[Anrede],

eigentlich sollte heute ein Meilenstein der Privatschulfinanzierung im Land verabschiedet werden, aber leider müssen wir heute feststellen:

Die tatsächliche Durchsetzung des Sonderungsverbots ist fraglich, da die möglichen Höchstsätze für einkommensschwache Familie auch weiterhin unerschwinglich sein werden.

Die Physiotherapieschulen werden in ihrer Existenz gefährdet.

Das Gesetzgebungsverfahren ist, entschuldigen Sie den lapidaren Ausdruck, „völlig schräg“.

Zu den einzelnen Punkten:

Eine Analyse von Wrase/Jung/Helbig vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin gesteht dem Gesetzesentwurf – das sei Ihnen heute durchaus zugestanden – in Teilen zu vorbildhaft zu sein. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die 160-€-Deckelung des Schulgeldes und der angekündigten Überprüfungen. Aber das Meisterstück ist zum Kunstfehler geworden – gepfuscht wird gleich an mehreren Stellen.

Konkret zeigen die Autoren eine deutliche unsoziale Schlagseite auf:

Es fehlt bislang eine Geschwister-Regelung. Hier, Frau Ministerin, haben Sie bis Jahresende eine Nachbesserung zugesagt.

Es fehlt an Transparenz, unter welchen Bedingungen die Schulen das Schulgeld reduzieren und wann komplett erlassen können und sollten:

Zwar ist festgelegt, dass das Schulgeld 5% des Nettoeinkommens einer Familie nicht übersteigen soll. Die Autoren weisen jedoch zurecht darauf hin, dass diese 5 % für einen Haushalt mit z.B. 5.000,- € eine andere Belastung darstellen als für einen Haushalt mit 1.000 bis 2.000 € Nettoeinkommen. Eine Lösung könnte hier sein, das frei verfügbare Haushaltsnetto-Einkommen heranzuziehen. Dieses ergibt sich nach Abzug von Basiskosten u.a. für Miete, Bekleidung und Lebensmittel. Eine solche soziale Regelung wird von Ihnen abgelehnt. Wenig erstaunlich, wenn zwei konservative Parteien regieren.

Wir begrüßen, dass das die Förderung der Privatschulen mit 80 % nach Brutto-Kosten-Modell gesetzlich verankert wird. Ein wirklich nachhaltiges Finanzierungsmodell muss jedoch zusätzliche Kosten für die Ganztagsschule und die Schulsozialarbeit berücksichtigen. Die Frage, wie diese pädagogisch sinnvollen Maßnahmen an freien Schulen sonst finanziert werden können, wird zu Lasten der Bildungsqualität weiter aufgeschoben.

Ein zentraler Fehler liegt schließlich in der Fehlzuordnung der Physiotherapieschulen in die Kategorie „übrige Berufskollegs“. Der Zuschuss soll jetzt nach Gesetz 5.525 € je Schüler je Jahr betragen. Bereits 2015 hatte allerdings ein Gutachten für das Sozialministerium einen notwendigen Zuschussbetrag von circa 7.400 € [80 % von 9.250 €] erbracht. Nach Berechnungen eines Gutachtens der Physiotherapieschulen liegen die Kosten der Ausbildung sogar noch höher. In jedem Fall verbleibt eine Deckungslücke von mehreren tausend Euro. Dies verbunden mit der vorgesehen – und notwendigen! – Deckelung der Beitragshöhe würde die Physiotherapieschulen in die Pleite treiben. Und das darf nicht sein!

Hier muss also dringend etwas passieren – und was ist die Reaktion der Regierungsfraktionen? Willkommen im Skurrilitätentheater!

Für alle, die am letzten Donnerstag nicht im öffentlichen Teil des Bildungsausschusses waren, der Ablauf war wie folgt:

Nach einem Antrag von SPD und FDP kommt es zu einer öffentlichen Anhörung. In dieser legt der Vertreter der Physiotherapieschulen dar, dass die Schulen in ihrer Existenz gefährdet sind, wenn das Gesetz so verabschiedet wird. Die CDU erklärt, das sei ihr bewusst, aber das Sozialministerium müsse endlich liefern. Die nötigen Gutachten liegen seit Monaten vor. Die Grüne sagen hierzu – – – nichts! Im Raum steht, irgendetwas werde schon passieren. SPD und FDP bringen einen Antrag ein, der fordert, eine Kommission solle z. B. auf Grundlage der Gutachten einen Betrag für die Physiotherapieschule festlegen. Dieser wird von CDU und Grünen abgelehnt. Als Alternative bieten die Koalitionsparteien an – – – nichts! Kollegin Boser von den Grünen erklärt, man müsse das Gesetz heute verabschieden, die Privatschulen würden darauf warten. Zum drohenden Komplementärschaden für die Physiotherapieschulen und dem CDU-Vorwurf der Leistungsverweigerung des Sozialministers kein Wort.

Was für ein Komplementär-Koalitions-Chaos!

Es wird ein Gesetz vorgelegt mit einem zentralen Strickfehler, der die Physiotherapieschulen in ihrer Existenz bedroht.

Dieser Umstand wird von den Koalitionsparteien nicht bestritten, man macht aber auch nichts dagegen. Stattdessen gegenseitige Vorwürfe und ein verantwortungsloses Nicht-Handeln.

Und vom Parlament wird auch noch verlangt, diesen chaotischen Gesetzgebungsprozess durchzuwinken?

Avanti dilettanti!

Unter diesen Umständen bleibt der SPD-Fraktion leider nichts anderes übrig, als diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

Herzlichen Dank!

+++Es gilt das gesprochene Wort+++

Ansprechpartner

Daniel Born
Stellvertretender Landtagspräsident

Dr. Stefan Fulst-Blei
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bildungspolitischer Sprecher

Lisa Rößner
Beraterin für Bildung, Jugend und Sport