt, jedenfalls keinen sichtbaren. Die Grünen stellen sich beim Tierschutz nicht vor die Verbraucher, die es einfach leid sind, immer wieder Bilder zu sehen, wie Tiere in Schlachthöfen oder bei Transporten sehr unsachgemäß und tierquälerisch behandelt werden. Die Grünen waren auch ganz vorn dabei, als es darum ging, die Aufstockung der Stellen für Veterinäre für Kontrollen abzulehnen. Sie stellen sich auch nicht vor die Verbraucher, wenn die wissen wollen, welches Pflanzenschutzmittel in welcher Menge auf unsere Äcker gesprüht wird.

Eigentlich sollte diese Landesregierung neben der Tierschutzbeauftragten noch einen Verbraucherschutzbeauftragten bestellen, denn um beides kümmert sich der zuständige Minister nicht selbst und die Regierungsfraktionen offenbar ebenso wenig.

Selbstverständlich wäre es sinnvoll, so wie der NABU das angeregt hat, wenn man überhaupt einmal erfassen würde, was in welchen Mengen bei uns jährlich gespritzt wird, um überhaupt eine Grundlage zu haben, an der man sieht, ob Reduzierungsbemühungen greifen. Wie soll man sonst sehen, ob z.B. die Maßnahmen im FAKT-Programm, mit denen herbizidfreie Landbewirtschaftung gefördert wird, einen messbaren Effekt haben?

Bei Antibiotikagaben im Tierstall geht das offenbar und für Pflanzenschutzmittel muss es jeder Landwirt sowieso aufzeichnen und in der Schlagkartei vermerken. Es wäre also nicht mal ein besonderer bürokratischer Aufwand. Wie gut, dass die Antibiotika-Resistenz-Strategie Bundessache war, hier im Land hätte Herr Hauk sicherlich nur gesagt: Was im Stall gefüttert und verabreicht wird, geht die Öffentlichkeit nichts an.

Und so gibt es nicht einmal ein Achselzucken oder ein Wort der Nachdenklichkeit des Ministers, wenn die amtlichen Erhebungen des Bundes aufzeigen, dass der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland seit 2002 sogar um etwa 15% gestiegen ist, und das trotz aller Umweltprogramme, und Blühstreifen und gestiegener Flächen im ökologischen Landbau. Der Handlungsbedarf ist ganz offensichtlich, selbst wenn nicht auch noch das von der Wissenschaft festgestellte Insektensterben dazu käme.

Dieses Land braucht eigentlich keinen Pestizidverharmlosungsminister, keinen Abschussminister und auch keinen Minister, der die Tiere qualvoll im Stich lässt. Es wäre Zeit, dass irgendjemand, vielleicht die Fraktionen, vielleicht auch der Ministerpräsident, den Minister für den Ländlichen Raum daran erinnert, dass er auch Verbraucherschutzminister ist und auch Tierschutzminister, und das er für alle Bürgerinnen und Bürger Minister ist, und nicht nur für Schlachthöfe, Tierexporteure oder den Pflanzenschutzmittelhandel.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz