Redemanuskript Andreas Stoch
Aktuelle Debatte CDU „Für eine starke und einige EU: Klare Prioritäten für Europas Zukunft“

am 09. Mai 2018

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

„Für eine starke und einige EU: Klare Prioritäten für Europas Zukunft“ – der Titel der heutigen aktuellen Debatte ist schon eine Ansage, eine Ansage und zugleich Anspruch, den es zu erfüllen gilt.

„Für eine starke und einige EU: Klare Prioritäten für Europas Zukunft“ was heißt das heute, welcher Auftrag ist damit verbunden?

„Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ Diese Aussage aus der sogenannten Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 ist heute aktueller denn je. Und auch die Feststellung des damaligen französischen Außenministers, dass Europa durch konkrete Tatsachen entstehen wird, hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Übersetzt heißt das, die Menschen in Europa brauchen handfeste und nachvollziehbare Ergebnisse, die ihnen den Mehrwert von Europa tagtäglich vor Augen führen.

68 Jahre nach Schumans Gründungsrede ist der europäische Zusammenhalt gefährdet und die europäische Solidarität deshalb wichtiger denn je. Ein starkes Europa ist der politische, finanzielle, ökonomische und soziale Stabilitätsanker angesichts der globalen Herausforderungen – das ist auch gestern durch die Kündigung des Iran-Atomabkommens noch einmal deutlich geworden.

Europa ist aber auch die einzige Möglichkeit, um im Konzert der Weltmächte China und den USA künftig noch mithalten zu können. Ein starkes und geeintes Europa ist der beste Garant für eine gute Zukunft in Frieden, Freiheit und Wohlstand.

Mehr als jemals zuvor ist eine starke EU daher notwendig, um die zentralen Zukunftsaufgaben unserer Zeit bewältigen zu können. Europa muss dafür aber auch nach innen wie nach außen beschützt und seine Errungenschaften verteidigt werden. Der aufziehende Nationalismus, Rechtspopulismus und Protektionismus in vielen Staaten Europas gefährdet nicht nur die Demokratie in den einzelnen Staaten, sondern auch die Funktionsfähigkeit der EU.

Die Grundidee der EU – die dauerhafte Friedenssicherung und die Etablierung einer europäischen Friedensordnung – hat bei vielen Menschen ihre Anziehungskraft verloren. Der Name „Europa“ steht nicht mehr für eine bessere und gerechtere Gesellschaftsordnung, sondern für Bürokratisierung und Zentralisierung. Diese Stimmung ist der Nährboden für die Wahlerfolge von Front National, Ukip, der PVV der Niederlande, der FPÖ und der AfD. Die EU-Verdrossenheit der europäischen Bevölkerung, die immer lauter nach dem Nutzen der Union fragt, steigt. EU-Bashing ist populär geworden, woran wir aufgrund der Präsenz der AfD bei jeder Landtagssitzung erinnert werden.

Die Verwaltungswissenschaftlerin, Christin Skiera, formuliert treffend, warum der europäische Geist scheinbar an Anziehungskraft verloren hat:
„Die jungen Europäer, die in den 80er Jahren oder später geboren wurden, haben weder Europas Aufstieg aus der Asche des Zweiten Weltkrieges noch dessen Befriedung nach den hochgerüsteten Jahrzehnten des Kalten Krieges miterlebt. Sie sind mit den Freiheiten von Maastricht aufgewachsen. Diese »Maastricht«-Generationen aber haben keine historische Bindung an das europäische Konstrukt, solange sie selbst sich keine eigene europäische Identität schaffen“ (Frankfurter Hefte 2013).

Für die Entwicklung einer europäischen Identität ist aber wichtig, dass von den politisch Verantwortlichen nicht das Trennende, sondern vielmehr das Verbindende in den Vordergrund gestellt wird. Wir müssen deutlich machen, dass wir als Europäer aufeinander angewiesen sind. Ob daher alles, was im Rahmen der Austeritätspolitik passiert ist, so richtig war, möchte ich bezweifeln.

Um den gesellschaftlichen Rückhalt der europäischen Idee zu stärken, ist es geboten, zum einen immer wieder die Vorteile einer starken EU herausarbeiten, zum anderen aber auch angebrachte Kritik oder Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und Europa erlebbar zu machen.

Es ist daher notwendig, die aktuelle Situation der EU kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Dazu sollten auch die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten genutzt werden, der unter anderem die Integration der EU vertiefen, die Partnerschaft mit Deutschland ausbauen und einen Eurozonen-Finanzminister einführen will. Zunächst sollten seine Vorschläge aber zum Anlass genommen werden, eine tiefgreifende Debatte über die EU zu führen.
Noch immer ist Europa eine große Insel des Wohlstands und des Friedens in der Welt. Aber durch die aktuellen Herausforderungen sind wir gezwungen und aufgefordert, die Architektur des europäischen Hauses kritisch zu prüfen, an der einen oder anderen Stelle zu reparieren und zu sanieren, ohne dessen Statik zu gefährden.

Das ist aber nicht nur Aufgabe der Bundesregierung, sondern auch aller Landesregierungen. Wie sieht daher die europapolitische Agenda der Landesregierung aus?

Zunächst ist festzustellen, dass die Europapolitik auf zwei Ressorts verteilt ist. Diese unnötige Konkurrenz zwischen STM und JuMi hat Doppelstrukturen und finanziellen Mehraufwand zur Folge. Gleichzeitig ist aber das Europazentrum mittelfristig ohne finanzielle Planungssicherheit.
Wie ernst meint es diese Landesregierung also mit dem selbstgewählten Anspruch von „Europa als Staatsraison“? Ist es nicht vielmehr so, dass man Europa immer dann für sich beansprucht, wenn es öffentlichkeitswirksam inszeniert werden kann, und dann die „Subsidiaritäts-Bremse“ drückt, wenn es darum geht, tatsächlich mehr Europa zuzulassen?

In den nächsten Monaten bis zur Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union für die Jahre 2021 bis 2027 werden wir – auch hier in Baden-Württemberg – viel über Geld sprechen, aber auch wenn die Buchhaltung und Förderprogramme vordergründig im Mittelpunkt stehen, es geht tatsächlich um Prioritäten und Ziele bzw. letztlich um die Frage, welches Europa wir wollen.

Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass ein soziales Europa die moderne Variante des Gründungsversprechens vom friedlichen Europa ist. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Wachstum, Wohlstand und Solidarität, weniger Armut und Arbeitslosigkeit, Zugang zu Bildung und Qualifikation, eine gesicherte und auskömmliche Lebensperspektive – das sind die Bausteine für ein Europa mit Zukunft.

Ich möchte daher mit einem Zitat von Willy Brandt enden, der im Zweiten Weltkrieg folgende Vision von Europa formulierte:
„Der Tag wird kommen, an dem der Hass, der im Krieg unvermeidlich scheint, überwunden wird. Einmal muss das Europa Wirklichkeit werden, in dem Europäer leben können“ (Willy Brandt in „Trots allt“, August 1943).

Lassen Sie uns für dieses Europa kämpfen!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Nicolas Fink
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Max Yilmazel
Berater für Finanzpolitik, Europa und Internationales