MdL Katrin Altpeter: „Ein modernes Landesgesetz muss die Qualität der Angebote sichern und den Verbraucherschutz gewährleisten“
Chancen der Föderalismusreform für den Sozialbereich rasch ergreifen
Als erste Fraktion im Landtag legt die SPD Eckpunkte für ein modernes baden-württembergisches Gesetz zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe vor. Die bisher durch Bundesrecht geregelte Tätigkeit der Heimaufsichtsbehörden der Stadt- und Landkreise soll landesrechtlich geregelt und an die heutigen Bedürfnisse alter und behinderter Menschen angepasst werden, so die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Pflegeexpertin Katrin Altpeter. In einer ersten internen Expertenanhörung haben der Landesseniorenrat, der VdK und die Verbände der freigemeinnützigen Pflegeheimträger bereits ihre grundsätzliche Übereinstimmung mit dem SPD-Eckpunktepapier signalisiert. Die Zuständigkeit für das Heimrecht ist mit der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen.
Nach den Worten von Altpeter muss ein modernes Landesgesetz die Qualität der Angebote und den Verbraucherschutz gewährleisten. Die Eckpunkte der SPD-Landtagsfraktion legten deshalb ein besonderes Augenmerk darauf, Qualitätsstandards für die Einrichtungen festzulegen, die auch regelmäßig überprüft werden müssen. Die SPD wolle zudem erreichen, dass die Vielfalt neuer Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung im neuen Gesetz berücksichtigt und für diese neuen Angebote maßgeschneiderte Anforderungen gesetzlich festgelegt werden. Zudem sollen die Heimaufsichtsbehörden verpflichtet werden, Interessierten aktuelle Informationen über konkrete Wohn- und Betreuungsangebote und deren Kosten zur Verfügung zu stellen.
Katrin Altpeter: „Dieses Gesetz hat große Bedeutung für alte und behinderte Menschen, die in stationären Einrichtungen leben.“ Von den 225.000 pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg lebten rund 78.000, also etwas mehr als ein Drittel, in stationären Einrichtungen der Altenhilfe. In den nächsten Jahren werde die Zahl der Pflegebedürftigen aufgrund des demografischen Wandels stark ansteigen, so Altpeter. Das Statistische Landesamt schätzt, dass sich bis zum Jahr 2030 die Zahl der Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, auf etwa 130.000 Personen fast verdoppelt. Auch die rund 19.000 Menschen mit Behinderungen, die in Baden-Württemberg derzeit in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, werden von dem Gesetz erfasst.
Die SPD-Pflegeexpertin betonte, wie wichtig die Sicherung der Versorgungsqualität und ein effektiver Verbraucherschutz – z. B. rasches und konsequentes Einschreiten bei Missständen – für diesen Personenkreis ist: „Pflegebedürftige oder behinderte Menschen benötigen einen besonderen Schutz, weil sie ihre Rechte und Interessen oft nicht oder nicht ausreichend selbst vertreten können.“
Dies sei umso dringlicher, da im Laufe der Jahre das Durchschnittsalter beim Wechsel von der Wohnung ins Pflegeheim deutlich angestiegen sei und das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner deutlich zugenommen habe.
Die zentralen Eckpunkte der SPD im Einzelnen
Das bisherige Bundesheimrecht hat die Entwicklung innovativer Wohn- und Betreuungsformen behindert. Erforderlich ist deshalb eine Öffnung für die Vielfalt neuer Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung. Dabei soll das Land ordnungsrechtliche Regelungen, also etwa Auflagen für die Heimbetreiber, nur dort festlegen, wo dies zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Pflegeheime, wo die Bewohner nicht frei wählen können, von wem die Pflegeleistung erbracht wird oder wer die Mahlzeiten liefert.
Anders dagegen ist die Situation in der Regel beim betreuten Wohnen, wo die Bewohner die Anbieter von Pflege- und Serviceleistungen wechseln können, ohne gleichzeitig die Wohnung aufgeben zu müssen. Hier ist nach den Vorstellungen der SPD über die Regelungen der Pflegeversicherung hinaus kein weiterer gesetzlicher Schutz und auch keine darüber hinausgehende Aufsicht erforderlich.
Auch Angebote der Tages- und Nachtpflege, die bisher unter das Bundesheimgesetz fielen, können nach Altpeters Worten aus dem Anwendungsbereich eines modernen Landesgesetzes herausgenommen werden.
Das Gesetz zum Schutz der Bewohner in Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe muss dem Verbraucherschutz dienen. Ein funktionierender Verbraucherschutz kann erheblich zur Qualitätssicherung und -entwicklung beitragen und entspricht den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger. Um den Rechten und Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe stärker Geltung zu verschaffen, soll das Leitbild des Verbraucherschutzes in den Gesetzeszweck aufgenommen werden.
Die Aufsichtsbehörden sollen deshalb entsprechende Aufgaben und Befugnisse erhalten. So schlägt die SPD vor, dass die Heimaufsichtsbehörden dem öffentlichen Interesse an Informationen über die verschiedenen Wohn- und Betreuungsangebote künftig stärker Rechnung tragen. Bürgerinnen und Bürger, potenziell interessierte Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung sowie deren Angehörige sollen möglichst aktuelle Informationen über konkrete Wohn- und Betreuungsangebote erhalten, damit sie sich selbst einen
Überblick über verfügbare Angebote und deren Kosten verschaffen können.
Die SPD spricht sich dafür aus, im baden-württembergischen Gesetz an der Fachkraftquote grundsätzlich festzuhalten. Der bisher durch Rechtsverordnung geregelte Fachkraftanteil in Höhe von mindestens 50 Prozent am Gesamtpersonal soll deshalb in das Landesrecht übernommen werden. Die zuständigen Behörden sollen nur dann Ausnahmen genehmigen können, wenn eine Personalstruktur mit geringerem Fachkräfteanteil den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner besser entspricht (Beispiel: mehr hauswirtschaftliche Präsenzkräfte in der Dementenversorgung).
Die SPD erteilt damit allen Bestrebungen eine Absage, diese Fachkraftquote auszuhöhlen oder abzuschaffen. Insbesondere die Landesregierung hat hier in der Vergangenheit mit ihrer schwankenden Haltung zur Fachkraftquote viele Befürchtungen bei Bewohnern und Trägern geweckt.
Die Einrichtungen sollen gesetzlich verpflichtet werden, alle zwei Jahre strukturierte Qualitätsberichte zu veröffentlichen. Die Aufsichtsbehörden haben die Aufgabe, die Aussagen dieser Qualitätsberichte zu überprüfen. Ziel muss es sein, den Verbrauchern differenzierte Informationen über die Qualität der Angebote zur Verfügung zu stellen. In regelmäßigen Abständen wird auf der Grundlage der Qualitätsberichte und der internen Prüfberichte der Aufsichtsbehörden ein Landesheimaufsichtsbericht erstellt.
Bisher ist die Personalausstattung der Heimaufsichtsbehörden in den 44 Stadt- und Landkreisen sehr unterschiedlich. Laut Landesheimaufsichtsbericht des Sozialministeriums aus dem Jahr 2004 schwankt die Personalausstattung zwischen 0,2 und zwei Vollzeitstellen. Die wenigsten Heimaufsichtsbehörden verfügen zudem über hauptamtliche Pflegefachkräfte. Das baden-württembergische Gesetz soll deshalb konkrete Vorgaben für die Personalausstattung der Aufsichtsbehörden und die Qualifikation des Personals enthalten.
Für die Überwachungstätigkeit der Aufsichtsbehörden sollen Qualitätsstandards eingeführt werden mit dem Ziel einheitlicher Prüfschemen. Eine qualitative Verbesserung und Vereinheitlichung der Prüfpraxis verleiht den Prüfberichten mehr Aussagekraft und stellt Vergleichbarkeit her. Das baden-württembergische Gesetz soll darüber hinaus Mindestqualitätsstandards für die Prüfberichte der Aufsichtsbehörden formulieren. Die Pflegeheimträger beklagen die derzeit sehr unterschiedliche Qualität und Aussagekraft der Prüfberichte der Aufsichtsbehörden.
Die Gestaltung des Zusammenlebens in einer Einrichtung soll entsprechend der sich ändernden Erwartungen der Bewohnerinnen und Bewohner weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch, dass die Interessenvertretung der Bewohner bei Bedarf durch externe Heimfürsprecher wahrgenommen werden kann. Wir sehen die Einrichtungen in der Ver-antwortung, die Teilhabe der Bewohnerinnen und Bewohner am gesellschaftlichen Leben und die Mitwirkung in der Einrichtung besonders zu fördern.
Die Öffnung der Einrichtungen in das Quartier und das Gemeinwesen soll durch neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements verstärkt werden.
Die Zusammenarbeit von Behörden soll effizienter gestaltet und überflüssige Bürokratie abgebaut werden. Der Verwaltungsaufwand für Träger und öffentliche Stellen muss verringert und die Abstimmung zwischen den Prüfinstitutionen muss weiter verbessert werden. Deshalb müssen ordnungsrechtliche Vorschriften gestrafft und der bürokratische Aufwand reduziert werden, soweit ihm kein entsprechender ordnungsrechtlicher Ertrag gegenübersteht.
So müssen Heime bisher jede personelle Änderung bei den Betreuungskräften unverzüg-lich den Heimaufsichtsbehörden mitteilen. Diese Pflicht soll im künftigen Landesrecht auf Änderungen bei den Leitungskräften beschränkt werden.
Das Gesetz soll zudem die Aufsichtsbehörden zur Zusammenarbeit mit anderen Ordnungsbehörden (Gesundheitsamt, Bauamt, Brandschutz etc.) verpflichten, um ihre Prüftätigkeit und insbesondere ihre inhaltlichen Anforderungen aufeinander abzustimmen. An der jährlichen Überprüfung soll festgehalten werden. Die zuständigen Behörden sollen jedoch verpflichtet werden, die Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und den Trägern der Sozialhilfe zu präzisieren. Ziel ist, dass im Regelfall pro Jahr jeder Sachverhalt (z. B. Hygiene oder Brandschutz) nur von einer Stelle geprüft wird und die Ergebnisse der Prüfungen ausgetauscht werden.
Das baden-württembergische Gesetz soll auch eine klare Abgrenzung der Prüfkompetenzen zwischen Aufsichtsbehörden und MDK vornehmen. Die Heimaufsicht soll vorrangig (außer im Falle der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) für die Prüfung der Strukturqualität (z. B. Fachkraftquote, Raumgrößen) zuständig sein, der MDK dagegen vorrangig für die Prüfung der Prozess- und Ergebnisqualität (z. B. ordnungsgemäße Pflegedokumentation).
Das bisherige Bundesheimgesetz enthält neben ordnungsrechtlichen Regelungen für den Betrieb von Heimen auch Regelungen über Form und Inhalt der Verträge, die die Einrichtungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern abschließen. Die SPD spricht sich in ihren Eckpunkten dafür aus, diese heimvertraglichen Regelungen weiterhin bundeseinheitlich zu regeln.
Es macht für die Betroffenen keinen Sinn, dass in Ulm oder Mannheim andere Regelungen für einen Heimvertrag gelten als in Ludwigshafen oder in Neu-Ulm. Möglich wäre beispielsweise die Aufnahme entsprechender Vorschriften in das Bürgerliche Gesetzbuch. Im BGB gibt es bereits spezielle Vertragsvorschriften etwa für Reise- oder für Mietverträge.