Redemanuskript Gerhard Kleinböck
Antrag SPD „Steigender Unterrichtsausfall unter Grün-Schwarz als klares Signal zum Handel“ (Drucksache 16/3378)

am 28. Februar 2018

Anrede,

Was wir im vergangenen Jahr vorhergesagt hatten, ist eingetreten:

Der Unterrichtsausfall an unseren Schulen hat ein neues Rekordhoch erreicht. An Gymnasien und beruflichen Schulen steigt er in diesem Schuljahr anteilig sogar um 20 Prozent.

Wir führen diese Debatte heute, weil die grün-schwarze Landesregierung die miserable Versorgungssituation der Schulen einfach hinnimmt. Die aktuelle Lage wird sogar noch schön gerechnet, Warnsignale der Gewerkschaften und Lehrkräfte werden routiniert abgebügelt. Genauer hinschauen will man im Kultusministerium lieber nicht, denn dann wäre nicht mehr zu leugnen, dass viel zu wenig getan wird.

Unsere Schulen sind schon mit 635 Lehrkräften zu wenig ins neue Schuljahr gestartet. Es würde zu Unterrichtsausfällen kommen, sobald die erste Krankheitswelle durchs Land rollt – so viel stand bereits im September 2017 fest. Zur selben Zeit wurde die grün-schwarze Streichung von 1.074 Stellen wirksam. Laut Ihnen, Frau Kultusministerin, kein Problem, denn diese Stellen könnten ja eh nicht besetzt werden.

Zum neuen Lieblingssatz „die Unterrichtsversorgung ist auf Kante genäht“ gesellte sich das Mantra „wir haben ein Bewerber- und kein Stellenproblem“.  Sie stellen sich damit selbst die Lizenz zum Nichtstun aus: sie gehen offen mit einem Defizit um, an dem sie vermeintlich anderen die Schuld geben.

Strategisch durchaus geschickt, aber eben unaufrichtig und vor allem zu kurzsichtig.

Dennoch: Die Stellenstreichungen sind ein Problem. Das zeigt sich am Beispiel der Gymnasien, wo Anfang des Schuljahres noch alle Stellen besetzt werden konnten und sogar über 2.250 Bewerber leer ausgingen. Auf dem Papier geht es der Schulart also so gut wie keiner anderen und trotzdem verzeichnet sie laut neuester Stichprobenerhebung nun den größten Unterrichtsausfall. Absolut nicht nachvollziehbar angesichts der hervorragenden Bewerbersituation.

Wir haben einfach direkt bei der Landesregierung nachgefragt, warum sie vor diesem Hintergrund eine derartige Verschlechterung der Unterrichtsversorgung an den Gymnasien zulässt. Die Antwort ist mehr eine Zurechtweisung -– Problembewusstsein und Dialogbereitschaft Fehlanzeige: die Unterrichtsversorgung habe sich gar nicht verschlechtert. Der Versorgungsgrad sei an allen Gymnasien im Land „etwa gleich“ und insgesamt „günstiger“ als an anderen Schularten.

Ist das Ihr Ernst? Wenn 20 % mehr Unterricht ausfällt als im Vorjahr, ist „überall gleich und günstiger als anderswo“ offensichtlich nicht gut genug!

Eine solche politische Steuerung ist absolut mangelhaft. Übersetzt für die CDU-Kollegen, die es so gerne in Ziffernoten haben: das ist nicht mal eine 4, bestenfalls eine schwache 5.

Deshalb: Die Stellenstreichungen müssen zurückgenommen und die Krankheitsreserve muss ausgebaut werden.

Ziel muss sein, dass alle Schulen mittelfristig einen Versorgungsgrad von 106 Prozent zum Schuljahresbeginn haben, damit sie nicht bei jedem Magen-Darm-Virus in den Krisenmodus fallen.

Baden-Württemberg braucht eine Unterrichtsversorgung, die nicht schon zum Schuljahresbeginn auf Kante geplant und damit zum Scheitern verurteilt ist.

Grundlage einer auskömmlichen Unterrichtsversorgung ist die Personalplanung und damit sind wir bei der nächsten Großbaustelle. Fakt ist, dass das Kultusministerium gar nicht genau weiß, was in den Schulen eigentlich los ist. Treffend titelt der Mannheimer Morgen (21.02.18) auf Grundlage einer SPD-Anfrage:  „Ministerium kennt keine Zahlen“.

  • Unterrichtsausfall (nur Pflichtunterricht!) wird stichprobenartig einmal pro Jahr erfasst.
  • Mehrarbeit wird nicht erhoben.
  • Vertretungsstunden werden nicht erhoben.
  • Fachfremd erteilter Unterricht wird nicht erhoben.

Ihre Ausrede: die Erfassung solcher Daten sei zu viel Aufwand für die Schulleitungen. Dass hier keine EDV-gestützten Lösungen gefunden werden können, ist wenig glaubwürdig. Andere Bundesländer können das doch auch!

Ende April 2017 rechneten sie über alle Schularten hinweg mit 4.420 Neubewerbern für den Eintritt in den Schuldienst im September. Tatsächlich waren es vier Monate später mit 3.800 Personen insgesamt 620 weniger als gedacht. Bei 5.100 zu besetzenden Stellen ist das eine Menge verlorenes Potential.

Fast ein Drittel der Referendarinnen und Referendare sitzt nach dem Vorbereitungsdienst sowieso erstmal auf der Straße, während in den Schulen immer mehr Unterricht ausfällt. Für Sie ist es einfach zu behaupten, die Ortpräferenzen und Fächerkombinationen der Bewerber ließen keine Zuteilung zu. Erfasst werden diese Daten jedoch nicht und so müssen wir Ihnen glauben, dass es bei 2.250 verfügbaren Gymnasiallehrkräften nicht möglich ist, 200 für sie an Gemeinschaftsschulen vorgesehenen Stellen zu füllen.

Tun wir ehrlich gesagt aber nicht. Mehr als 700 Gymnasiallehrkräfte hatten explizit angegeben auch an Gemeinschaftsschulen arbeiten zu wollen.

Frau Kultusministerin, es ist an der Zeit einen schonungslosen Blick auf die Situation zu werfen.  Dazu gehört auch der Handlungsspielraum, den Sie aktuell haben, aber nicht nutzen. Wir haben weite Teile des Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung  begrüßt, das sie im letzten Juli vorgestellt haben. Aber es braucht mehr, es bedarf grundlegender Veränderungen in der Personalplanung des Kultusministeriums und der Ausstattung der Schulen.

Es ist leicht auf Versäumnisse in der Vergangenheit zu verweisen. Schwieriger ist es im hier und jetzt, die Zukunft zu gestalten – aber genau das ist ihr Job.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Daniel Born
Stellvertretender Landtagspräsident

Dr. Stefan Fulst-Blei
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bildungspolitischer Sprecher

Lisa Rößner
Beraterin für Bildung, Jugend und Sport