Redemanuskript Rainer Hinderer
Aktuelle Debatte „Medizinische Versorgung in der Fläche sichern – mehr Landärzte für Baden-Württemberg“

am 14. Juni 2018

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

um die ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen, dürfen wir keine isolierten Lösungsvorschläge betrachten.

Es reicht nicht aus, lediglich das Medizinstudium in den Blick zu nehmen, indem ein Stipendium oder eine Landarztquote eingeführt werden. Das kann höchstens ein kleiner Baustein zu Bewältigung des Mangels sein.

Es ist aus unserer Sicht unumgänglich, dass verschiedene Maßnahmen gleichzeitig angegangen werden und alle an der Versorgung Beteiligten (also Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit Kassenärztlicher Vereinigung, den Krankenkassen, den Krankenhausträger, der Ärztekammern und den Ärzteverbänden) ein gemeinsames Ziel verfolgen.

Wir brauchen hier ein allumfassendes Programm, weshalb wir 2017 unseren 10- Punkte- Plan vorgestellt haben, der aus unserer Sicht wichtige, umfassende Maßnahmen beinhaltet.

In Bezug auf das Medizinstudium und die universitäre Weiterbildung fordern wir,

  • dass eine größere Anzahl an Studienplätzen im Fach Medizin geschaffen wird. Hierbei ist es uns jedoch wichtig, dass parallel auch in anderen Bundesländern die Zahl der Medizinstudienplätze erhöht wird.
  • Die Vergabe von Stipendien oder die Einführung einer Landarztquote als Einzelmaßnahmen reichen einfach nicht aus! Hier bedarf es aus unserer Sicht auch noch weiteren Überlegungen und Prüfungen: Was wären beispielsweise die Konsequenzen für Studierende, die sich nach elfjähriger Ausbildung doch nicht als Landarzt niederlassen wollen, weil sich Interessen und Kompetenzen verändert haben?
  • Daher setzen wir uns dafür ein, die Allgemeinmedizin innerhalb des Medizinstudiums zu stärken, indem gezielte Reformen im Masterplan Medizinstudium 2020 umgesetzt werden. Um die Allgemeinmedizin gegenüber den klassischen Fachgebieten der Medizin gleichzustellen, müssen in diesem Bereich Lehrstühle geschaffen werden und Stellen für wissenschaftliches Personal, wir brauchen Forschungsmittel und Dissertationsmöglichkeiten. Hier muss das Land aus unserer Sicht Geld investieren, es kann nicht sein, dass der Masterplan Medizinstudium 2020 nicht umgesetzt werden kann, weil er unter Finanzierungsvorbehalt steht!

Für die Aufnahme der Tätigkeit als Vertragsarzt

  • sind wir der Meinung, dass unterversorgte Regionen mit dem bestehenden Ärztemangel nicht alleine gelassen werden dürfen. Daher fordern wir monetäre Anreize und Niederlassungszuschüsse für Landärzte in abgelegenen oder unterversorgten Regionen.
  • Wir wollen, dass sich die Frage der Niederlassung nicht mehr an der zu erwartenden Zahl von Privatpatienten orientiert. Deshalb ist eine gemeinsame Gebührenordnung von GKV und PKV überfällig.
  • Wir sind der Meinung, dass die berufliche Orientierung nicht aufgrund der im Vergleich zu anderen Fachgebieten schlechteren Honorare für die hausärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte beeinflusst werden darf. Eine bessere Vergütung für Allgemeinmediziner ist aus unserer Sicht dringend notwendig.

In Bezug auf die Ausübung der Vertragsärztlichen Tätigkeit sind weitere Maßnahmen erforderlich.

  • Es darf nicht sein, dass ausgebildete Ärztinnen und Ärzte durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf ins Ausland abwandern. Wir wollen Ärztinnen und Ärzte in Baden- Württemberg halten durch neue, innovative Wege und alternative Praxisformen jenseits der klassischen Einzelpraxis, beispielsweise die Förderung des Angestelltenverhältnisses in Teilzeit, das Einrichten von Gemeinschaftspraxen und Zweigpraxen, der Förderung von Medizinischen Versorgungszentren usw.
  • Wir wollen, dass Hausärztinnen und Hausärzte mehr Kompetenzen bekommen und eine Lotsenfunktion im Gesundheitssystem einnehmen. Dazu muss der Zugang zu Patientendaten z.B. mit Hilfe der elektronischen Versichertenkarte verbessert werden.
  • Neben der Stärkung der Stellung der hausärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte im Gesundheits-system müssen diese in ihrer täglichen Arbeit entlastet werden. Wir fordern daher Möglichkeiten der Delegation und Substitution bisheriger ärztlicher Tätigkeiten auf andere medizinische Fachkräfte. Dieses kann z.B. durch die Einführung des Bachelor in Nursing oder auch den Ausbau der Behandlung per Telemedizin am Telefon oder in einer Video-Konferenz gefördert werden.
  • Mit dem Projekt DocDirekt gehen wir in Baden- Württemberg einen richtigen Weg: Die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes war hier ein wichtiger Schritt, der Dank LÄK-BW und KV-BW gelungen ist (und nicht Dank der Landesregierung, wie man aufgrund der Pressemeldung der LReg zum Digitalisierungsbericht von Minister Strobl fälschlicherweise denken könnte!).

Nur, wenn wir die genannten Maßnahmen als Gesamtpaket weiter verfolgen, kann aus unserer Sicht langfristig die ärztliche Versorgung in der Fläche gelingen.

Um diesen Weg effektiv zu gehen, muss die Landesregierung auch in den unterschiedlichen Koordinierungsforen, etwa in der Landesgesundheitskonferenz oder dem sektorenübergreifenden Landesausschuss, aktiv werden und hier den Blick auf die Problematik und mögliche Maßnahmen lenken.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Klose Fraktion
Roland Klose
Berater für Sozial- und Gesundheitspolitik