Dr. Boris Weirauch: „Mit dieser Gesetzesänderung wird das Landestariftreuegesetz zum Papiertiger“

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Dr. Boris Weirauch greift die Regierung an für ihren Versuch, das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz in einem Anhängsel-Artikel des Gesetzentwurfs zur Änderung des Landesnaturschutzgesetzes still und leise zu entwerten. „Mit dieser Gesetzesänderung, versteckt zwischen Benennung von Naturschutzbehörden und Zugangsrechten für Pedelecs, wird das Landestariftreuegesetz ein Papiertiger“, erklärt Weirauch. „Die Regierung gibt hier ohne Not und wohl aus ideologischen Gründen ein Instrument aus der Hand, mit dem wir alle klar machen könnten, dass Baden-Württemberg für seine Beschäftigten mehr kann als das Minimum.“

Das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz aus dem Jahr 2013 regelt, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Lohnuntergrenze von €8,50 gilt, unter der Auftragnehmer der öffentlichen Hand ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht bezahlen dürfen. Mit der Einführung des bundesweiten Mindestlohns auf Druck der SPD wurde diese Lohnuntergrenze zwischenzeitlich überholt. Die Landesregierung will nun die Lohnuntergrenze im Landestariftreuegesetz dauerhaft und automatisch an den bundesweiten Mindestlohn koppeln. Damit würde im gleichen Zuge die Landeskommission, die die Lohnuntergrenze auch höher ansetzen könnte, abgeschafft.

„Die Regierung erklärt diesen Schritt mit ‚Bürokratieabbau‘“, ärgert sich Weirauch, „zeigt aber eigentlich vor allem, welchen Stellenwert diese Koalition den Beschäftigten unseres Landes einräumt.“

Hintergrund:

In der heutigen Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung „Gesetz zur Änderung des Gesetzes des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft und weiterer Vorschriften“ findet sich unter den „weiteren Vorschriften“ eine Änderung des §4 des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg (Landestariftreue- und Mindestlohngesetz – LTMG).

Das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz sieht vor, dass öffentliche Aufträge nur vergeben werden durften an Angebotsnehmer, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Stundenlohn von mindestens €8,50 zahlen.

Bei der Einführung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes spielte diese Lohnuntergrenze angesichts eines fehlenden allgemeinen Mindestlohns eine Vorreiterrolle, die die besondere Verantwortung und die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand betonen sollte. Mit der Einführung des bundesweiten Mindestlohns und seiner subsequenten Erhöhung wurde die Lohnuntergrenze in Baden-Württemberg faktisch überholt.

Der bundesweite Mindestlohn gilt auch für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg.

Die grün-schwarze Landesregierung möchte nun die Lohnuntergrenze für die Vergabe öffentlicher Aufträge dauerhaft an den bundesweiten Mindestlohn koppeln und verweist in der Gesetzesbegründung, dass es zur Anpassung des Mindestlohns bereits auf Bundesebene eine Kommission gäbe. Die Regierung entledigt sich damit der Möglichkeit, für das Hochlohnland Baden-Württemberg eine nach oben abweichende Lohnuntergrenze anzusetzen.

Die SPD-Opposition im Landtag kritisiert sowohl das intransparente, auf versteckte Erledigung ausgerichtete Verfahren sowie den Ansatz der Regierung, die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand und Gestaltungsmacht bei Arbeitnehmerrechten hinter „Bürokratieabbau“ anzustellen.

Stuttgart, 12. Oktober 2017
Heike Wesener, Pressesprecherin

Ansprechpartner

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus