Redemanuskript Dr. Boris Weirauch
zur Aktuellen Debatte der FDP/DVP: „„Grün-schwarzer Streit ums zweite Hilfspaket  –  Warum ist 66 Tage nach der Ankündigung immer noch kein Euro bei den belasteten Branchen angekommen?“

am 25. Juni 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum wiederholten Mal – und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal – sprechen wir über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Dies liegt natürlich daran, dass die Auswirkungen auf die verschiedenen Branchen zwar unterschiedlich, in der Summe aber immens sind. Umsatzrückgänge, wie wir sie nicht mal zu Zeiten der Weltfinanzkrise erlebt haben, stellen viele Betriebe und Selbstständige im Land vor existenzbedrohende Probleme.

Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um über 6 Prozent. Baden-Württemberg wird noch stärker betroffen sein. Auch deshalb, weil laut Prognose der Bundesregierung die Exporte in diesem Jahr um über 11 Prozent zurückgehen könnten. Im harten Lockdown wurden ganze Wirtschaftsbereiche heruntergefahren, Geschäfte wurden über einen längeren Zeitraum geschlossen und fahren aktuell Corona-bedingt nur mit halber Kraft wieder an. Deutschland steht vor einer Rezession, und diese wird in Baden-Württemberg mit seiner beeindruckenden Wirtschaftsleistung in Relation noch stärker zu spüren sein als in anderen Bundesländern.

Wir diskutieren heute aber auch deshalb über die Corona-bedingten Auswirkungen auf die Wirtschaft, weil das Krisenmanagement der grün-schwarzen Landesregierung bisher insgesamt als unkoordiniert, wenig verlässlich, zuweilen sogar chaotisch bezeichnet werden muss. Und damit meine ich nicht nur das Verordnungschaos an sich, sondern auch die Art und Weise, wie die Landesregierung Unterstützungsprogramme ankündigt und dann wochen- oder monatelang einfach nichts geschieht und zuweilen sich die grün-schwarze Koalition im Vorwahlgetöse auch selbst blockiert.

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut wird bspw. vom Schwäbischen Tagblatt vom gestrigen Tage wie folgt zitiert: „Es wird höchste Zeit, dass Winfried Kretschmann in den wohlverdienten Ruhestand geht“. Dieses Zitat steht sinnbildlich für den Zustand dieser Landesregierung. Wie Regierungsmitglieder meinen können, dass ein derartiger Umgang auf der Regierungsbank geeignet sein könnte, Vertrauen in die Entscheidungen der eigenen Landesregierung in dieser schwierigen Situation zu vermitteln, erschließt sich mir nicht.

Gerade in der jetzigen Situation sind Unternehmen und Beschäftigte darauf angewiesen, dass politische Entscheidungsträger verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, ihre Zusagen einhalten und kollegial an einem Strang ziehen zum Wohle des Landes. Die grün-schwarze Koalition lässt dies leider allzu oft vermissen. Ich erinnere an hektische Diskussionen um die Anrechnung von Privatvermögen bei der Beantragung von Soforthilfen, an willkürlich gesetzte 800qm-Flächenbegrenzungen in Geschäften, die dann von der Verwaltungsgerichtsbarkeit für nichtig erklärt wurden, und an Verordnungen, die in letzter Minute erlassen wurden, so dass den betroffenen Betrieben keine Zeit blieb, die Vorgaben zeitnah und rechtskonform umzusetzen.

Durch solche und weitere Irrungen und Wirrungen seitens der grün-schwarzen Landesregierung wurden viele Unternehmen in einer ohnehin schon nervenaufreibenden und existenziell beunruhigenden Situation zusätzlich verunsichert. „Wirtschaft ist zu 50% Psychologie“ hat schon unser erster Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard gewusst.

Immerhin ist es gelungen, durch einen Hau-Ruck-Beschluss des Landtags über eine Kreditermächtigung in Höhe von 5 Milliarden EUR und der fabelhaften Unterstützung der Kammern die Soforthilfe für Unternehmen und Solo-Selbstständige ins Laufen zu bringen. Rund 270.000 Anträge (Stand Ende Mai) sind ein eindrückliches Zeugnis, in welcher Breite Unternehmen im Land von Corona betroffen sind. Die Soforthilfe sollte jedoch nur für eine kurzfristige Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten vorgesehen sein, aber es gibt eben viele Branchen, die über die Soforthilfe hinaus Unterstützung benötigen, um dauerhaft wirtschaftlich überleben zu können.

In den zahlreichen Gesprächen der SPD-Fraktion auch mit den Verbänden der Hotel- und Gastronomiebranche wurde einmal mehr verdeutlicht, dass die Soforthilfen bei weitem nicht ausreichen, um diese Branche zu stabilisieren. Baden-Württemberg ist als Tourismusland nicht nur wirtschaftlich darauf angewiesen, eine vielfältige gastronomische Landschaft zu erhalten, sondern der Tourismus ist auch ein Teil der Kultur und Identität unseres Landes.

Es ist beschämend, wie lange die grün-schwarze Landesregierung gebraucht hat, um endlich eine nennenswerte und zielgenaue Unterstützung für Tourismus und Gastronomie auf den Weg zu bringen.

Es passt aber ins Bild – das Bild, das wir schon kennen von Schulleitungen, die aus der Zeitung erfahren, wie sich die Kultusministerin die sogenannten „Pläne“ für die Schulöffnungen vorstellt, oder den Unternehmen, die sich im Internet die Informationen zum Verordnungsdschungel der Landesregierung zusammenklauben dürfen – im Ergebnis bleibt es aber ein fortgesetztes grün-schwarzes Armutszeugnis.

Im April hatte der zuständige Minister Guido Wolf ein Nothilfeprogramm für den Tourismus in Höhe von 328 Millionen Euro angekündigt. Anfang Mai hatte Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut Liquiditätshilfen für die Gastronomie in Aussicht gestellt. Ergebnis war ein wochenlanges Gezeter innerhalb der Koalition. In der Parlamentsdebatte im Mai hatten wir die Landesregierung bereits aufgefordert, das Gerangel einzustellen und dem Gastgewerbe eine verlässliche Perspektive zu bieten. Ende Juni, zwei Monate nach der ersten Ankündigung, stehen wir hier, und dürfen zur Kenntnis nehmen, dass die grün-schwarze Landesregierung vorgestern (!) endlich für kurze Zeit ihre internen Querelen in diesem Punkt zurückstellen konnte, um für die Gastronomen, die Hotellerie und auch die Reisebusunternehmen insgesamt 3 1/2 Monaten nach Beginn des Lockdowns endlich eine gewisse, finanzielle Erleichterung zu schaffen. An der Stelle der Zuschussnehmer würde ich aber erst daran glauben, wenn das Geld tatsächlich auf dem Geschäftskonto eintrifft.

Doch auch in anderen Bereichen hat die Wirtschaftsministerin viel angekündigt, dann aber nicht geliefert. Zum Beispiel bei Unternehmen mit 51 bis 100 Beschäftigten, für die es Soforthilfen geben soll. Wir fragen uns, was ist denn jetzt hiermit? Das Ganze ist schon jetzt keine Soforthilfe mehr, sondern eher eine „Vielleicht-irgendwann-mal-Hilfe“.

In diesem Zusammenhang muss auch noch der Beteiligungsfonds Erwähnung finden. Die Ministerin hat die Eigenkapitalunterstützung für notleidende Unternehmen mittels einer Fondsstruktur erstmals am 19. März erwähnt. Im April haben wir im Wirtschaftsausschuss über den Beteiligungsfonds gesprochen, haben damals bereits Details angemahnt. Mitte Mai haben sie sich dann gerüchteweise im Kabinett damit beschäftigt. Und was ist seitdem geschehen? Wann können Unternehmen mit einer Eigenkapitalunterstützung über den Fonds rechnen? Die Unternehmen in Existenznot brauchen jetzt Hilfe; nicht irgendwann im Herbst oder Winter!

Ich muss es Ihnen deutlich sagen. Diese Verzögerung verschuldet allein die Landesregierung! Der Landtag hat – wie gesagt – bereits am 19. März milliardenschwere Wirtschaftshilfen bewilligt, auch das Geld für einen Beteiligungsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro liegt bereit. Und sie schaffen es nicht, die Programme konsequent umzusetzen. Die Landesregierung nimmt sich diejenige Zeit, die die Betroffenen nicht haben. Sie gefährden damit unzählige Unternehmen. Und sie riskieren dadurch den Abbau weiterer Arbeitsplätze. Wir als SPD-Fraktion fordern: Schluss mit den Ankündigungen, handeln sie endlich!

Und die nächste Runde der grün-schwarzen Selbstbeschäftigung ist bereits voll im Gange. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Herr Professor Reinhardt, spricht sich erst diese Woche wieder für ein landeseigenes Milliardenpaket aus, um der baden-württembergischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Ihre Aussage, Professor Reinhart, die Konjunkturhilfe müsse „Substanz“ haben, bezieht sich wohl kaum auf den Vorschlag von Ministerpräsident Kretschmann, für ein Landeskonjunkturprogramm allenfalls einen dreistelligen Millionenbetrag einzustellen.

Und das, nachdem die Ministerien offensichtlich sechs Milliarden Förderbedarfe angemeldet haben. Sie, Herr Reinhart, bescheinigen Ministerpräsident Kretschmann „wenig Ehrgeiz“, aus meiner Sicht ist das eher noch die wohlwollende Variante. Der Bund startet ein Konjunkturprogramm mit rund 130 Milliarden Euro, und die Landesregierung lehnt sich zurück und wartet ab? Das kann nicht die Lösung sein! Das Land muss jetzt handeln und rasch ein eigenes Konjunkturpaket auflegen, nicht erst irgendwann im Herbst! Eine verantwortungsvolle Politik für Unternehmen und Beschäftigte sieht so jedenfalls nicht aus!

Zusammengefasst: Bei Hilfen für die Gastronomie u.a. gab es von Mitte April bis Ende Juni ein ständiges Hickhack, ehe Sie sich endlich einigen konnten. Wobei die Betroffenen die Hilfen noch nicht erhalten haben, es ist nach wie vor alles nur angekündigt. Viele weitere warten auf Unterstützung, schauen aber in die Röhre, Stichwort z.B. Beteiligungsfonds. Und über ein Landeskonjunkturprogramm wird munter gestritten, als hätten wir alle Zeit der Welt.

Machen Sie Ihre Arbeit, Baden-Württemberg kann sich weitere grün-schwarze Rangel- und Eifersüchteleien und immer weitere Verzögerungen bei Hilfsprogrammen nicht leisten.

// Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus