Redemanuskript Andreas Stoch
Aktuelle Debatte FDP/DVP: Ist der Innenminister ein offenes Sicherheitsrisiko

am 21. März 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Das ist ein Skandal! Verdeckte polizeiliche Maßnahmen gehören nicht in die Presse. Unsere Kolleginnen und Kollegen werden damit erheblichen Gefahren ausgesetzt!“ Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht die Aussage eines Oppositionspolitikers, sondern des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft! Einer Gewerkschaft, die sich mit Kritik gegenüber der CDU und deren Innenminister bisher eher zurückhaltend gezeigt hat.

Und das alles, weil der Innenminister im Kontext der Sicherheitsprobleme in Sigmaringen wieder einmal den durchsetzungsstarken und kompetenten Politiker darstellen wollte, der er beileibe nicht ist.

Die Frage, ob Herr Strobl der richtige Mann für das Amt des Innenministers ist, hat sich in den vergangenen Monaten mehr als einmal gestellt. Vom Frühjahr bis zum Sommer 2016  konnte man Augenzeuge werden, wie die chaotische Umsetzung der Evaluierung der Polizeistrukturreform die Polizei beunruhigte. Der  Ministerpräsident musste in die Bresche springen, weil der Innenminister nicht entscheidungsstark genug war, um die Anzahl der Präsidien festzulegen.

Daran knüpfte nahtlos die Novellierung des Polizeigesetzes im Herbst an – dem Entwurf des Innenministers wurde von Experten, so unter anderem vom eigenen Datenschutzbeauftragten, Verfassungswidrigkeit attestiert. Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs musste verschoben werden. Der Weg bis zur Verabschiedung zog sich auch aufgrund der zahlreich erforderlichen Änderungen bis kurz vor Weihnachten.

Im neuen Jahr folgte dann die Diskussion um das Wahlrecht, bei dem die eigene Fraktion dem Innenminister die Gefolgschaft verwehrte und in seiner Abwesenheit den Aufstand probte. Ein Ende dieser Diskussion ist auch hier noch nicht absehbar.

Aber die bislang schwärzeste Woche im Amt als Innenminister dürfte die vergangene gewesen sein. Noch nie zuvor hat sich die Frage so drängend gestellt, ob die Innere Sicherheit bei Herrn Strobl in guten Händen ist. Sein eigener Staatssekretär hat da wohl auch so seine Zweifel und verlässt gerade noch rechtzeitig das sinkende Schiff und verabschiedet sich nach Berlin.

Doch das nur am Rande, zurück zu dem eigentlichen Vorgang, den wir heute diskutieren.

Aber, was war passiert? Sie, Herr Innenminister, kündigen am Freitag, 9. März per Pressemitteilung den Einsatz von verdeckten Kräften unter Angabe von Ort – Prinzenpark in Sigmaringen – und Zeit -mit Beginn der der wärmeren Jahreszeit an –  und damit beginnt ein (Kommunikations-) Desaster, das seinesgleichen sucht. Ein Aufschrei geht durch die Polizei, die DPolG macht den Anfang, die anderen Polizeigewerkschaften folgen, weitere Polizisten wenden sich an die Presse, weil sie sich vom Innenminister im Stich gelassen fühlen.

Und was machen Sie, Herr Strobl?

Von Freitag bis Sonntag sagen Sie zu dem gesamten Vorgang überhaupt nichts. Ihr Noch-Staatssekretär fühlt sich nach 48 Stunden dann doch bemüßigt, ein paar dürre Sätze abzusetzen – deren Inhalt sich später dann aber eher als hinderlich herausstellt. Dazu später mehr.

Aber bereits zu diesem Zeitpunkt ist eines schon sehr deutlich klar: In Baden-Württemberg regiert ein Innenminister, der seine eigene Polizei auch nach bald zweijähriger Amtszeit nicht versteht. Polizisten, die sich an die Presse wenden, weil sie sich in ihrer Arbeit vom Innenminister behindert fühlen, das dürfte schon einmalig sein.

Ab Montag dann tischen Sie uns jeden Tag eine andere Story auf, verwickeln sich in Widersprüche und verteilen die Schuld gleichermaßen auf Presse, Opposition und Polizei und als das dann alles nicht wirkt, gestehen Sie – als es gar nicht mehr anders geht – halbherzig Fehler in der Kommunikation ein.

Pleiten, Pech und Pannen – erfolgreiche Arbeit sieht anders auch und eine gelungene Krisenkommunikation erst recht.

Am Montag geben Sie dann eine Pressekonferenz, eigentlich zu den Ergebnissen der CDU-Landesvorstandssitzung, bei der Sie sich dann endlich auch zu Sigmaringen äußern und  einen Versuch starten, die Kritik zu entkräften mit folgender Argumentation:

Punkt 1: Kripo arbeitet immer verdeckt

Kripobeamten arbeiten immer verdeckt. Zwei Tage später rudern Sie dann zurück, ihre Wortwahl sei missverständlich gewesen. Sie meinten, dass die Kriminalpolizei zivil unterwegs ist. Was sie eigentlich unter verdeckten Kräften verstehen, weiß bis heute niemand – kein Wunder, denn dies ist kein polizeilicher Fachbegriff, wie auch schon ein Abgeordneter der CDU treffend feststellte.

Punkt 2: PM war mit Polizei abgestimmt

Die Pressemitteilung war mit dem Landeskriminaldirektor abgestimmt und die Polizei somit mit Ihrer Äußerung zu den verdeckten Kräften einverstanden. Bis heute ist weder klar, wer der aktuelle Landeskriminaldirektor ist, noch ob er die Pressemitteilung  tatsächlich abgesegnet hat.

Punkt 3: Verweis auf Ankündigung in Heidelberg

Ihre Ankündigung wird auch nicht weniger schlimm, indem Sie auf Ihre Ankündigungen zum Einsatz von verdeckten Ermittlern in Heidelberg verweisen, wo im Übrigen der konkrete Ort und auch die Zeit offen blieb und Heidelberg schon von seiner Größe nicht mit Sigmaringen vergleichbar ist. Und im übrigen macht ein früherer Fehler den jetzigen nicht besser!

Punkt 4: Schuld sind die anderen

Schuld sind die anderen: der Redakteur der Schwäbischen Zeitung, die Opposition oder vielleicht doch der Landeskriminaldirektor. Dabei vergessen Sie eines: Auslöser der ganzen Debatte war zunächst Ihre Pressemitteilung und als Reaktion darauf gab es massive Beschwerden aus der Polizei heraus. Und das alles bevor sich die Opposition auch nur mit einer Zeile zu Wort gemeldet hatte.

Punkt 5: Keine Entschuldigung

Entschuldigung Fehlanzeige. Kein Wort dazu, dass wenn es denn so ist und Ihre Pressemitteilung missverstanden wurde, warum Sie den Vorgang nicht unmittelbar am Wochenende klargestellt haben. Das zeigt vor allem eines, Sie haben nicht verstanden, was die Verkündung des Einsatzes von verdeckten Ermittlern bei der Polizei angerichtet hat, Sie verstehen die Arbeitsweise Ihrer Polizei überhaupt nicht.

Ihr Versuch die Angelegenheit zu entkräften geht fehl. Die Zeitungen titeln am Dienstag Schlagzeilen wie diese: „In Erklärungsnot“ (Südkurier vom 13. März 2018) oder „Strobl muss sich rechtfertigen“ (Badisches Tagblatt vom 13. März 2018).

Dienstag: Schweigen

Mittwoch dann der Innenausschuss, wo das Thema auf Antrag der SPD behandelt wird und Sie einen Strategiewechsel vollziehen, der dann nur nicht mehr zu Ihren Aussagen von Montag passen und viele Fragen unbeantwortet lassen.

Punkt 1: Versand der PM vor Beschluss der Konzeption

Sie behaupten nun, die Polizei habe aus polizeifachlichen Gründen auf den Einsatz von verdeckten Ermittlern verzichtet. Diese Entscheidung sei in einer Sitzung getroffen worden, die am 9. März um 10.00 Uhr begann. Einen Zusammenhang zu Ihrer Pressemitteilung können Sie nicht erkennen, schließlich sei die PM „erst“ um 9.23 Uhr verschickt worden und lediglich an die Zeitungsredaktionen, nicht aber an die Polizei. Es ist grotesk, dass Sie es für ausgeschlossen halten, dass die Polizei im Laufe des Vormittags Kenntnis von der Pressemitteilung erhielt. Noch schlimmer ist es allerdings, dass Sie um 9.23 Uhr eine „Konzeption sicheres Sigmaringen“ verkünden, die überhaupt erst in einer Sitzung beginnend ab 10.00 Uhr am selben Tag beschlossen werden soll. Dies zeigt einmal mehr: Selbstdarstellung ist Ihnen wichtiger als erfolgreiche Polizeiarbeit.

Im Übrigen führt diese Argumentation auch die Aussage ihres Staatssekretärs ad Absurdum, der noch am Sonntag behauptete, dass die Ankündigung  auf Grundlage eines operativen Konzepts der Landespolizei erfolgt sei.“ (Badisches Tagblatt vom 12.März 2018), was aufgrund der mittlerweile bekannten Chronologie nicht stimmen kann.

Punkt 2: Einbindung der Polizei in Erstellung der PM unklar

Fest steht nur, dass Sie den Landeskriminaldirektor im Innenausschuss mit keiner Silbe erwähnt haben und alle Fragen dazu unbeantwortet blieben. Fest steht auch, der Landespolizeipräsident war in die Erstellung dieser Pressemitteilung nicht eingebunden. Wer überhaupt aus der Polizei eingebunden war – unklar.

Punkt 3: Inhalte und Umsetzung der Konzeption unklar

Ungeklärt ist nach wie vor die Frage, was der Innenminister unter versteckten Kräften versteht. Unklar ist, ob die Konzeption auf Eis liegt, genauso kommt wie geplant oder auf der zeitlichen Schiene verändert wird, wie es der Landespolizeipräsident verlautbaren ließ. Unklar ist, ob Vertrauenspersonen angeworben werden oder nicht. Fragen, die in der nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses beantwortet hätten werden müssen, was aber nicht geschehen ist.

Wir sind nicht zufrieden mit Ihren bisherigen Antworten. Zu vielen Fragen haben Sie, Herr Innenminister, keine klaren und eindeutigen Antworten gegeben. Sie haben die Möglichkeit die Fragen hier zu beantworten und wir erwarten darüber hinaus eine ausführliche Beantwortung unseres Antrags. Aber wahrscheinlich, Herr Innenminister, liegt Ihr Problem gar nicht in diesem Vorfall begründet. Ich zitiere den SWR, auf die Frage, wie es denn mit der Unterstützung aus der CDU für den Innenminister aussehe. „Nichts, keine Schützenhilfe aus den eigenen Reihen. Und das ist die Geschichte hinter der Geschichte: Egal, wie das mit Sigmaringen ausgeht, Strobl muss aufpassen, dass ihm nicht die eigenen Leute sein Grab schaufeln. Denn redet man inoffiziell mit Mitgliedern der CDU-Fraktion, sind die sehr gesprächig. Was von deren Seite kommt, ist heftiger als das, was wir von der Opposition hören. Viele in der CDU nehmen Sigmaringen zum Anlass, um richtiggehend über Strobl abzulästern und ihrem Frust über ihn freien Lauf zu lassen. Er sei unfähig, kümmere sich um nichts, arbeite sich nicht in Themen ein. Gr0ße Teile der Fraktion halten ihm Führungsschwäche vor. Und ich habe inzwischen fast den Eindruck, dass die CDU die Situationen, in denen Strobl Probleme bekommt, gerne laufen lässt – in der Hoffnung, das er irgendwann richtig stolpert.

Es ist mitleiderregend! Aber mehr Mitleid als mit Ihnen, Herr Strobl, habe ich mit den Polizeibeamtinnen und –beamten, die einen solchen Dienstherrn haben. Und natürlich mit den Menschen in Baden-Württemberg. Die brauchen einen Innenminister und keine Karikatur eines Politikers!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Melbeck Fraktion
Malin Melbeck
Parlamentarische Beraterin für politische Planung und Strategie, Parlamentsrecht, Stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin