Redemanuskript Dr. Stefan Fulst-Blei – Bildung

Zweite Beratung Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2018/2019

Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

am 15. Dezember 2017

[Anrede]

Kolleginnen und Kollegen von CDU und Grünen,

Sie stehen doch auf Noten. Können Sie gerne vorab haben: Rechnen ungenügend. 6 wegen mehrfachen Täuschungsversuchs.

Dies ergänzend zu der 4, die ich den Grünen vor einigen Wochen in Mitarbeit gegeben habe wegen unterlassener Unterstützung der Gemeinschaftsschulen im Land.

Da wir uns als SPD aber gerne an modernen pädagogischen Methoden orientieren, nachfolgend die differenzierte Leistungsrückmeldung und vorab ein paar Übungsaufgaben.

Lieber Kollege Röhm,

Frage 1: Was gibt 1.206,5 Stellenzugänge für das Jahr 2018 minus 1.992,5 Stellen?

Antwort: minus 786 Stellen für 2018

Liebe Kollegin Boser,

Frage 2: Wenn jetzt im Jahr 2019 nur 325 dazu kommen, sind das dann insgesamt mehr oder weniger Stellen?

 

Antwort: es sind minus 461 Stellen! Wie kommen Sie dann zu der Behauptung in diesem Doppelhaushalt gäbe es mehr Lehrerstellen?

Ihre Politik heißt Lehrerstellenstreichung in einer Zeit, wo wir dringend Lehrkräfte an den Schulen brauchen!

Frage 3, Verständnisfrage: Wenn Schulen neue Aufgaben wie Integration oder Inklusion erhalten oder gar neue Fächer und Poolstunden dazu kommen, brauchen sie dann mehr oder weniger Lehrkräfte?

Antwort: Natürlich mehr.

MEHR Lehrkräfte für MEHR Aufgaben, für MEHR Stunden. Auch weil es wieder MEHR Schülerinnen und Schüler geben wird. Deshalb brauchen wir jetzt eine echte Aufstockung der Schulen mit Lehrkräften.

Und: 2.200 Gymnasiallehrkräfte gibt es auf dem Markt, die keine Stelle erhalten haben. Und Sie ergreifen diese Chance nicht. Das ist doch absurd!

Frage 4: Wenn Finanzministerin Sitzmann im Landtag nun verkündet, es gäbe 1.300 Lehrkräfte mehr an den Schulen, obwohl wir bei Frage 1 schon zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen sind, ist das dann ein Rechenfehler oder bewusste Täuschung?

Antwort: Es ist ein eindeutiger Täuschungsversuch! Note 6!

Denn ganz bewusst fügt sie ihrer Aussage kleinlaut ein „als in der bisherigen Finanzplanung vorgesehen“ hinzu. Es bedeutet nur, dass weniger gestrichen wird als von Ministerpräsident Kretschmann noch seit 2012 immer wieder verlangt.

Aber: wenn man Stellen erst streicht und dann wieder welche dazugibt, muss man beides verrechnen. Sich nur für die Zugänge abfeiern zu lassen, und die Streichungen zu verschweigen, ist unredlich. Vor allem dann, wenn am Ende ein klares Minus für die Ausstattung der Schule stehen bleibt.

Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger für dumm verkaufen. Wissen Sie, warum Sie damit nicht durchkommen? An den Schulen fällt bereits konkret Unterricht aus und das können Sie nicht schönrechnen.

Über 1000 Lehrerstellen haben Sie zu Anfang des aktuellen Schuljahres gestrichen.

Nehmen Sie diesen öko-konservativen Abbauwahnsinn zurück! Stellen Sie Lehrkräfte ein, die unsere Schulen unterstützen könnten.

Und die Trickserei geht ja noch weiter:

Sie feiern deutliche Mehrausgaben für den Kultusbereich. Aber: 2016 umfasste der Kultusetat 22,8 % des gesamten Staatshaushalts. Bis 2019 sinkt dieser Anteil auf 22,3 %. Sie geben relativ immer weniger Geld für Bildung aus. Anderes ist Ihnen wichtiger.

Sie bejubelten Mittwoch wieder 800 Mio. Euro an mehr Mitteln für den Kultusetat, wo es nur knapp 749,7 Mio. sind. Falsch gerundet!

Aber selbst davon entfallen alleine 420 Mio. auf erhöhte Pensionszahlungen, 68 Mio. auf höhere Kosten für die Beihilfe. Damit reduziert sich Ihr Betrag schon mal auf unter 300 Mio.

121 Mio. davon wiederum sind für die Privatschulen. Wichtig, aber wie die vorgesehenen Mehrausgaben von 40 Mio. Schulbau ohne Wirkung auf die direkte Personalausstattung an den staatlichen Schulen.

Nein, nach Berechnungen der GEW bleiben von ihren pompösen 800 Mio. Euro gerade mal 42 Mio. über alle Schulkapitel hinweg übrig. Das ist 19-mal weniger als Sie versuchen den Menschen vorzugaukeln.

Und was Sie gar nicht thematisieren: Alleine die Tarifrunden 2018/19 umfassen geschätzt mindestens 400 Mio.

Wen wollen Sie hier eigentlich für dumm verkaufen? Ihr Bildungsetat ist völlig unzureichend finanziert. Das hat mit Zukunftsgestaltung nichts zu tun. Das ist Raubbau an unseren Schulen!

Und es wird Ihnen auch nicht gelingen, den selbst verursachten Mangel schön zu definieren.

In der Inklusion haben Sie bereits im Frühjahr angefangen und die Order von oben erteilt, bei der Bedarfsfeststellung genauer hinzusehen. Auf den Mangel von Sonderpädagogen reagieren Sie durch das Leugnen von Bedarf.

Die Studienkapazitäten an den Hochschulen wollen Sie trotz lauter Alarmsignale nicht ausreichend erhöhen. Es scheint, Sie wollen durch eine schlecht ausgestattete Inklusion die Eltern abschrecken.

Kritik von Eltern und Lehrkräften an diesem Vorgehen wird, so empfinden es diese, wie mit dem eisernen Besen behandelt. Aber das gilt auch für die Themen Gemeinschaftsschule oder Aufstiegsqualifizierung.

„Resolut oder rüde?“, fragte die Südwestpresse am 12.12. mit Blick auf den Politikstil der Kultusministerin.

Frau Ministerin, bei allem Respekt, aber Sie müssen am Ende des Tages aufpassen, dass es nicht heißt „beides“. Resolut im Schönrechnen und rüde im Abbügeln!

Kolleginnen und Kollegen,

Täuschungsversuche sind das eine, verpasste Chancen das andere.

Stichwort Gebührenfreiheit „Kindertagesstätten“. Auch Sie stehen hier im Wort bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wir sind damit einverstanden, dass Sie mehr als 80 Mio. Euro in eine Qualitätsoffensive investieren zu wollen. Wir werden Sie nicht aus der Verantwortung entlassen, bis ein entsprechendes Konzept vorliegt. Die jetzige Haushaltslage erlaubt es aber trotzdem gleichzeitig, den Einstieg in die Gebührenfreiheit vorzunehmen.

Zwei so wichtige Themen gegeneinander auszuspielen ist kurzsichtig und schadet dem Land. Die Gebührenfreiheit ist ein wichtiges Signal für die Familie.

Über Jahrzehnte trug Baden-Württemberg unter CDU-Regierung die rote Laterne beim Ausbau von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote. Erst mit dem Regierungswechsel 2011 hat die SPD die Wende eingeleitet und dieses Land in Sachen Qualität auf einen Spitzenplatz geführt.

Sie müssen sich heute entscheiden: bleiben Sie einmal mehr nur bei Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden oder sind Sie bereit, bei dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Maßnahme voran zu kommen.

Die SPD in Baden-Württemberg will die Familien entlasten! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Der Einstieg in die Gebührenfreiheit für Kindertagesstätten muss jetzt kommen!

Qualität ist aber nicht nur für die Kindertagesstätten wichtig.

Darum wollen wir Ihre Lehrerstellenstreichung zurücknehmen. Wir haben solide gegenfinanzierte Anträge aufgelegt:

  • Für die Einstellung von Gymnasiallehrkräften. Über 2.200 Lehrkräfte haben in diesem Jahr keine Stelle bekommen, während an den Schulen Unterricht ausfällt. Das grenzt an einen Skandal. Wir fordern 100 für Gemeinschaftsschulen, 100 für die beruflichen Schulen sowie 75 Stellen für die Aufstockung der Krankheitsreserve und des Entlastungskontingents auch an den Gymnasien.
  • Für die dauerhafte Entfristung der Lehrkräfte, die für die Sprachförderung an den Schulen sind.
  • Für eine Aufstockung der Studienplätze im Bereich Sonderpädagogik um 200.
  • Für die Bezahlung von befristeten Lehrkräften über die Sommerferien, wenn schon klar ist, dass sie im nächsten Schuljahr weiter gebraucht werden.
  • Für den Abbau des Beförderungsstaus von Fachlehrern und technischen Lehrkräften, damit sich der Quereinstieg lohnt.

Außerdem fordern wir neben deutlich mehr Geld für die Schulsanierung eine Stärkung des lebenslangen und demokratischen Lernens:

  • Wir wollen eine deutliche Aufstockung der Förderung der Volkshochschulen und kirchlichen Weiterbildungsträger. Wir müssen zumindest den bundesdeutschen Durchschnitt anstreben.

Kolleginnen und Kollegen,

Zukunft gestalten Sie nicht mit dem eisernen Besen.

Zukunft im Bildungsbereich gestalten Sie durch ausreichende Lehrerstellen, eine motivierte Lehrerschaft, die bereit ist für Fortbildung und neue Methoden, demokratische Impulse sowie eine Stärkung der Familien im Land.

Dafür steht die SPD!

Ich danke Ihnen!

+++Es gilt das gesprochene Wort.+++

Ansprechpartner

Daniel Born
Stellvertretender Landtagspräsident

Dr. Stefan Fulst-Blei
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bildungspolitischer Sprecher

Lisa Rößner
Beraterin für Bildung, Jugend und Sport